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Die Zerstörung einer Lebensader

Unterfränkische Delegation besucht die Region Pimental in Brasilien – Dörfer, Ackerland und Regenwald müssen Staudammprojekten weichen – Pfarrer João Carlos Portes: „Für die Bevölkerung bleibt nichts übrig“

Pimental/Würzburg (POW) Mehr als 500 Quadratkilometer Ackerland und Regenwald werden die zwei Stauseen des Belo-Monte-Projekts in Brasilien überfluten. Bald dient das angestaute Wasser der Energiegewinnung am Rio Xingú. „Belo monte“ heißt übersetzt: eine schöne Menge. Eine schöne Menge Wasser, Strom – und Zerstörung brachte und bringt das bisher bekannteste Staudammprojekt Südamerikas mit sich. Am nächsten Zufluss des Amazonas, dem Tapajós, wiederholen sich die Ereignisse gerade erneut. Die diesjährige Misereor-Fastenaktion unter dem Motto „Das Recht ströme wie Wasser“ nimmt auch die Rechte und die Rechtlosigkeit der Landbevölkerung in den Blick. Eine Delegation aus Würzburg besuchte auf Einladung des Hilfswerks Misereor in Zusammenarbeit mit dem Bistum Würzburg die Flussbevölkerung in der Region Pimental im Bundesstaat Pará.

An seiner Mündung ist der Fluss mit zwölf Kilometern breiter als sein Ziel. Fünf Staudämme sollen in den kommenden Jahren am Tapajós und seinem größten Zufluss, dem Jamanxim, realisiert werden. Ein Opfer wird der kleine Ort Pimental mit seinen 850 Einwohnern sein. Die Siedlung existiert seit 40 Jahren. Wie unzählige andere ist sie aus dem Nichts entstanden. Durch Siedler, die in der Wildnis neu beginnen wollten. Genehmigungen brauchten sie dafür nicht. Pimental wird untergehen, wenn die 60 Meter hohe Staumauer wenige Kilometer entfernt errichtet wird. Beim Damm São Luiz steht nur noch die Versteigerung der Baulizenz im Februar 2016 aus. Ob Proteste noch helfen? „Mein Mann ist so verzweifelt, dass er am liebsten mit dem Staudamm untergehen möchte“, sagt Joaquina de Olivera.

Die Dorflehrerin spricht mit ihren 250 Schülern oft über das Wasserkraftwerk und seine Folgen. „Die Älteren interessiert das kaum. Manche bekommen von ihren Eltern auch erzählt, wie schön die neuen Häuser werden, die sie als Entschädigung erhalten.“ Mit ihnen diskutiere sie lange und versuche, ihnen die Illusion zu nehmen. Die jüngeren Schüler hingegen seien sehr interessiert, und mit Blick auf die Natur besorgt. Das Dorf ist gespalten: Ein Teil glaube den Versprechungen des Staudammkonsortiums, die anderen gingen auf Wallfahrten, um für den Erhalt der Heimat zu beten. „Mittlerweile reden wir im Ort nicht mehr offen über das Thema. Die Stimmung ist zu aufgeheizt.“

Wie ein Film spielt sich die Vorstellung vom Staudamm ständig im Kopf von Edmilson Ribeiro Azevedo ab. Er sieht die große Mauer und wie er vor den Fluten wegrennen muss. Ribeiro Azevedo lebt seit 44 Jahren in Pimental. Seit 34 Jahren ist er Kirchenpfleger der kleinen Ortskirche São Sebastiao. Und seit drei Jahren auch Mitglied der Bewegung der Staudammbetroffenen. Gemeinsam mit der hiesigen Landpastoral hilft die Bewegung den bedrohten Menschen vor Ort. „Der Fluss ist unser Kühlschrank mit offenen Türen. Haben wir nichts zu essen zuhause, dann gehen wir einfach fischen“, erklärt Ribeiro Azevedo. Es sei ein ruhiges und schönes Leben, „das Paradies“. Einst hätten sie das Land den Indios abgerungen, heute seien sie mit den benachbarten Munduruku verbündet – gegen die Baufirmen und die Regierung. Doch sie besitzen keine Titel für ihr Land, bauen weder Kaffee noch Kakao an. Nach den Regeln der Gegenseite steht ihnen kaum etwas als Entschädigung zu.

Spricht man mit Vertretern der regionalen Landpastoral Comissão Pastoral da Terra, wie João Carlos Portes, Pfarrer von über 40 Gemeinden der Region, wird deutlich, wem die Bauprojekte in der Amazonasregion einzig nutzen: Die Energie- und Baufirmen schöpfen den Profit ab. Die Regierung profitiert von der Korruption. Den Strom braucht der entfernte Bergbau. Die Wasserwege dienen dem Transport von Getreide für den Export. „Für die Bevölkerung bleibt nichts übrig“, betont der Priester. Der Bau der Staudämme sei jedoch nicht das Problem, sondern die Art und Weise der Umsetzung. „Wie ein Traktor rollen Regierung und Firmen über Natur und Menschen.“

Die Ureinwohner sind ein Ass im Ärmel der Gegner des Staudamms. Die Indigenen haben ein Einspruchsrecht, sobald ihnen Land zugesprochen worden ist. Doch noch müssen die Munduruku warten. Derweil sind Tänze, Lieder, die Jagd und besonders die spirituelle Verbindung zum Fluss für Häuptling Valto Datie die Eckpunkte seines Protests. „Der Staudamm wird nicht kommen. Noch nie habe ich von etwas so Schrecklichem gehört und unsere Geister werden das nicht zulassen.“ Der Stammesführer klingt nicht ganz überzeugt von der spirituellen Kraft, aber er weiß, was ihn und sein Dorf ganz greifbar retten könnte: die Demarkierung. Das Gebiet seines Stammes und der benachbarten Dörfer wartet auf die Ausweisung als indigener Wohnraum. Ein Bau auf dem Gebiet der Indios wäre ohne deren Zustimmung fast unmöglich. „Keiner weiß, warum die Demarkierung so lange dauert. Alle erforderlichen Schritte wurden eingeleitet, und jetzt schieben sich die Behörden und Organisationen gegenseitig den Ball zu.“

Die Chance der Indios bestätigt die Sprecherin im Büro des „diálogo tapajós“, Sandra Siqueira. „Falls die Demarkierung das Baugebiet betrifft, dann wird der Staudamm dort nicht gebaut.“ Die Dialogeinrichtung im Städtchen Itaitube, für die Siqueira spricht, ist eine Marketingfirma, ein Vermittler, der als dritte Partei zwischen den betroffenen Flussbewohnern und dem Zusammenschluss an Energiefirmen steht, die Damm und Wasserkraftwerk bauen wollen. „Wir sind seit über drei Jahren hier und besuchen die Menschen vor Ort. Die Gespräche sind nicht immer einfach. Zuerst lassen wir die Betroffenen ihre Sorgen und Ängste äußern. Dann informieren wir über die Folgen und die Entschädigung, die von den künftigen Betreibern angeboten wird.“ Individuelle Entschädigungen seien möglich, sogar bei denen, die keine Landtitel hätten, die nichts vorweisen können. Am häufigsten wünschten sich die Flussbewohner eine Umsiedlung an einen gleichwertigen Ort mit neuen Häusern, asphaltierten Straßen, Schule und Krankenversorgung. „Bis zur Entscheidung des Baus sollen alle weitermachen wie bisher. Wer sein Haus vergrößert oder neues Land bebaut, dessen Entschädigung wird neu berechnet.“

Eine 15.000 Seiten starke Studie wurde vom Konsortium der Firmen erstellt, das sich für den Bau beworben hat. 15.000 Seiten Machbarkeit mit Folgenabschätzung für Mensch und Umwelt, mit Statistiken zu Notwendigkeiten und Entschädigungen. Auf Recyclingpapier und mit ansprechendem Layout wurden die Inhalte der Studie vom „diálogo tapajós“ in ein handliches Format umgesetzt. Aufgrund von fehlerhaften Daten verzögere sich die Versteigerung der Baulizenz. Auch eine Zusage des Umweltministeriums stehe noch aus. Die Folgen für die Natur ließen sich kaum abschätzen. Siqueira zeigt auf Klimaanlage und Computer im Besprechungsraum: „Ich komme aus dieser Gegend und weiß nicht, ob es richtig ist, so viel zu zerstören, um diese Dinge hier zu haben.“

Johannes Schenkel (Internetredaktion)

(0516/0128; E-Mail voraus)

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