Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Die innere Nähe zu Gott spüren“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der Pontifikalvesper für die Seelsorger und Seelsorgerinnen am Dienstag, 8. Juli 2014, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitbrüder,

der letzte Satz der Psalmen ist im neuen Gotteslob der erste: Alles, was atmet, lobe den Herrn!

Diesem einladenden Satz gegenübergestellt ist ein Ausschnitt aus dem Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle in Rom, die kein Geringerer als Michelangelo Buonarroti zwischen 1508 und 1512 ausgemalt hat.

Auf unserem Titelbild im Gotteslob sehen wir einen kleinen Ausschnitt aus der „Erschaffung des Adam“. Gottes ausgestreckter Zeigefinger der rechten Hand berührt fast die schlaffe Hand Adams. Man glaubt gleichsam den Funken zu spüren, der aus der Schöpferhand Gottes auf den ersten Menschen überspringt und ihn mit Leben erfüllt.

Hier wird der Mensch als die Krone der Schöpfung gepriesen. In ihm findet das ganze Weltall seinen schöpferischen Höhepunkt. In ihm kulminiert auch die Möglichkeit, in und für die ganze Schöpfung das Lob Gottes zu singen. Dies hat der Mensch auch zu allen Zeiten, wenn auch sehr verschieden, getan.

Unsere Frankenapostel, die wir im Eingangshymnus unserer Vesper loben, haben dies auf ihre Weise gemacht. In der früh nach ihrem Märtyrertod aufgeschriebenen passio minor heißt es im 2. Kapitel:

„Nun begab es sich aber, dass eines Tages …an Kilian durch das Evangelium gleichsam als der Stimme des Herrn eine Mahnung erging, durch die Stelle: ‚Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.’ (Lk 9,23) Der hochselige Mann, total im Herzen und im Geist davon ergriffen, erwog diese Worte. Er sammelte seine Gefährten und Schüler um sich,... und begann sie zu überzeugen, gemäß dem Evangelium des Herrn Vaterland und Eltern zu verlassen und ohne alles Christus nachzufolgen.“

In der dritten Strophe unseres soeben gesungenen Hymnus heißt es: „Sie halfen vielen in der Not, den Armen brachen sie das Brot. Sie tauften auf des Herrn Geheiß, vermehrten Gottes Lob und Preis.“

Dies kommt auch uns sehr bekannt vor. Auch wir haben – wohl sehr unterschiedlich – Gottes Ruf in die Nachfolge vernommen und auf unsere Weise beantwortet. Auch wir haben – ergriffen von der Wirklichkeit, Größe und Nähe Gottes – manches hinter uns gelassen und uns auf Gottes Hilfe vertrauend in die Ausbreitung des Glaubens begeben.

Auch wir haben vielen in der Not geholfen und tun dies auch weiterhin. Auch wir brechen miteinander das Brot im biblischen Sinne, d.h. feiern miteinander die Eucharistie. Auch wir taufen unermüdlich, spenden die Sakramente und vermehren so das Lob Gottes.

Unsere Texte in dieser Vesper besingen im Psalm 8 die Herrlichkeit des Schöpfers. Der anschließende Psalm 150 ist gleichsam das große Halleluja und auch im Gesang aus dem Neuen Testament preisen wir mit dem Kehrvers „Selig, die bei dir wohnen, Herr, die dich loben alle Zeit“ Gottes Liebe zu uns.

Ähnliches geschieht im Magnifikat, dem Lobpreis der Gottesmutter. Sie preist die Größe Gottes und jubelt über Gott, ihren Retter.

Ist im Grunde nicht das ganze Leben Mariens ein Lobpreis Gottes? Sehen wir nicht, wenn wir sie ehren, durch sie hindurch – gleichsam wie durch eine Folie – den uns liebenden Gott?

Und ist das nicht genau unserer Aufgabe? Müssen nicht auch wir gleichsam eine Folie sein, durch die hindurch Gottes Liebe und Güte aufscheint? Wie kann uns dies gelingen?

Ich weiß um die vielfältigen Belastungen, denen wir ausgesetzt sind. Wir mühen uns ab und fühlen uns doch oft überfordert oder gar ausgelaugt. Die täglichen Verpflichtungen machen uns zu schaffen. Wir reden ständig von Gott und über Gott. Aber ersetzt das das Reden mit Gott?

Ich weiß, wie anstrengend es sein kann, in der Arbeitsbelastung, die sich ja letztlich immer um Gott dreht, auch noch genügend Zeit für das Beten zu finden. So manches Mal wird das Breviergebet beiseite geschoben, weil die innere Kraft dazu fehlt und weil wir es als eine zusätzliche Aufgabe und gar als Belastung empfinden. Jeder, der das Breviergebet mit seinen reichen Schätzen an Lebens- und Gebetserfahrung aber durchträgt, spürt wie ihn schließlich dieser Gebetsschatz selber trägt. Die anfängliche Mühe wird zur Kraftquelle, aus der wir leben können.

Ähnliches gilt für das Rosenkranzgebet und auch für das ganz persönliche Beten. Ähnliches trifft aber auch auf die Feier der Gottesdienste zu. Wenn wir im Vollzug der Feier, insbesondere der heiligen Messe, innerlich daran Anteil nehmen können, dann spüren die Mitfeiernden diese innere Nähe zu Gott und partizipieren daran.

Von den großen Heiligen wissen wir um die Gebetstiefe, die sie schon jetzt Gott als den ganz Nahen und uns ganz und gar Liebenden erfahren ließ. Ich erwähne nur Niklas von Flüe, Bruder Konrad von Parzham. Aber auch von der heiligen Edith Stein wird uns berichtet, dass sie ganze Nächte hindurch in der Kapelle vor dem Allerheiligsten gebetet hat.

Ich möchte abschließend Bernhard von Clairvaux zu Wort kommen lassen, der in einem Brief an Papst Eugen III., seinen früheren Schüler, schrieb:

„Wo soll ich anfangen? Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir. Ich fürchte, dass du eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest; dass du dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst.

Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst. Wenn du dein ganzes Leben und Erleben völlig von Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst, soll ich dich da loben? Darin lob ich dich nicht. Ich glaube, niemand wird dich loben, der das Wort Salomons kennt: Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit. (Sir 38,25) Und bestimmt ist es der Tätigkeit selbst nicht förderlich, wenn ihr nicht die Besinnung vorausgeht.

Wenn du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1 Kor 9,22), lobe ich deine Menschlichkeit – aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst du aber voll und echt Mensch sein, wenn du dich selbst verloren hast. Auch du bist ein Mensch.

Damit deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für dich selbst ein aufmerksames Herz haben. Denn was würde es dir nützen, wenn du – nach dem Wort des Herrn (Mt 16,26) – alle gewinnen, aber als einzigen dich selbst verlieren würdest?

Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum sollest einzig du selbst nichts von dir haben? Wie lange bist du noch ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt? (Ps 78,39)? Wie lange noch schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selber? Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein?

Denk also daran: Gönne dich dir selbst. Ich sag nicht: Tu das immer, ich sage nicht: Tu das oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.“

Und ich möchte abschließend hinzufügen: Beten, Sprechen mit Gott, Gott zu loben, ist kein Luxus, den wir uns leisten, er ist die Kraftquelle, aus der wir überzeugend leben.

Amen.