Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Im Gespräch

Die Herausforderungen der Landwirtschaft ganzheitlich im Blick

Seit 25 Jahren engagieren sich Katholische Landjugend und Landvolk in der Ländlichen Familienberatung

Würzburg (POW) Seit 25 Jahren unterstützt die Ländliche Familienberatung (LFB) für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) und der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) Landwirte, Gärtner und Winzer in der Diözese Würzburg. Warum die beiden Verbände das tun und wie sich die Arbeit in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten verändert hat, erläutert Wolfgang Scharl, Leiter der LFB, im folgenden Interview.

POW: Warum hat die Katholische Landvolkbewegung vor 25 Jahren die Ländliche Familienberatung (LFB) aus der Taufe gehoben?

Wolfgang Scharl: Im Bereich Landwirtschaft, Weinbau, Gartenbau, also in ländlichen Familienbetrieben, sind die Anliegen und Themen meist ein Ineinander von Betrieblichem und Familiär-Persönlichem, es geht also immer um die miteinander verwobenen Systeme Familie und Betrieb. Wenn nun Ratsuchende aus diesen Bereichen in andere Beratungsstellen gingen, sei es in die Eheberatung, Schuldnerberatung oder andere, dann fühlten sie sich oft nicht so vollständig verstanden. Deshalb war es in der LFB von Anfang an wichtig, dass die Berater/innen selbst aus der Lebenswelt von Landwirtschaft, Wein- oder Gartenbau stammen und dass sie gerade darin geschult sind, sich mit diesem Ineinander der verschiedenen Systeme auseinanderzusetzen. Ein weiterer Grund war der, dass es vor 25 Jahren in der benachbarten Erzdiözese Bamberg bereits seit fünf Jahren eine Landwirtschaftliche Familienberatung gab und diese mehr und mehr Anfragen aus Unterfranken erhielt. Die Katholische Landvolk- und Landjugendbewegung beschlossen deshalb, auch in unserer Diözese eine ähnliche Einrichtung aufzubauen und die Trägerschaft dafür zu übernehmen. Außerdem haben wir damals festgestellt, dass es für viele Betroffene eine große Hürde darstellt, sich aufzumachen und eine Beratungsstelle zu besuchen.

POW: Wie haben Sie darauf reagiert?

Scharl: Um diese Zugangsschwelle möglichst niedrig zu halten, bieten wir an, die Beratung entweder in Würzburg an unserer Dienststelle durchzuführen oder auch im eigenen Betrieb oder in einem Raum in Wohnortnähe. Auch die Tatsache, dass die Beratenden zum großen Teil Ehrenamtliche sind und aus ähnlichen Berufszweigen stammen, senkt die Hemmschwelle.

POW: Was genau unterscheidet Ihr Angebot von anderen psychosozialen Angeboten?

Scharl: Andere psychosoziale Beratungsangebote sind in der Regel nicht speziell auf die Berufsgruppe der Landwirte ausgerichtet und haben damit dieses Ineinander von Familie und Betrieb nicht so im Blick. Im Bereich der Landwirtschaft gibt es unterschiedliche Fachberatungen, die aber wiederum die persönlichen und familiären Auswirkungen der Entscheidungen oft nicht so ausführlich anschauen können. Was uns auch auszeichnet, ist die Tatsache, dass in der Regel zwei Berater die Beratung anbieten, oft ein Mann und eine Frau. Das ist gerade dann ein großer Vorteil, wenn mehrere Personen beraten werden, so etwa ein Paar oder eine Familie. Bei uns gibt es relativ schnell einen Beratungstermin, und wir können die Ratsuchenden bei Bedarf auch über einen langen Zeitraum begleiten. In diesem Fall finden dann in gewissen Abständen Zwischenreflexionen statt, um das weitere Ziel der Beratung zu besprechen.

POW: Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie damals zu kämpfen?

Scharl: Angestrebtes Ziel war, dass die Diözese Würzburg – ähnlich wie es damals auch in der Erzdiözese Bamberg der Fall war – eine hauptamtliche Stelle für die Leitung der LFB schafft. Da sie das nicht erreichen konnten, einigten sich die beiden Verbände Katholische Landvolkbewegung und Katholische Landjugendbewegung darauf, die Beratungseinrichtung dennoch zu schaffen und einen Teil der Arbeitzeit ihrer Hauptamtlichen für diese Aufgabe zur Verfügung zu stellen. So kam es dazu, dass ich als damaliger Landjugendseelsorger der KLJB und pastoraler Mitarbeiter in der KLB die Leitung der LFB übernahm. Stellvertretende Leiter waren damals der Geschäftsführer der KLB Karl Zehnder und der KLJB-Agrarreferent Albin Neckermann. Eine weitere Herausforderung bestand darin, uns im Verhältnis zu den anderen diözesanen und auch nicht-kirchlichen Beratungseinrichtungen in Unterfranken als professionell und kompetent arbeitende Beratungsstelle zu etablieren. Psychosoziale Beratung mit Ehrenamtlichen, das war ja nichts so wirklich Alltägliches. Nach und nach wurden wir dann anerkannt und als gleichberechtigte Partner wahrgenommen. Wir konnten durch eine gute und tiefgehende Ausbildung, durch professionelle beraterische Fortbildungen und durch häufige Supervisionen und vor allem das Engagement der Beraterinnen und Berater zu einer kompetenten und qualitativ hochwertigen Beratungsarbeit finden. Ich bin stolz auf das Team der Ehrenamtlichen für dieses Angebot.

POW: Wie schwierig war es, genügend Ehrenamtliche für die Beratung zu finden?

Scharl: Die anfängliche Befürchtung, dass sich nicht genügend ehrenamtliche Beraterinnen und Berater finden würden, erwies sich als unberechtigt. Sehr schnell kam eine ausreichende Gruppe von Interessierten für die Ausbildung zusammen. Auch für die regelmäßig alle paar Jahre angebotenen weiteren Ausbildungskurse fanden sich immer wieder Teilnehmer. Seit einigen Jahren veranstalten wir die Ausbildungskurse nicht mehr alleine für unsere Einrichtung, sondern gemeinsam mit den sieben weiteren Landwirtschaftlichen Familienberatungen in Bayern. Zurzeit läuft ein neuer Ausbildungskurs mit drei Teilnehmenden von unserer Einrichtung.

POW: Welche Herausforderungen der Klienten bestimmen die aktuelle Arbeit?

Scharl: Wichtige Themen sind Fragen der Betriebsübergabe. Hier ist sehr viel zu klären. Durch die enge Verflechtung von betrieblichen und familiären Strukturen gibt es eine Fülle von Herausforderungen und auch kritischen Punkten, die zu Streit und Unverständnis führen können und die innerhalb der Familie und der betroffenen Paare sowie vor allem auch zwischen den Generationen geklärt und bearbeitet werden. Und das alles neben der Fülle an alltäglicher Arbeit, die ja immer weiter zu bewältigen ist. Zunehmend wird auch das Fehlen von Hofnachfolger(inne)n eine große Herausforderung. Mehr und mehr sind Überlegungen zu möglichen Formen einer außerfamiliären Hofübergabe notwendig. Im Herbst werden wir erstmals hierzu einen Fachtag anbieten. Generationenkonflikte, Ehe- und Paarkonflikte, Fragen des Zusammenlebens in der Großfamilie, die ja meist eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ist, sind weitere wichtige Themen und Herausforderungen.

Daneben drücken oft hohe finanzielle Belastungen. Neuerungen im Pflanzenbau und vor allem in den Standards der Tierhaltung erfordern häufig extrem hohe Investitionen. Wenn dann irgendwann etwas nicht rundläuft, der Markt nicht mehr die erforderlichen Preise zahlt, die Nachfrage sich ändert oder – was häufig der Fall ist – die politischen Rahmenbedingungen für Landwirtschaft sich ändern, dann wird es schnell finanziell eng. Das gilt natürlich genauso, wenn sich unerwartete familiäre oder persönliche Veränderungen ergeben. Krankheit, Sterbefälle, Trennungen und Ähnliches führen nicht nur zu persönlichen Sorgen, sondern sehr schnell zu existentiellen Bedrohungen des Betriebes.

POW: Auch psychische Probleme haben sich in den vergangenen Jahren vermehrt, wie die KLB ja auch schon bei speziellen Veranstaltungen thematisiert hat.

Scharl: Die seelische Not in der Landwirtschaft, das Gefühl der Überlastung und ständigen Überforderung, die Hoffnungslosigkeit im Blick auf die Zukunft und das Gefühl, ich schaffe es nicht mehr, ich sehe keinen Sinn mehr in der Arbeit, aber dennoch läuft die Arbeit und ihre Anforderungen jeden Tag weiter – dieses Gefühl hat nach unserer Beobachtung in den vergangenen Jahren leider sehr stark zugenommen. Spätestens hier ist es unbedingt nötig, innezuhalten, Beratung anzufragen und nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen. Wenn es sich um Depression und andere psychische und neurologische Krankheitsbilder handelt, versuchen wir immer, die Betroffenen dazu zu motivieren, einen Arzt zu konsultieren und – neben unserer Beratung – psychotherapeutische Begleitung in Anspruch zu nehmen. Das ständige Gefühl der Überlastung und der Unzufriedenheit mit der Arbeit kann sich sonst nämlich Schritt für Schritt in alle Lebensbereiche hineinfressen, in die allgemeine Lebenszufriedenheit, in die Familien- und Paarbeziehung, in die Freundschaften, die Hobbys, in die körperliche Gesundheit.

Neben der Arbeitsherausforderung, der politischen Unsicherheit und der häufigen Belastung durch hohe Investitionen sind die ständig wachsenden bürokratischen Anforderungen eine große Belastung. Eigentlich wartet draußen dringend die Arbeit, und die Landwirtschaft ist ja das, was die Bauern und Bäuerinnen machen wollen, aber als unnütz erlebte Bürokratie fordert die Zeit, Energie, den Einsatz. Die aufwändigen Anträge und Nachweise sind für viele nicht mehr zu bewerkstelligen. Viele Landwirte haben außerdem das Gefühl, dass das Ansehen ihrer Berufsgruppe und damit ihrer Person in der Gesellschaft mehr und mehr sinkt. Statt Wertschätzung dafür zu ernten, dass sie die Lebensmittel produzieren, haben sie zunehmend das Gefühl, zum Sündenbock für alles gemacht zu werden, für die Umweltverschmutzung, den Klimawandel, das Tierleid und so weiter. Ohne ein gewisses Maß an Wertschätzung lässt sich jedoch nur schwerlich zufrieden leben. Vor kurzem haben wir neben der Beratungstätigkeit einen Gesprächskreis gegründet, in dem Betroffene offen über ihre Belastungen und ihre Lebenssituation sprechen und sich austauschen können. Oft ist allein das Aussprechen der Nöte und auch das Hören anderer Betroffener eine große Hilfe, um aus dem seelischen Tief langsam wieder herauszufinden und sich in Richtung auf Veränderungen aufmachen zu können.

POW: Wo sehen Sie Ihre Arbeit in fünf Jahren?

Scharl: Schön wäre es natürlich, wenn es in fünf Jahren eine Beratungs- und Begleitungseinrichtung wie die LFB nicht mehr bräuchte. Das halte ich jedoch leider für sehr unwahrscheinlich. Ich hoffe, wir werden auch in fünf Jahren noch als Ansprechpartner und Zuhörer zur Verfügung stehen und dabei unterstützen können, Wege aus der Krise zu erkennen und zu gehen, Veränderungsmöglichkeiten für das eigene Leben, die familiären und freundschaftlichen Beziehungen und den Betrieb zu erkennen und sich auf den Weg zu machen. Und weiterhin werden wir uns über alle freuen, die den Schritt wagen, bei uns anzurufen, mögen sie in einer tiefen Krise stecken oder mögen sie einfach einen Gesprächspartner suchen, um anstehende Entscheidungen und Schritte mal mit uns als neutralen Außenstehenden besprechen zu können.

Stichwort: Ländliche Familienberatung für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau der KLJB und KLB in der Diözese Würzburg (LFB)

Die LFB wurde 1998 gegründet. Geografisch ist die LFB Würzburg zuständig für das Gebiet Unterfranken. Zurzeit führen zwölf ehren- und zwei hauptamtliche Beraterinnen und Berater die Beratung durch. Drei Kandidat(inn)en befinden sich derzeit in Ausbildung und werden diese im nächsten Jahr abschließen. Die Leitung liegt auch heute noch bei Pastoralreferent Wolfgang Scharl, nun in seiner Funktion als Landvolkseelsorger der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) und Leiter des Referats Kirche auf dem Land. Hauptamtlich unterstützt wird die Leitung durch die Geschäftsführerin der KLB, Rita Mergler-Spies, den KLB-Bildungsreferenten Dr. Wolfgang Meyer zu Brickwedde und in der Regel auch durch die/den Diözesanlandjugendseelsorger/in der Katholischen Landvolkbewegung (KLJB), deren Stelle derzeit nicht besetzt ist. Die frühere hauptamtliche KLB-Geschäftsführerin und jetzige ehrenamtliche Mitarbeiterin der LFB, Angelika Haaf, unterstützt bei der Organisation der Fortbildungen. Das Sekretariat der LFB ist im Würzburger Kilianeum-Haus der Jugend, Ottostraße 1. Jedes Jahr werden zwischen 30 bis 40 Beratungsfälle begleitet und beraten. Dabei werden zwischen 60 und 80 Personen in gut 100 oder mehr Beratungsgesprächen beraten. Die Ratsuchenden kommen aus den Bereichen Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau im Haupt- oder Nebenerwerb, teils als Betriebsinhaber/innen, Mitarbeiter/innen, Geschwister und Verwandte oder auch als Personen, die ihren Betrieb mittlerweile aufgegeben haben. Finanziert wird die Einrichtung durch die Diözese Würzburg und das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Begleitung der ehrenamtlichen Berater/innen erfolgt in persönlichen Gesprächen sowie in jährlich sechs Supervisionsabenden, drei Mitarbeitertreffen und zwei ein- oder mehrtägigen Fortbildungen. Neben der Beratung veranstaltet die LFB unter anderem auch Präventionsangebote, Vorträge, Seminare, Schulbesuche, Öffentlichkeitsarbeit und engagiert sich in der Diözese Würzburg im Netzwerk Kirche auf dem Land. Kontakt: Ländliche Familienberatung der Katholischen Landjugendbewegung und Landvolkbewegung in der Diözese Würzburg, Ottostraße 1, 97070 Würzburg, Stock 2A, Raum 230, Telefon 0931/38663725, Internet lfb.kljb-wuerzburg.de.

Interview: Markus Hauck (POW)

(2623/0700; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet