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Die „Muttergotteskerze“ und andere Heilpflanzen

Apotheker Dr. Dr. Thomas Richter über die Wirkung von Marienkräutern und -pflanzen

Würzburg (POW) Ob Kamillentee, Salbeibonbons oder Lavendelduft – in der Hausapotheke kommen so einige Kräuter und Pflanzen zum Einsatz. Die drei genannten Pflanzen haben jedoch noch eine weitere Gemeinsamkeit. Sie werden zu Mariä Himmelfahrt am 15. August zu einem Würzbüschel zusammengebunden. „Der Tag heißt im Volksmund auch ‚Mariawurzweih‘, und da werden die Marienkräuter geweiht. Nicht nur die klassischen Marienpflanzen, sondern auch der Würzbüschel“, erklärt Apotheker Dr. Dr. Thomas Richter von der Hofapotheke zum Löwen in Würzburg. „Man hängt ihn in Häusern und Dachfirsten auf. Das hat eine schützende Wirkung vor Unheil, Unwetter und allen möglichen Krankheiten.“ Da sei ein wenig Aberglaube im Spiel, aber auch Volksmedizin.

Heutzutage seien viele der Kräuter immer noch fester Bestandteil in der Hausapotheke. Es gebe Pflanzen aus der Volksmedizin, die noch von hoher Bedeutung seien. Einige seien aber auch obsolet geworden. „Die Volksmedizin ist immer eine Quelle für die Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit pflanzlichen Arzneimitteln gewesen“, erklärt Richter. Es sei immer schon ein Thema der Kirche gewesen, wie man die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen kann. Das Apotheken- und Ärztenetz sei vor 100 bis 200 Jahren anders gewesen. Arzneien und medizinische Behandlungen seien für die Bevölkerung nicht flächendeckend zugänglich gewesen.

Marienpflanzen und die Kräuter im Würzbüschel seien nicht das Gleiche, erklärt Richter. Wichtig sei es, die Pflanzen zu unterscheiden. Marienpflanzen werden durch ihre Attribute der Jungfrau Maria zugeordnet. Die Farbe Weiß spielt dabei eine große Rolle, weil Weiß für die Reinheit stehe. „Ave Maria zart, du edler Rosengart, lilienweiß“, heiße es beispielsweise im Kirchenlied. Die Pfingstrose ist ebenfalls eine Marienpflanze, weil sie eine Rose ohne Dornen sei. Das Schneeglöckchen sei nicht nur weiß, sondern blühe, wenn man Glück hat, zu Lichtmess. Auch das ist ein Marienfeiertag. Im Jahreskreis finde man mehrere Feste, an denen Pflanzen blühen, die Maria zugeordnet werden.

Die Pflanzen im Würzbüschel orientieren sich dagegen daran, welche Kräuter zu der Zeit verfügbar seien. Die Anzahl der Kräuter im Würzbüschel sei unterschiedlich. Die Personengruppen, die sich damit auseinandergesetzt haben, würden immer kleiner werden. Diese finde man vor allem in ländlichen Regionen. Die verschiedenen Kräuter für den Würzbüschel könne man selbst sammeln. Natürlich sei beim Sammeln Vorsicht geboten. Im Frühling werde das Maiglöckchen gerne mal mit dem Bärlauch verwechselt. „Bärlauch ist schmackhafter Waldknoblauch und das Maiblümlein ist hochgiftig“, warnt Richter. „Das Wildsammeln wird heute immer schwieriger“, erklärt er. Aufgrund des Artensterbens wüchsen immer weniger Wildkräuter. In der Regel holten Firmen, die Tees auf den Markt bringen, ihre Pflanzen aus Kulturen, also aus landwirtschaftlichen Anbauflächen.

Die zentrale Pflanze im Würzbuschel sei meistens die Königskerze. Sie werde auch „Muttergotteskerze“ genannt und helfe bei Hustenerkrankungen. Die Wirkung sei medizinisch belegt. Das Aussehen der Pflanze geht auf den Namen ein. Die Königskerze ist eine schlanke Pflanze und steht wie eine Kerze an dem Ort, wo sie wächst. Die Signaturenlehre spielte in der Pflanzenmedizin eine große Rolle. Dabei versuchte man, aus den Signaturen, also aus den äußeren Merkmalen der Pflanze, die Wirkungen abzuleiten.

Inzwischen sei es in den Apotheken nicht mehr Usus, offene Tees anzubieten, einfach weil die Nachfrage zu gering sei. Das generelle Wissen über die Wirkung von Pflanzen sei zurückgegangen, weil es viele Fertigarzneimittel gebe. „Es ist aber auch ein bisschen Kulturgeschichte, die untergeht. Die Seele der Apotheke ist dadurch schon etwas beschädigt worden, aber deswegen geht die Apothekenwelt trotzdem weiter“, sagt Richter. Das Wissen über Kräuter und Tees werde in der pharmazeutischen Ausbildung weiterhin gelehrt. Die Apotheke bleibe damit die richtige Anlaufstelle für Fragen zur Wirkung von Pflanzen.

Die Grenze zwischen Heilwirkung und Küche sei manchmal fließend. Viele wohlschmeckende Kräuter werden auch in der Küche eingesetzt. Thymian beispielsweise habe eine Wirkung als Hustensaft. Wermuth sei für den Büschel geeignet und gehöre zu den Bitterkräutern. „Alles, was bitter ist, sagt man, ist gut für den Magen“, erklärt Richter. Kräuter verlieren ihre Wirkung nicht, wenn sie in Alkohol aufgelöst werden. Alkohol könne jedoch andere Stoffe lösen, die Nebenwirkungen haben. Generell gewännen Kräuter an Wirkung, wenn sie getrocknet werden. Deswegen seien die Trocknungsvorgänge auch beim Würzbüschel entscheidend, weil die Pflanze postmortal nochmal Inhaltsstoffe produziere.

Richter beobachtet Wellenbewegungen bei der Beliebtheit und Verwendung von Heilpflanzen. „Die grüne Bewegung in den 1970- bis 1980er Jahren hat die Pflanzen wieder hochgespült. Jetzt ist auch wieder eine Welle, die vielleicht schon etwas abgeebbt ist.“ Richter, der auch in Germanistik promoviert hat, zitiert dazu Karl-Heinrich Waggerl:

Die Kraft, das Weh im Leib zu stillen,
verlieh der Schöpfer den Kamillen.

Sie blühn und warten unverzagt
auf jemand, den das Bauchweh plagt.

Der Mensch jedoch in seiner Pein
glaubt nicht an das, was allgemein

zu haben ist. Er schreit nach Pillen.
Verschont mich, sagt er, mit Kamillen,
um Gotteswillen!

Viele Heilkräuter sind beispielsweise im Kräutergarten des Klosters Oberzell zu finden. Einen Blick in den Garten und Tipps zur Verwendung der verschiedenen Heilkräuter gibt es auf der Homepage.

kh (POW)

(3322/0936; E-Mail voraus)

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