Das für uns bekannte Kiliansbild ist in der Regel das von Tilman Riemenschneider in Variationen ausgeführte Bild eines Bischofs mit Stab und Schwert. Aus dem Schwert des Martyriums ist bei Riemenschneider das Fränkische Herzogsschwert geworden. In den Händen des Heiligen Kilian liegen weltliche und kirchliche Macht. All das ist aus der Zeit heraus zu verstehen. Wir sehen das heute anders. Papst Franziskus und sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. ermutigen uns, in der Welt aber im Blick auf die Herrschaft nicht von der Welt zu sein.
Zum großen Kiliansjubiläum vor 25 Jahren, im Jahre 1989, zur 1300-Jahr-Feier des Martyriums des Heiligen Kilian mit seinen Gefährten, wurde am Kreuzberg in der Rhön eine mächtige Kiliansfigur aufgestellt von dem Künstler Lothar Bühner. Bühner stellt einen Bischof dar. In der linken Hand hält er auch ein Schwert, aber nur ein Kurzschwert oder großen Dolch. Zu seinen Füßen drei kniende Personen mit gefalteten Händen und Rosenkränzen, Hinweis auf die Pilgerfahrt und damit auf die Kreuzberg-Wallfahrt. Mit seiner rechten Hand hält er hoch über sich hinaus an einem Kreuzstab das Kreuz, als irisches Kreuz mit dem Kreuz, das die Mitte umschließt, Bild für Sterben und Auferstehen, irdisches und ewiges Leben. Kilian hält und zeigt das Kreuz, das Zeichen Gottes, das Christuszeichen. Es hängt in unseren Wohnungen und öffentlichen Räumen, in Schulen, Rathäusern, Gerichtssälen, es steht in unserer Landschaft. Wir merken es schon nicht mehr, haben uns daran gewöhnt, stellen es in Frage, weil uns die Bedeutung verlorengegangen scheint.
Gott geht bis in den Tod, um uns seine Nähe und Liebe zu zeigen. Am Kreuz zeigt uns Gott in Jesus Christus sein Gesicht. Gott stirbt nicht einen leisen, schnellen und schmerzlosen Tod, wie wir ihn uns vielleicht für uns und andere wünschen, wenn wir Menschen leiden und sterben sehen, wenn wir an unser eigenes Leiden und Sterben denken. Er stirbt einen brutalen Tod, um uns zu sagen, dass er uns in allen Banalitäten unseres Lebens nahe ist. Das gilt nicht nur für unser Ende, sondern schon überall dort, wo wir am Ende sind. Das erfahren wir im Privaten und Öffentlichen, in der Arbeits- und Wirtschaftswelt. Die Ökonomie bestimmt die Verhältnisse, so erfahren wir es. Nähe bis zum Ende führt vor und global zu anderen Lösungen. Das Kreuz ist das ins Bild gesetzte Psalmenbuch. Es umfasst ja nicht nur Lob und Dank, es beinhaltet Klage und Bitte, das ganze Leben. Wir wünschen uns für unser Leben ein großes Finale, in dem wir als Gewinner da stehen. Wie viele Menschen unserer Tage erreichen nicht einmal ein kleines Finale, sie bleiben die Verlierer in unserer kleinen Welt und global in der großen. Sie kommen nicht einmal in die Vorrunde. Bleiben wir im Bild dieser Tage. Obwohl sie gut sind, sehr gute Spieler, verloren ist verloren. Was uns begeistert im Augenblick ist ein Spiel, doch übertragen für viele Menschen bitterer Ernst.
Weil Gott das Leben mit uns teilt, alles Leben, darum dürfen wir sagen: „Alles, was atmet, lobe den Herrn“ (Ps 150, 6). Darum auch dieses Wort als letztes Wort der Psalmen.
Das Kreuz verweist auf die Lebenshilfe, die Gott uns geben will, wie wir sie Leidenden und Sterbenden schenken durch unsere Nähe und unser Aushalten, durch unseren Trost und Halt, den wir geben. Gott macht nicht Schluss mit dem Leben, sondern er macht sich das Leid zu Eigen. Am Kreuz wischt er die Tränen unseres Lebens ab, aber eben nicht weg. Das Kreuz zeigt Gottes Zärtlichkeit. Gewiss ist das für Manche eine Torheit, für andere ein Skandal, für den, der glaubend und suchend Gott nachgeht, Gottes Kraft (vgl.1 Kor1,18 ff.). So werden das Buch der Psalmen zum Gotteslob und das Kreuz zum Zeichen der Hoffnung, weil Gott in allem und vor allem ist. Für diese Freude und Hoffnung, die eine solche Botschaft, die das Evangelium schenkt, haben der Heilige Kilian und seine Gefährten den Kopf hingehalten. Kilian am Kreuz nimmt im wahrsten Sinne im Bild das Zeugnis für das Evangelium mit links hin. Das brauchen wir nicht zu suchen, weil das wahrlich nicht so leicht geht. Aber wir können mit ihm das Evangelium, das Kreuz hochhalten, weil es uns das Zeichen der Hoffnung ist.
Amen.