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Die volkskirchliche Brille ablegen

Wie Bischof Dr. Franz Jung seinen Wahlspruch „Die Hoffnung als Anker der Seele“ versteht – Akademieabend im Würzburger Burkardushaus

Würzburg (POW) „Ein großer Abbruch von Tradition ist feststellbar. Im Bistum Würzburg ist noch viel Volkskirchliches vorhanden, aber man merkt: Das geht jetzt zu Ende.“ Ungeschönt hat sich Bischof Dr. Franz Jung am Montag, 7. Januar, beim Akademieabend „Die Hoffnung als Anker der Seele – Gedanken zum bischöflichen Wahlspruch“ der Domschule im Würzburger Burkardushaus geäußert. Ausgehend von seinem bischöflichen Wahlspruch „Spem ancoram animae“ (Hoffnung als Anker der Seele) warnte der Bischof zugleich vor Verzagtheit und kraftloser Müdigkeit. „Ich habe kein fertiges Konzept in der Schublade, denn Hoffnung ist ein Weg“, unterstrich er. Bei allen kirchlichen Veränderungen stelle sich die Frage: „Wie wird Kirche zum Sakrament des Heils, das etwas bewegt und verändert?“

In einem theologisch anspruchsvollen Referat entfaltete der Bischof zunächst vor rund 180 Zuhörern den Begriff der Hoffnung – angelehnt an die Enzyklika „Spe Salvi“ (2007) von Papst Benedikt XVI. (2005 -2013) und das Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ (2013) von Papst Franziskus. Letztere Veröffentlichung sei ein „riesiger Traktat der Hoffnung“, urteilte der Bischof. Der Jesuit Franziskus hebe, im ignatianischen Denken geschult, die Dynamik der Hoffnung hervor, welche die Kirche in Bewegung halte.

„Die Zeit ist mehr wert als der Raum.“ An dieses Zitat aus „Evangelii Gaudium“ knüpfte der Bischof an, als er seine eigenen Zukunftsvorstellungen für das Bistum Würzburg erläuterte. „Strukturen sind nicht unterzubewerten, aber Strukturen sind nicht das Wichtigste“, betonte er. Jetzt gehe es darum, mit Geduld langfristig Prozesse in Gang zu bringen und dadurch ein Wachstum im Glauben zu befördern. Als Schwerpunkte nannte der Bischof die Pflege des kontemplativen Gebets, katechetische Arbeit in unterschiedlichen Lebenswelten und den Dienst an den Armen. Falls Konflikte entstünden, müsse man diese führen und sie als Chance zum Wachstum und zu neuer Gemeinschaft begreifen. Anderen zuhören und ihnen dabei in die Augen sehen – diese Empfehlung, die Papst Franziskus in dem Film „Ein Mann seines Wortes“ von Wim Wenders ausspricht, gab der Bischof an sein Publikum weiter.

„Man hat dem Papst Verrat an der Tradition vorgeworfen. Ist das so? Nein, auch hier ist er ganz ignatianisch geprägt“, erläuterte Bischof Jung. Der Papst wisse, dass sich Idealbilder so weit von der Wirklichkeit entfernen könnten, dass sie nichts mehr bewirken. Falsche Innerlichkeit, falsche doktrinelle oder disziplinarische Sicherheit sowie Elitebewusstsein seien Gefahren für die Kirche. Dem Papst gehe es stattdessen um eine „Strategie der Beunruhigung“. Hoffnungsdynamiken sollten bewirken, dass man sich nicht in bestehende Strukturen einschließe, sondern sich aufrütteln lasse. Kurz: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“, lehre „Evangelii Gaudium“.

Papst Benedikt XVI. stelle in seiner Enzyklika „Spe Salvi“ verschiedene „Lern-Orte der Hoffnung“ vor, erläuterte Bischof Jung weiter: Gebet, Leiden bis hin zum Martyrium sowie das Weltgericht. Beim Gebet gehe es aus Sicht des emeritierten Papstes darum, sich nicht auf das eigene kleine Glück zurückzuziehen. „Gebet in Hoffnung ist immer ein Vorgang der Reinigung.“ Dieser müsse eingebettet sein in den Gebetsschatz der Kirche. „Wo das fehlt, machen sich Hoffnungslosigkeit und Fanatismus breit.“ Und für Gläubige sei das Gericht immer auch Gnade – weil sie wüssten, dass sie sich Demut bewahren müssen. „Ein demütiger Mensch kennt die eigene Endlichkeit und die eigene Begrenztheit“, definierte der Bischof. Ein Mensch mit Hoffnung mute sich dennoch etwas zu und verfolge sein Ziel.

Auch auf sein Wappen, welches den Wahlspruch „Die Hoffnung als Anker der Seele“ ergänzt, ging der Bischof ein. Besonders wies er auf die zwei silbernen Anker hin, die neben den fränkischen Rechen auf blauem Hintergrund zu sehen sind. Einer der beiden Anker werde heraldisch korrekt dargestellt, der andere zeige gestürzt nach unten. „Er steht bewusst auf dem Kopf“, sagte Bischof Jung. Die beiden Anker zeigten: „In Jesus Christus sind Himmel und Erde untrennbar miteinander verbunden. Unsere Hoffnung zieht uns zum Himmel hin.“ Gläubige Menschen lebten immer mit einer Spannung: der irdischen Wirklichkeit verpflichtet, die jedoch rückgebunden sei an die himmlische Wirklichkeit, von woher Gott den Menschen verwandle. Diese Dualität werde auch an Maria deutlich. „Als Gottesmutter steht der Doppelanker auch für sie.“ Biblisch sei der Anker als Hoffnungszeichen im Hebräerbrief verortet. Die entsprechende Textstelle erinnere an das Lebensopfer Jesu, welches die Verankerung des hoffenden Christen in Gott begründe.

Die Ausführungen von Bischof Jung bewegten etliche Zuhörer zu Nachfragen und zur Schilderung eigener Erfahrungen. Einige empfahlen das Beten der Psalmen, woraufhin der Bischof den Psalm 91 empfahl, „eines der großen Hoffnungslieder des Alten Testaments“. Ein Mann bekannte, er sei nahezu „hoffnungslos“, wenn er sehe, wie wenig junge Menschen und Familien selbst an Weihnachten und Silvester einen Gottesdienst besuchten. Ein anderer bedauerte, dass Kinder, die zur Erstkommunion gingen, immer weniger religiöses Wissen von zu Hause mitbrächten. Der Bischof griff diese Erfahrungen auf: „Weil uns das volkskirchliche Ideal noch immer vor Augen steht, sind wir enttäuscht. Diese Brille werden wir ablegen müssen.“ Die Erstkommunionkatechese, die einen ganzen Jahrgang abdecke, sei ein Stück Volkskultur geworden. „Wir sind Gefangene unseres eigenen Erfolgs“, kommentierte der Bischof.

Er empfahl das Nachdenken über neue Formen von Katechese. Beispielhaft nannte er Hospiz-, Kommunion- und Flüchtlingshelfer sowie Besucher von Kranken. Hier fehle die Glaubensunterweisung, dabei ließe sich bei ihnen in einen konkreten Lebenskontext Glaube „hineinsprechen“. Er sei auch nicht der Ansicht, dass Gottesdienste immer fetziger werden müssten, sagte Bischof Jung. „Meine Erfahrung ist: Weniger ist mehr.“ Viele Menschen hätten ein großes Bedürfnis nach Stille. Das führe zu der Frage: „Wo haben wir Orte, wo Menschen zur Ruhe kommen?“ Eine Stunde Stille am Morgen könne Leben retten – und Stille ermögliche es, in einer schweigenden Gemeinschaft andere kennenzulernen. „Diese permanente Kommunikation hilft nicht zur Gemeinschaft“, unterstrich er unter Applaus aus dem Publikum. Deshalb sollten neue Formen des Gebets geübt und in Gottesdienste integriert werden.

Im Zuge der Diskussion äußerten Teilnehmer den Wunsch, Gesprächsveranstaltungen wie diese mit dem Bischof fortzuführen – oder seine Überlegungen zum Thema Hoffnung in Form eines „Diözesanexerzitienwegs“ zu veröffentlichen. Akademiedirektor Dr. Rainer Dvorak zeigte sich sehr erfreut über diesen Bedarf und kündigte an, mit den Verantwortlichen in der Diözese darüber das Gespräch zu suchen.

ub (Würzburger katholisches Sonntagsblatt)

(0219/0045; E-Mail voraus)

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