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80 Jahre Diözesanbibliothek Würzburg (1)

„Diese Bibel lebt noch mindestens 500 Jahre“

„Grüninger-Bibel“ von 1485 ist älteste deutschsprachige Bibel im Bestand der Diözesanbibliothek – Lesehilfen in Form von Bildern und farbigen Markierungen – Wie „Farbfraß“ und „Tintenfraß“ alte Bücher gefährden – Tagesevangelium vom 28. Januar als Hörbeispiele aus verschiedenen Epochen

Würzburg (POW) Außen schlicht, innen voller Überraschungen: Die „Biblia Germanica“ oder „Grüninger-Bibel“ ist die älteste deutschsprachige Bibel im Bestand der Würzburger Diözesanbibliothek. Gedruckt wurde sie im Jahr 1485 in Straßburg von Johann Grüninger. Wer sie aufschlägt, erfährt, vor welchen Herausforderungen die frühen Übersetzer der Heiligen Schrift standen, mit welchen Tricks weniger geübten Lesern geholfen wurde, und warum hinter den farbenprächtigen Illustrationen auch mal ein Schreckmoment lauern kann. Anlässlich des Jubiläums 80 Jahre Diözesanbibliothek stellt POW in einer kleinen Serie ausgewählte Schwerpunkte der Sammlung vor. Passend zum Ökumenischen Bibelsonntag am 28. Januar geht es mit der ältesten deutschen Bibel des Bestands los.

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Ein schlichter brauner Ledereinband mit zwei Schließen aus Metall umhüllt die 455 leicht angegilbten Blätter der Bibel. Die Schließen sind original, der Einband dagegen stammt vermutlich aus den 1960er oder 1970er Jahren. Nachdem die Bibel nach der Auflösung der alten Dekanatsbibliothek von Bad Neustadt in den Bestand der Diözesanbibliothek gekommen war, sei sie restauriert worden, sagt Nikola Willner, Mitarbeiterin in der Abteilung Bibliotheksfachliche Aufgaben in Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg (ABBW). Bei manchen Seiten wurden Fehlstellen mit einem Brei aus Papierfasern ausgebessert („Anfasern“) und der Text handschriftlich ergänzt. „Früher hat man versucht, die Bücher wieder hübsch zu machen“, erklärt Willner. Heutzutage liege der Fokus darauf, das Original und dessen Inhalte zu sichern. „Bei manchen Restaurierungsmaßnahmen, so auch beim Anfasern, muss die ursprüngliche Bindung gelöst und das Buch im Anschluss neu gebunden werden“, sagt Willner. Man müsse also sorgfältig abwägen, ob beziehungsweise wie man ein Buch restaurieren lasse.

Behutsam schlägt sie das beeindruckend dicke Buch auf. Eigentlich besteht diese Ausgabe sogar aus zwei Teilen. „Man wollte bewusst ein handliches Format schaffen“, erklärt Willner schmunzelnd. Nur der zweite Band, der Teile vom Alten und das Neue Testament umfasst, ist erhalten. Nach ihren Recherchen gibt es von dieser Ausgabe noch 77 Exemplare oder Fragmente in öffentlichen Einrichtungen. Etwa in der Mitte des Buchs beginnt das Markusevangelium. Willner zeigt auf das Tagesevangelium vom 28. Januar: „Unnd sie giengen ein zu capharnaum.“ Die schön geschwungene Schrift, die ein wenig an Handschrift erinnert, ist nicht einfach zu entziffern. Der Text klingt für heutige Ohren holprig: „(…) unnd zu hand gieng er des sabbaths in die sinagogen. und leret sie. und sie erschracken von seiner lere. wann er was sie lerend als habend gewalt. und nit als die schreyber (…).“

Man habe die Bibel für alle zugänglich machen wollen, doch zugleich Angst vor Übersetzungsfehlern gehabt, erläutert Willner. Eine Übersetzung nach dem Sinn habe man noch nicht gewagt. Deshalb sei die Heilige Schrift damals Wort für Wort aus dem Lateinischen übersetzt worden. Mit dieser Art der Übersetzung hatten aber auch die damaligen Menschen Probleme. Um wenig geübten Lesern den Zugang zu erleichtern, gab es Hilfsmittel. Zum einen wurde das Buch mit 21 handkolorierten Holzschnitten versehen. „Die Bilder haben das Textverständnis erleichtert.“ Am Anfang des Markusevangeliums sieht man beispielsweise Jesus, wie er auf seinem Weg ein Gebäude überschreitet, das der Zeichner auf Kniehöhe geschrumpft hat, und einen Schreiber an seinem Pult, zu dessen Füßen ein kleiner Löwe liegt. Der Text wimmelt von senkrechten roten Strichen. Damit habe man die Großbuchstaben am Satzanfang markiert, um den Text übersichtlicher zu machen. Diese Arbeit wurde von „Rubrikatoren“ erledigt. Der Name leite sich vom Lateinischen „ruber“ für „rot“ ab.

Es sei Martin Luthers Verdienst, dass die Bibel in ein verständliches Deutsch übersetzt wurde, sagt Willner: „Er wollte so formulieren, dass alle die Bibel verstehen können.“ Sie nimmt eine „Deutsche Bibel (Weimarer Ausgabe)“, eine schlichte, wissenschaftliche Ausgabe, und schlägt erneut das Tagesevangelium vom 28. Januar auf: „Und sie giengen gen Capernaum, und bald an den Sabbaten, gieng er ynn die schulen, und lerete, unnd sie entsatzten sich uber seyner lere, denn er lerete gewalticklich, unnd nicht wie die schriftgelerten.“ Es sind die gleichen Worte wie in der Originalübersetzung Luthers. Man merkt dem Text an, dass er im Jahr 1522 entstand. Und doch ist er schon näher am heutigen Sprachgebrauch. Viele von Luthers Wortschöpfungen seien längst Alltagssprache, sagt Willner: der „Lückenbüßer“, das „Lästermaul“, Sprüche wie „Perlen vor die Säue werfen“ oder „wer’s glaubt, wird selig“. Luther sei „unglaublich kreativ“ gewesen.

Im direkten Vergleich wirkt die Bibel von 1485 dennoch anziehender, mit ihren farbigen Illustrationen, den schön geschwungenen roten Initialen und dem – bräunlichen Schatten in der rechten unteren Ecke? Leicht oval mit dünnen Beinchen?! „Hier handelt es sich um Farbfraß“, sagt Ulrike Steinhoff, ABBW-Fachbibliothekarin. Der werde vor allem durch grüne Kupferpigmente hervorgerufen. Tatsächlich befindet sich auf der Vorderseite eine Schmuckzeichnung, gefertigt mit roter und grüner Farbe. Über die Jahrhunderte haben sich Teile davon bräunlich verfärbt und an manchen Stellen auf die Gegenseite durchgedrückt. In der Mitte ist ein kleines Loch zu sehen. Es gebe auch den „Tintenfraß“, ausgelöst durch Eisengallustinte, sagt Steinhoff. Dabei würden manchmal nur noch die Umrisse der Buchstaben übrigbleiben. Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis sich die fast 540 Jahre alte Bibel komplett auflöst? Keineswegs, versichern Willner und Steinhoff. Das Papier der „Grüninger-Bibel“ sei von „hervorragender Qualität“. „In unserem Bestand gibt es alte Bücher, die aussehen wie neu. Solche Bücher überdauern moderne Datenträger. Diese Bibel lebt noch mindestens 500 Jahre.“

Neugierig, wie die „Grüninger-Bibel“ aussieht? Einfach in der ABBW die Treppe zum Lesesaal hochgehen und dabei die Wand angucken. Hier hängen farbige Repliken von einzelnen Seiten. Für diesen außergewöhnlichen Wandschmuck wurden insgesamt 240 Doppelseiten aus dem Buch digitalisiert. Wer genau hinschaut, sieht die kleinen roten Striche zu Beginn der Sätze. Und mittendrin ist auch der Beginn des Markusevangeliums zu sehen – inklusive der verfärbten Initiale.

Wie klang die Bibel vor mehr als 500 Jahren? Präsentation in der Diözesanbibliothek

Es gibt viele unterschiedliche Versionen der Bibel. Eine Ahnung davon vermittelt eine Präsentation im Lesesaal der Diözesanbibliothek. Ab Montag, 29. Januar, bis Donnerstag, 7. März, ist hier eine kleine Ausstellung mit Hörstation aufgebaut. Nikola Willner und Amelie Schader haben dafür das Tagesevangelium für den 28. Januar aus vier Ausgaben eingesprochen – der „Grüninger-Bibel“, der Lutherbibel, der Einheitsübersetzung sowie eine Ausgabe in Leichter Sprache. Interessierte können die Versionen anhören und die Textstellen in den entsprechenden Büchern mitlesen. Zugänglich ist die Präsentation zu den ABBW-Öffnungszeiten: montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr.

Eine kleine „Leseprobe“ gibt es bereits in den Sendungen der Hörfunkredaktion des Bistums Würzburg am Sonntag, 28. Januar. Darin gibt Julia Langmeier, Leiterin der Abteilung Bibliotheksfachliche Aufgaben, auch einen Einblick in die 80-jährige Geschichte der Diözesanbibliothek. Die Sendung „Cappuccino – Ihr Kirchenjournal am Sonntagmorgen“ läuft jeweils sonntags von 8 bis 10 Uhr auf Radio Charivari Würzburg (www.meincharivari.de). Ebenfalls von 8 bis 10 Uhr sendet Radio PrimaTon Schweinfurt (www.radioprimaton.de) jeweils sonntags „Kreuz und quer – PrimaTon Kirchenmagazin“.

sti (POW)

(0424/0093; E-Mail voraus)

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