Würzburg (POW) Christoph Schmitter, Pastor der Citychurch, steht im Hochchor der Augustinerkirche. Er blickt in einzelne Gesichter der Kirchenbesucher. Das Gotteshaus ist an diesem Abend voll besetzt. Dann beginnt Schmitter zu sprechen. Er erzählt von seiner Mutter, einer Küche, die ihn an seine Jugend erinnert, und dem Lied, das seine Mutter so gerne hörte. Etwas mehr als fünf Minuten lauschen das Publikum den Erzählungen des Pastors. Als Schmitter endet, beginnen die Zuhörer zu klatschen. Applaus und Murmeln hallen von den hohen Wänden wieder. „Und?“ oder „Muss es sich immer reimen?“, hört man die Besucher fragen. Mit einem Mal hebt sich eine Hand aus der Menge. Zwei weiße Zettel zeigen die Ziffern Sieben und Acht. Etwas weiter vorne hält ein Mann eine Fünf in die Höhe. Eine Rednerrunde samt Bewertung in der sonst andächtigen Kirche? Ja, denn am Montag, 2. Oktober, fand im Zuge der „Nacht der offenen Kirchen“ zum dritten Mal der „Preacher Slam“ in Würzburg statt.
Neben Schmitter stellten sich drei weitere Kandidaten und Kandidatinnen aus der Region dem Publikum und trugen ihre Texte zum Thema „lieb und teuer“ vor. Da wurde gereimt und gesungen. „Lieb und teuer“, das waren für Teilnehmer Johannes Riedmüller zum Beispiel die eigenen Kinder. Medizinstudentin Sarah Fink stellte sich in der ersten Runde die Frage, was ihren Lebensweg „lieb und teuer“ macht, und Henrike Acksteiner, evangelische Pfarrerin der Friedenskirche Rottendorf, fragte: Was soll bleiben von diesem Abend oder dieser Welt? Liebe, Glaube oder doch die Hoffnung? Vom Publikum wurden alle vier Beiträge beklatscht, bewertet und immer wieder in kurzen Pausen mit dem Sitznachbarn diskutiert.
Der „Preacher Slam“ war nicht die einzige Veranstaltung, die an diesem Abend die Kirchen füllte. In 20 weiteren Gotteshäusern fanden quer über die Stadt verteilt Jugendgottesdienste, Konzerte, Tanzperformances oder meditative Impulse statt. Alle unter dem Dachthema: „Treffen Sie Gott und die Welt…“
Nur ein paar Meter von der Augustinerkirche entfernt, in der ebenfalls voll besetzten Marienkapelle, war es dagegen ganz leise. In kurzen Pausen hörte man sogar die Schritte der eintretenden Besucher. „Gott und die Welt“, das hieß hier, den Blick auf Flucht und Migration zu wenden. Fotografien in den Gängen der Kapelle zeigten Fluchtszenarien aus der ganzen Welt, während ein junger Mann aus Eritrea und eine geflüchtete Ukrainerin von ihren persönlichen Geschichten erzählten – vom erhofften Abitur in Deutschland oder der Tochter, die nun Architektur studiert, um „in einer freien und unabhängigen Ukraine neue Städte zu bauen“.
Andächtiges Schweigen oder lebhafte Gespräche: Das war auch direkt nebeneinander möglich. Die „Schäferwagenkirche“ auf dem Marktplatz, ein hölzerner Wagen mit Außenaltar und Sitzbänken im Inneren, lud zu Impulsvorträgen mit fünf evangelischen und katholischen Seelsorgern ein. Für den lockeren Plausch mit den anderen Teilnehmenden standen Tee und Kekse bereit. So kamen auf den Liegestühlen und an den Stehtischen neben dem Wagen zuvor Fremde plötzlich ins Gespräch. „Kirche unter den Menschen“, bezeichnete es ein evangelischer Seelsorger.
Am Ende des Abends stand für die Koordinatorinnen, Gemeindereferentin Alexandra Eck und die evangelische Pfarrerin Susanne Wildfeuer, fest: Die Nacht war ein voller Erfolg. Die Veranstaltungsorte wurden zahlreich besucht und die Stimmung sei gut gewesen. Die geistliche Botschaft sei für die Menschen weiterhin „bedeutsam und wertvoll“, sagte Eck. „Es braucht oft nur neue Zugangswege.“ Ob mit lautem Applaus oder ganz leise und andächtig: Am Ende, sagten Eck und Wildfeuer, sei es gelungen, „die Vielfalt zu zeigen, die unsere Kirchen ausmacht“.
Christina Denk (POW)
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