Würzburg (POW) Die Debatte um die Kleinkindbetreuung in Deutschland wird mit zum Teil heftigen Worten geführt. Familienministerin Ursula von der Leyen will so schnell wie möglich mehr Betreuungsmöglichkeiten schaffen, um jungen Familien die Chance auf Beruf und Familie zu ermöglichen. Gegner kritisieren die Kleinkindbetreuung in der Kinderkrippe als nicht ideal für die Entwicklung eines Kindes. Nicht erst seit den Äußerungen des Augsburger Bischofs Walter Mixa wird die Diskussion immer heftiger.
„Die Debatte, die gerade geführt wird, empfinde ich als schlimm“, sagt Angelika Fischer. Sie ist seit 2005 Leiterin der Kinderkrippe der Ritaschwestern in Würzburg. Hier betreut die gelernte Erzieherin, gemeinsam mit einer Kinderpflegerin und einer Erzieherpraktikantin im zweiten Lehrjahr zwölf Kinder im Alter zwischen zehn Monaten und drei Jahren. „Mütter, die ihre Kinder in eine Krippe bringen, werden oft verurteilt. Das finde ich falsch, denn man kann Frauen nicht nur auf ihre Mutterrolle reduzieren“, sagt Fischer.
Heute sind Frauen oftmals sehr gut ausgebildet. Viele wollen auch nach der Geburt eines Kindes zurück in den Beruf, viele müssen es auch, aus finanziellen Gründen. „Die meisten Familien können es sich heute gar nicht mehr leisten, dass ein Elternteil drei Jahre oder mehr zu Hause bleibt“, erklärt Fischer. Es sei deshalb wichtig, dass es genug Betreuungseinrichtung, auch für Kleinkinder gebe, damit Eltern ihrem Beruf ohne schlechtes Gewissen nachgehen könnten.
Die Kinderkrippe der Ritaschwestern gibt es seit 30 Jahren. Die Einrichtung arbeitet eng mit der angrenzenden Kindertagesstätte und dem Kindergarten zusammen. „Wir arbeiten nach Leitsätzen von Maria Montessori und Emmi Pickler. Nach dem Vorbild der großen Pädagoginnen wollen wir den Kindern eine Umgebung bieten, die ihre Fähigkeiten fördert“, sagt Fischer. Dazu gehörten Bewegungseinheiten auf Podest, Rutsche und Kletterständer, aber auch Stilleübungen, Malen, Singen und vieles mehr. „Wir beten auch gemeinsam. Das ist ein wichtiges Ritual vor dem Essen und dem Schlafen“, betont sie. Wichtig sei den Erzieherinnen, viele Dinge mit den Kindern zu vereinbaren, zum Beispiel, was sie spielen, welches Lied sie singen möchten und vieles mehr. „Wir wollen unsere Schützlinge zur Selbständigkeit erziehen, ihnen Mut und Selbstvertrauen mit auf den Weg geben.“
Fischer selbst hat sich ganz bewusst für die Tätigkeit in der Kleinkindbetreuung entschieden: „Zunächst habe ich in einem Kindergarten gearbeitet. Dann wurde mein Sohn geboren und ich war zwei Jahre zu Hause.“ In dieser Zeit habe sie Bücher von Emmi Pickler in die Hände bekommen, und die Thematik Kleinkindpädagogik habe sie nicht mehr losgelassen. „Ich fühlte mich der Altersgruppe, nicht zuletzt durch mein eigenes Kind, sehr verbunden; und als die Stelle hier frei wurde, habe ich gleich zugesagt.“
Die Einrichtung erfreut sich eines großen Zuspruchs. „60 bis 70 Familien stehen auf unserer Warteliste“, erzählt Fischer. Viele befänden sich in einer schwierigen Situation. „Wer in Ausbildung ist oder noch ein Studium absolviert, finanzielle Probleme hat oder alleinerziehend ist, hat gute Chancen auf einen Platz.“, sagt sie. Wichtig sei auch die Mischung in der Kinderkrippengruppe, die nach Alter und Geschlecht ausgewogen sein soll.
„Die Kleinkindbetreuung ist zur Zeit in aller Munde, aber das Problem und vor allem den Bedarf an solchen Einrichtungen wie der unseren, hat es schon vor Jahren gegeben“, erläutert Fischer. Gerade in der Stadt wäre es für viele Familien hilfreich, wenn es mehr Betreuungsangebote gebe. „Ich bin der Meinung, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, wenn Kinder bis drei Jahren zu Hause bei der Mutter bleiben. Das ist unbefriedigend für beide Seiten.“ Unter anderem seien frühe soziale Erfahrungen nicht zu unterschätzen, gerade heute, da es mehr und mehr Einzelkinder gebe.
Wichtig ist Fischer, klar zu machen, dass eine Kinderkrippe keine Familie ersetzen wolle. „Das könnten wir auch gar nicht. Wir wollen mit unseren Betreuung- und Erziehungsangebot ergänzen und unterstützen.“ Fischer freut sich, über den Zuspruch der Einrichtung und ist stolz auf die gute Zusammenarbeit mit den Eltern und dem Träger, den Ritaschwestern. „Ich fände es schön, wenn die Betreuung eines Kindes in der Krippe nicht mehr nur als Notlösung in der momentanen Lebenssituation der Eltern betrachtet würde, sondern als Bereicherung des Kindes- und Familienlebens.“
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