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Dokumentation

„Diener des Lichtes sein“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung bei der Diakonenweihe am Samstag, 24. September, um 9.30 Uhr im Würzburger Kiliansdom

Hören, dass Jesus kommt, weckt die Sehnsucht nach Heilung

„…und als sie hörten, dass Jesus vorbeikam, riefen sie laut: Hab Erbarmen mit uns, Herr, Sohn Davids!“

So heißt es im Evangelium von der Blindenheilung, das sie sich beide für den heutigen Tag gewählt haben. Die Nachricht, dass Jesus kommt, wirkt in den beiden blinden Bettlern elektrisierend. Plötzlich weicht die Lethargie derjenigen, die sich in ihr Schicksal gefügt hatten, neuem Lebensmut. Vielleicht tut sich ja jetzt eine Möglichkeit auf, ihrem Schicksal eine Wende zu geben.

Gleiches gilt für Ihren diakonalen Dienst! Im Diakon kommt Jesus vorüber, der einzige und wahre Diakon seiner Kirche. Das sollen die Menschen spüren dürfen. Der Diakon weckt so durch seine Verkündigung und seinen Dienst in den Menschen neuen Lebensmut. Das ist kein geringer Dienst, sondern die Grundlage von allem weiteren. Denn mit dem Erwachen der Sehnsucht wird Veränderung möglich.

Eine wahrhaft diakonische Pastoral hält konsequent dazu an, auf die Ressourcen zu schauen, die Menschen mitbringen, und diese Ressourcen zu aktivieren. Der entschiedene Wille, gesund zu werden, ist dabei eine Ressource, die in ihrer Wirksamkeit kaum überschätzt werden kann.

Die Tatsache, dass Sie beide sich dieses Evangelium gewählt haben, lässt darauf schließen, dass es Ihnen genauso ergangen ist. Denn die Nachricht, dass Jesus vorbeikommt, rüttelt uns innerlich auf. Dass Jesus kommt, weckt die Hoffnung auf eine Vertiefung des eigenen Berufungswegs, weckt die Sehnsucht nach Mehr.

Wenn Sie heute vor der Kirche Gehorsam geloben, so meint das die Bereitschaft, immer neu hinzuhören, wo Jesus vorbeikommt. Dort erwacht dann neuer Mut und eine neue Bereitschaft, sich vom Herrn senden zu lassen.

Veränderung unerwünscht

„Die Leute aber befahlen ihnen, zu schweigen. Sie aber schrien noch lauter: Hab Erbarmen mit uns, Herr, Sohn Davids!“

Die Reaktion der Menge auf den Hilferuf der Blinden überrascht. Die Umstehenden versuchen sie mundtot zu machen. Wollen sie nur lästige Bittsteller von dem Meister fern halten? Oder haben sie Angst vor der Veränderung? Letzteres wäre unheimlich, aber nicht unwahrscheinlich. Denn was passiert, wenn die Augen geöffnet werden, ist unkalkulierbar. Besser nicht so genau hinschauen, besser die alte, eingeübte Rollenverteilung beibehalten.

Das kennen wir nur allzu gut. Wer mehr will, wird den Menschen, wird aber auch der Institution schnell unheimlich. Zumindest sind hier zwei, die wissen, dass sie blind sind. Indem sie das wissen, sind sie schon auf dem Weg zur Heilung. Schlimmer sind die, die es nicht wissen, aber auch gar nicht wissen wollen, um so in Ruhe gelassen zu werden.

Die momentane Krise unsere Kirche hat viel mit Betriebsblindheit zu tun, mit dem Willen, nicht hinzuschauen. Man sieht weg über offensichtliche Probleme und Fragen. Man sah und sieht bisweilen noch immer hinweg über die Opfer, die die Institution selbst produziert hat. Und in der Tat, hier die Augen geöffnet zu bekommen und den Mut zu haben, wirklich hinzusehen, das kostet einige Überwindung und bedarf einer gehörigen Kraftanstrengung.

Lassen Sie sich in ihren Fragen und mit Ihrer Bitte, sehend zu werden, nicht unterkriegen. Eifern Sie den beiden Blinden nach. Bitten Sie den Herrn jeden Tag aufs Neue darum, die Augen geöffnet zu bekommen für die Not der Menschen um sie herum. Aber auch die Augen geöffnet zu bekommen für die Not in der Kirche selbst.

Unser Projekt der Sozialraumorientierung in Pastoral und Caritas versteht sich als Sehschule. Es geht darum, neu hinsehen zu lernen. Es geht darum, neue Perspektiven einzuüben, die über den gewohnten Blick hinausgehen und die auch die Menschen in den Blick nehmen, die nicht direkt zur Kirche gehören, für die wir aber als Christen Verantwortung tragen.

Der eigentliche Augenöffner ist für uns Christen die Heilige Schrift. „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade“ (Ps 119,105), so heißt es in Psalm 119. Die Betrachtung des Wortes Gottes soll uns die Augen öffnen für die Erkenntnis Jesu Christi. Nicht umsonst wird Ihnen heute das Evangeliar überreicht mit der Mahnung, das Wort Gottes zu lesen, es im Glauben zu ergreifen, es zu verkünden und das eigene Leben von diesem Wort verwandeln zu lassen.

Innehalten und nachfragen

Jesus blieb stehen, rief sie zu sich und sagte: Was wollt ihr, dass ich euch tue?

Dumme Frage, ist man versucht zu sagen. Was sollen die Blinden schon wollen, wenn sie Jesus zu Hilfe rufen? Aber die Frage ist nicht dumm. Denn die Erfahrung lehrt uns, dass Hilfe nur dann Wirkung entfaltet, wenn der Hilfsbedürftige sich auch selbst einbringt und wenn nicht über seinen Kopf hinweg an ihm entschieden und gehandelt wird.

Oftmals meinen wir zu wissen, was Menschen brauchen. Wir haben unsere Rezepte und Ratschläge, unseren geistlichen oder caritativen Werkzeugkasten und sind in Versuchung, nach Schema F zu handeln. Wir wundern uns dann, wenn die Menschen sich enttäuscht abwenden oder keiner mehr kommt.

Eine Seelsorge, die den Menschen ernst nimmt, macht nicht einfach nur gut gemeinte Angebote. Sie fragt vor jedem Unterstützungsangebot, was die Menschen wirklich brauchen und was sie jetzt wollen. Nur so kann ihnen wirksam geholfen werden. Bisweilen lernen wir dann von und mit ihnen, wo der Hund wirklich begraben liegt und wo der Schuh drückt.

Sie versprechen heute, den Armen und Kranken beizustehen und den Heimatlosen und Notleidenden zu helfen. Dieses Versprechen beinhaltet auch, mit den Menschen in Not ins Gespräch zu kommen. Nicht an ihnen zu handeln, sondern mit ihnen einen Weg zu gehen, ist das Gebot der Stunde. Nur so entwickelt sich ein gemeinsamer Lernweg, auf dem beide gleichermaßen Gebende wie Empfangende sind.

Das Unmögliche möglich machen

„Sie antworteten: Herr, dass unsere Augen geöffnet aufgetan werden.“

Was eine Bitte! Die beiden Blinden gehen aufs Ganze. Wenn Gott nahekommt, ist nichts unmöglich! Dann tun sich den Blinden die Augen auf. Dann sieht man plötzlich mitten im Dunkel ein helles Licht. Denn zeigen sich neue Möglichkeiten, die man zuvor als unrealistisch verworfen hatte. Dann sieht man neue Horizonte, die das übersteigen, was bislang erreichbar schien. „Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag“, heißt es in Psalm 139 so wunderbar (Ps 139,12).

Dass die blinden Augen geöffnet werden, ist die Erfahrung von Ostern. Plötzlich können im Dunkel die sehen, die an den Karfreitagen ihres Lebens vom Dunkel des Todes umhüllt wurden. Die Begegnung mit Jesus schenkt einen neuen Blick auf sich selbst, auf die anderen und auf die Welt. Ja, „in deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36,10).

Das kann man nicht machen. Das kann man nicht erzwingen. Das ist allein das Werk des Herrn, der heilend die Hände auflegt. Aber wir können Diener des Lichtes sein. Das bedeutet dann, sich nicht dem Herrn in den Weg zu stellen, nicht selbst glänzen zu wollen, sondern den Raum zu eröffnen, in dem der Herr wirken kann.

Genau das heißt auch, Diener der Eucharistie zu sein. Die Wandlung vom Tod zum Leben und vom Dunkel zum Licht ist das Werk des Herrn allein. Aber der Eucharistie so zu dienen, dass uns selbst durch den Mitvollzug die Augen geöffnet werden, wird zurecht den Amtsträgern der Kirche abverlangt. Sie sollen durch ihren lebendigen Mitvollzug den Hoffnungsblick einüben, der die Welt in einem neuen Licht sieht.

In der Ausspendung der Eucharistie, vor allem auch in der Krankenkommunion, sollen sie helfen, dass die Menschen das Licht des Morgens der Neuschöpfung unserer Welt erblicken können.

Männer des Gebetes werden

„Hab Erbarmen mit uns, Herr, Sohn Davids!“

Zweimal bringen die beiden Blinden dieses Stoßgebet vor den Herrn. Die Ostkirche kennt diesen Gebetsruf als Herzensgebet. Immerzu ist dieses Gebet im Rhythmus des Atems zu vollziehen. So stehen wir betend vor dem Herrn. Im Gebet bitten wir um sein Erbarmen, eingedenk unserer Schwäche. Im Gebet anerkennen wir ihn als unseren Erlöser. Im Gebet tragen wir unsere Sehnsucht nach Heilung vor ihn.

Sie versprechen heute vor der Gemeinde, Männer des Gebets werden zu wollen. Sie verpflichten sich zum Tagzeitengebet der Kirche. Es will ihren Alltag unterbrechen. Zugleich sollen diese Unterbrechungen von Arbeit und Gebet immer mehr zu dem führen, was das Herzensgebet ausgemacht. Denn sein Ziel ist, Gebet und Arbeit ineinander zu verschmelzen, so dass wir betend arbeiten und arbeitend beten.

So können wir gesammelt beim Herrn sein und ihm mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all ihrer Kraft dienen. Dass Ihnen das immer mehr gelingt, wünsche ich Ihnen heute von Herzen, aber nicht nur Ihnen, sondern auch mir, vor allem aber den Menschen, die Ihrer Sorge als Diakone anvertraut sind.

Danke für Ihre Bereitschaft, Ihr Leben dem Dienst am Herrn zu weihen! Er selbst vollende das gute Werk, das er in Ihnen begonnen hat! Amen.