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„Die Wurzel trägt dich“

Fastenpredigt von Burkhard Hose im Kiliansdom zum Umgang von Christen mit dem Judentum – „Toleranz heißt, den andern anders sein zu lassen“

Würzburg (POW) „Juden sind keine ‚Zeitreisenden’ aus der Vergangenheit, sondern ‚Zeitgenossen’ der Gegenwart“. Das hat Burkhard Hose, Priester und Katholischer Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, in seiner Fastenpredigt, am Mittwochabend, 28. Februar, im Würzburger Kiliansdom betont. Er beantwortete damit die Frage „Wie begegnen wir unseren jüdischen Mitbürgern?“, mit der die Predigt überschrieben war. Christen sollten endlich wieder den Platz der Juden in der Gegenwart anerkennen – als Nachbarn, Mitschüler, Kollegen, die ähnliche Sorgen und Hoffnungen haben und sie als gleichberechtigte Partner akzeptieren.

In seiner Predigt lenkte Hose den Blick auf die Menora, die sich im Inneren des Kiliansdoms befindet. „Besucher, die das erste Mal den Dom betreten sind oft verblüfft. Ihr erster Blick fällt nicht auf ein christliches Kreuz oder eine Heiligenfigur, sondern auf ein jüdisches Symbol.“ Die Menora stammt von dem Nürnberger Künstler Andreas Moritz und befindet sich seit 1981 im Dom. „Damals, zu Beginn der 80er Jahre, gab es in Würzburg kaum Gelegenheit, überhaupt jüdischen Mitbürgern zu begegnen“, sagte Hose. Nur wenige hätten nach der Schoa den Weg zurück nach Würzburg gefunden. Die Begegnungen zwischen Juden und Christen seien damals meist Begegnungen mit der Vergangenheit gewesen, eine Begegnung mit eigenen Schuldgefühlen. Auch die Jüngeren begegneten Juden wie einer Art Zeitreisenden, die mit in die Vergangenheit nahmen, erklärte er. Unsicherheit und Unbeholfensein habe die Atmosphäre über lange Jahre geprägt.

Von dieser Perspektive zeuge auch der Standtort der Menora im Dom, sagte Hose. „Zum einen ist es ein starkes, positives Zeichen, dass sich die Kirche in Würzburg zu ihren jüdischen Wurzeln bekennt. Doch betrachtet man den Standort der Menora im Zusammenhang der Gesamtkonzeption des Domes, bekommt dieser durchweg positive Eindruck einen gewissen Beigeschmack.“ Bewusst sei der Dom in seiner Gestaltung in einer Zeitachse angelegt. Sie beginne mit der Darstellung der Schöpfungsgeschichte auf den Toren des Hauptportals und finde auf dem Weg über Kreuz und Altar mit der Figur des wiederkehrenden Christus ihr Ziel. „Die Menora und ihr Standtort mag da den Eindruck erwecken, als sei das Judentum so etwas wie eine Station auf dem Erlösungsweg, etwas Altes – wichtig, aber eben doch Vergangenheit, vielleicht sogar überholt.“

Diese falsche Einordung sei wiederum Ausdruck einer Unbeholfenheit, die in den letzen Jahrzehnten Freundlichkeit gegenüber Juden mit einer Festlegung des Judentums auf Vergangenes kombiniere, erklärte Hose. Heute jedoch, da wieder mehr als 1000 Juden in Würzburg lebten, sei es an der Zeit, anders mit den jüdischen Mitbürgern umzugehen. Der Blick der jüdischen Gemeinde sei nach vorn gerichtet. Viele Jüdinnen und Juden wehrten sich auch zunehmend gegen eine Reduzierung heutigen Judentums auf die Opferrolle in der Schoa. „Zum jüdischen Selbstverständnis gehört die Erfahrung der Schoa unbestritten dazu und so wird es wohl auch immer bleiben, Jüdisches Leben heute hat aber genauso eine gegenwärtige und eine auf die Zukunft ausgerichtete Seite“, betonte Hose. Das neue jüdische Gemeindezentrum „Shalom Europa“ repräsentiere somit kein verstaubtes, sondern ein modernes Judentum orthodoxer Ausrichtung. Sein Museum zeige den Besuchern keine altehrwürdigen Gegenstände, sondern stelle vor, wie Juden heute ihren Glauben leben.

Hose betonte, man müsse jüdische Mitbürger anerkennen und sie als Partner auf gleicher Augenhöhe akzeptieren, wenn es um die Vertretung gemeinsamer Werte und Anliegen in Würzburg gehe. Das heiße natürlich nicht, die Augen vor den Schrecken der Vergangenheit zu verschließen „Im Gegenteil: Diesen Platz in der Gegenwart sind wir unseren jüdischen Mitbürgern schuldig, gerade weil der nationalsozialistische Rassenwahn meinte, das Judentum aus der Geschichte auslöschen zu können“, sagte er.Die Menora wolle daran erinnern, dass die eigentliche Toleranz und der wahre Friede im Zusammenleben unterschiedlicher Religionen da beginne, wo jeder den anderen tatsächlich auch anders sein lasse und auch die Fremdheit der anderen Religion ertrage, ohne sie sich selbst anzugleichen zu wollen. „Das sind wir den jüdischen Mitbürgern schuldig, gerade weil dieses Anderssein ihnen über Jahrhunderte hinweg bis in die jüngste Vergangenheit auch in unserer Stadt Verfolgung und Tod brachte“.

Abschließend hob Hose die Bedeutung der Menora als Lebensbaum hervor. „Sie erinnert daran, dass Gott die Tora wie einen Lebensbaum für die Menschen eingepflanzt hat.“ Der Jude Paulus knüpfe im Römerbrief an dieses Bild an und spricht vom edlen Baum Israel, dem Zweige von wildem Ölbaum, dem Heidenchristen eingepflanzt werden. „Nicht du trägst die Wurzel, die Wurzel trägt dich“, heißt es im Römerbrief. „So erinnert mich die Menora in unserem Dom an die Wurzel, die uns trägt, an den Baum, der bestehen bleibt. Sie erinnert uns an Jesus von Nazareth, der als Jude geboren wurde und als Jude starb“, betonte Hose. Christen könnten Juden nur in Anerkennung der Tatsache begegnen, dass es kein christliches Selbstverständnis ohne Bezug zum Judentum gebe.

(1007/0369; E-Mail voraus)