Würzburg (POW) Der Glaube scheint zunehmend aus der Gesellschaft zu verschwinden. Und doch gibt es Anzeichen, dass er für junge Menschen eine neue Relevanz haben könnte. Dieses Spannungsfeld betrachtete der Liturgiewissenschaftler Dr. Benjamin Leven in seinem Vortrag „Fehlt wirklich nichts, wenn Gott fehlt? Was es für die Kirche bedeutet, dass vielen Menschen Gott egal zu sein scheint“ bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Klerusvereins der Diözese Würzburg und der Sankt Kiliansfraternität im Pfarrsaal Sankt Peter und Paul in Würzburg. Leven ist Redaktionsleiter Online der internationalen katholischen Zeitschrift „Communio“, verantwortlich für das Online-Ressort „Liturgie, Bibel und Spiritualität“, Host des „Communio“-Podcasts „Communicatio“ und Sprecher der Videokolumne „Der zweite Blick“. Die Mitgliederversammlung des Klerusvereins schloss sich an.
Säkularisierung könne unterschiedlich definiert werden, sagte Leven. Er nannte als Beispiele die zunehmende Trennung von Kirche und Staat, den Vormarsch des Atheismus, die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder, die zunehmende Individualisierung der Religiosität oder auch die Pluralisierung, bei der unterschiedliche religiöse Auffassungen nebeneinander in einem Menschen existieren. „Bisher gingen viele davon aus, dass trotz dieser Entwicklungen die Frage nach dem Sinn jeden Menschen in irgendeiner Weise bewegt“, sagte Leven. Doch der Theologe Jan Loffeld vertrete in seinem Buch „Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt“ die These, dass die Frage nach Gott oder dem Sinn im Leben für die Mehrheit nicht mehr von Bedeutung sei – und ihnen auch nichts fehle. Die „6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung“ (KMU) von 2023 habe festgestellt, dass auch das Milieu der alternativen Formen von Religiosität mit hoher Geschwindigkeit schrumpfe. Religionssoziologen sprächen von einer „Kohortensäkularisierung: Jede neue Generation sei tendenziell weniger religiös sei als die vorherige. „Die Großeltern haben noch einen personalen Gottesbegriff, deren Kinder pflegen eine schwammige, diffuse Religiosität, und die Enkel haben jede religiöse Vorstellung verloren“, sagte Leven.
Doch gebe es Gegenbeispiele. Während man in Deutschland im Jahr 2025 rund 400 Erwachsenentaufen verzeichnete, sei in Frankreich die Zahl der Erwachsenentaufen von 3900 im Jahr 2015 auf mehr als 10.000 im Jahr 2025 gestiegen. In Frankreich seien im vergangenen Jahr 105 Priester geweiht worden, in Deutschland 29. Leven zitierte aus einem Bericht von Xandro Pachta-Reyhofen, Kaplan in der Dompfarrei von Amiens. Darin berichtet dieser von einer regelrechten Flut junger Menschen in der Aschermittwochsmesse 2024. „Diese Jugend war nicht da, weil wir irgendwas richtig gemacht hätten“, schreibt Pachta-Reyhofen. Seiner Ansicht nach hätten unter anderem die Sozialen Medien eine Rolle gespielt, aber auch die Inspiration durch die offen gelebten religiösen Rituale des Islam. Am Aschermittwoch 2025 seien die jungen Leute sogar noch zahlreicher gekommen. Auch dieser Trend findet sich in der KMU oder in der Studie „Was glaubt Österreich“ (WGÖ). Demnach weise die Gruppe der 14- bis 25-Jährigen die höchste Zustimmung zum Glauben an Gott oder eine göttliche Wirklichkeit im Vergleich mit allen anderen Altersgruppen auf, erklärte Leven. Sie nähmen häufiger als der Durchschnitt an Andachten, Fastenzeiten oder Pilgerreisen teil.
„Wenn sich in der jüngsten Generation empirisch eine größere Offenheit für Religion abzeichnet, was können wir tun?“, eröffnete Leven die Diskussion. Erwachsene Taufbewerber erwarteten von der Kirche „klare Aussagen“, berichteten zwei Priester. Dr. Eugen Daigeler, Vorsitzender des Klerusvereins, ermutigte dazu, sich selbst zu hinterfragen: „Wie verhalten wir uns zu Menschen, die Interesse am Glauben und an unserem Beruf zeigen?“ Ein Priester ergänzte die emotionale Komponente: „Sind wir Menschen, die Glaubensfreude ausstrahlen?“ Mit Blick auf die abnehmenden personellen Ressourcen forderte Leven dazu auf, sich auf das zu besinnen, was nur die Kirche anbieten könne: „Wenn es etwas ist, das nicht nur die Kirche machen kann, dann muss man das nicht machen.“
Die Mitgliederversammlung des Klerusvereins schloss sich an. In seinem Rechenschaftsbericht gab Vorsitzender Daigeler unter anderem Informationen zur Emeritenanstalt. Außerdem berichtete er über den Austausch mit Weihbischof Paul Reder, Bischofsvikar für die Priester. Dabei sei es beispielsweise darum gegangen, wie man den Kontakt zu den Mitbrüdern im Ruhestand sowie den Priestern der Weltkirche verbessern könne. Zudem sei über die neuen Verwaltungsleitungen für die Pastoralen Räume gesprochen worden.
sti (POW)
(4925/1255; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet



