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Ein Bischof auf Augenhöhe

Diözese Würzburg gedenkt in diesem Jahr des 100. Geburtstags von Bischof Dr. Josef Stangl – Ausstellung, Fachtagung und Gedenkgottesdienste

Würzburg (POW) Das Bistum Würzburg gedenkt in diesem Jahr des 100. Geburtstags und des 50. Jahrestags der Bischofsweihe von Dr. Josef Stangl (1907-1979), der die Diözese Würzburg von 1957 bis 1979 leitete. Vom 6. Juli bis 28. Oktober erinnert eine Ausstellung in der künftigen Diözesanbibliothek an den Oberhirten. Höhepunkt des Gedenkens sind die Tage vom 21. bis 23. September. Bei einer Pressekonferenz im Diözesanarchiv Würzburg am Dienstag, 20. März, stellten Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Archivdirektor Professor Dr. Johannes Merz zusammen mit den beiden Historikern Professor Dr. Wolfgang Weiß vom Lehrstuhl für Fränkische Kirchengeschichte und Professor Dr. Wolfgang Altgeld vom Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg das Gedenkjahr vor und sprachen über die aktuelle Stangl-Forschung.

Generalvikar Hillenbrand betonte, Bischofsgeschichte sei in gewisser Weise ein Brennpunkt der Bistumsgeschichte, aber auch der Zeitgeschichte. Bischof Stangl habe als junger Priester die Zeit des Nationalsozialismus erlebt, sei vor dem Zweiten Vatikanum zum Bischof ernannt worden und habe dann als Konzilsvater die epochale Kirchenversammlung miterlebt und -gestaltet. Vor allem bei der Würzburger Synode von 1971 bis 1975 habe er die Umsetzung des Konzils wesentlich mitbegleitet. Der Blick auf Bischof Stangl sei nicht nur binnenkirchlich interessant, sondern zeige auch die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Amtszeit. Besonders würdigte Hillenbrand die gelungene Kooperation zwischen Bistum, Bezirk Unterfranken und den Lehrstühlen für Fränkische Kirchengeschichte und Neueste Geschichte an der Universität Würzburg im Rahmen des Gedenkjahrs.

Als kirchliche Wendezeit charakterisierte Professor Dr. Wolfgang Weiß die bischöfliche Amtszeit Stangls. Die Kirche habe sich beim Amtsantritt Stangls am Scheideweg befunden. „In der ganzen Stangl-Zeit spürt man das Ringen zwischen traditionellen und reformorientierten Kräften“, sagte Weiß. Bischof Stangl habe beiden Kräften Möglichkeiten gegeben und Brückenbauer sein wollen. „Die Zusammenführung der verschiedenen Vorstellungen in der Kirche ist Stangls Absicht.“ Besonders wichtig sei dem Bischof die Kirche als Volk Gottes gewesen, verbunden mit der Aufwertung der Laien. Stangl habe Kirche als dienende Kirche verstanden, er sei stets um eine „Hierarchie auf Augenhöhe“ bemüht gewesen.

Nach dem Konzil hätten sich Ende der 1960er Jahre die Auseinandersetzungen in der Kirche infolge des gesellschaftlichen Wandels verschärft. Die Würzburger Synode habe versucht, diese Unruhe aufzufangen. Nach den Worten Weiß’ förderte Stangl als Gastgeber der Synode mit großer Feinfühligkeit das Miteinander der verschiedenen Kräfte. „In unserer Synode ist in einem Reifeprozess über Jahre hin eine Vertrauensbasis gewachsen mit der Erkenntnis: Wir können Probleme und Spannungen nur lösen, wenn wir uns gegenseitig ernst nehmen, aufeinander hören und so Einheit und Gemeinschaft finden“, predigte Stangl an Silvester 1975. Als tragisch für Stangl bezeichnete Weiß die Vorgänge von Klingenberg, die die letzten Jahre des Bischofs bestimmt hätten.

Für die Profangeschichte stelle sich bei den Ereignissen um den Tod der Studentin Anneliese Michel 1976, an der Bischof Stangl den Exorzismus vornehmen hatte lassen, die Frage, warum dieser Umstand zu einen solchen Eklat in der Öffentlichkeit geführt habe, ergänzte Professor Altgeld. „Warum wird dieses Geschehen skandalisiert?“ Stangl habe in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche gewirkt. Die Profangeschichte sei dabei daran interessiert, wie ein Bischof und eine traditionsreiche Diözese auf solche Veränderungen reagierten. Bei den Forschungen zu Stangl habe sich für Altgeld ein „überaus überraschendes und sympathisches Bild eines Bischofs“ ergeben. „Stangl ist ein Mann dieser Region. Er ist Franke, der gute Bischof Josef. Und er ist in Unterfranken überaus präsent.“ Stangl habe die Menschen der Region geprägt und sei ihnen auf Augenhöhe begegnet.

Die Konzeption der Ausstellung über Bischof Stangl erläuterte Archivdirektor Dr. Johannes Merz. In vier Kapiteln würden die Besucher durch das Wirken des Bischofs geführt – von der Kindheit über den Einsatz des jungen Priesters bis hin zur Bischofszeit und zur Umsetzung des Konzils. Unter dem Thema „letzte Jahre“ falle der Blick auf die Seligsprechung Liborius Wagners und auf Klingenberg. „Offizielle Urkunden und Dokumente, Briefe, Fotos, Broschüren, bischöfliche Amtsinsignien und Kleidung, Filmdokumente sowie ein Film mit Äußerungen von Zeitzeugen und Wissenschaftlern zeigen, wie Stangl auf die theologischen, die politischen und gesellschaftlichen Fragen reagierte.“ Die Ausstellung werde getragen vom Bistum Würzburg und finanziell unterstützt von der Unterfränkischen Kulturstiftung.

Dem Gedenkjahr voraus ging nach Angaben von Archivdirektor Merz ein wissenschaftliches Forschungsprojekt, das in Kooperation von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg mit den Lehrstühlen für Fränkische Kirchengeschichte und für Neueste Geschichte der Universität Würzburg durchgeführt wurde. Im Zentrum stand dabei die archivische Aufarbeitung des Nachlasses von Josef Stangl. Durch die abgeschlossene Verzeichnung und mit Hilfe des darauf basierenden Katalogs zur Stangl-Ausstellung stehe der Forschung erstmals die Möglichkeit für eine umfassende historische Einordnung Stangls und seiner Zeit offen. Professor Altgeld dankte besonders den 30 Forscherinnen und Forschern, die für den Ausstellungskatalog in 120 Artikeln Leben und Werk Stangls anhand von 250 Dokumenten, die allesamt abgedruckt sind, nachzeichnen. Altgeld, Merz und Weiß geben den Katalog „Josef Stangl (1907-1979), Bischof von Würzburg – Lebensstationen in Dokumenten“ im Würzburger Echter Verlag heraus. Als Ergänzungsband kommt eine Edition der wichtigsten Hirtenbriefe des Bischofs hinzu. Herausgeber des Buchs „Dem Herrn ein bereites Volk – Das geistliche Profil von Bischof Josef Stangl“ ist Generalvikar Hillenbrand. Anhand der Hirtenbriefe zeichnet dabei Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele das geistliche Profil Bischof Stangls nach.

Bei der Jahresversammlung des Diözesangeschichtsvereins am 21. September spricht Professor Dr. Erwin Gatz aus Rom/Köln in der Neubaukirche über das Bischofsbild des 20. Jahrhunderts. Am 22. September findet in Zusammenarbeit von Katholischer Akademie Domschule und Diözesangeschichtsverein eine Tagung über Bischof Stangl und seine Zeit statt. Am 23. September zelebriert Münchens Kardinal Friedrich Wetter den festlichen Gedenkgottesdienst im Kiliansdom zusammen mit den beiden Nachfolgern Stangls, Bischof em. Scheele und Bischof Hofmann. Am 100. Geburtstag Bischof Stangls, am 12. August, findet in der Domsepultur ein Gottesdienst statt. Bischof Hofmann feiert anlässlich des Todestags Stangls bereits am 3. April um 17.30 Uhr einen Gottesdienst im Kiliansdom.

Josef Stangl wurde am 12. August 1907 in Kronach als eines von fünf Kindern des Richters Kosmas Stangl und seiner Frau Margaretha geboren. Nach Kindheitsjahren vornehmlich in Heidenheim besuchte er das Gymnasium in Bamberg (1916-1921) und in Würzburg (1921-1925). In München (1925) und Würzburg (1925-1930) studierte Stangl Theologie und Philosophie und war ab 1926 Alumne des Würzburger Priesterseminars. In Würzburg schloss er sich der 1919 gegründeten Erneuerungsbewegung „Neudeutschland“ an. Deren Ideen eines in Christus vollendeten Menschentums sollten Stangls Spiritualität lebenslang prägen. Nach der Priesterweihe am 16. März 1930 in Würzburg wirkte Stangl nach kurzem Einsatz in Thüngersheim und in Himmelstadt vier Jahre als Kaplan in Aschaffenburg-Herz Jesu. 1934 bestimmte ihn Bischof Dr. Matthias Ehrenfried zum Religionslehrer am Institut der Englischen Fräulein. Nach dessen Auflösung 1938 wirkte Stangl als Diözesanjugendseelsorger, bis er 1943 Pfarrer in Karlstadt wurde. Für seinen Beitrag zur Rettung der Stadt vor dem Bombardement der amerikanischen Truppen verlieh diese ihm 1947 die Ehrenbürgerwürde. Im gleichen Jahr wurde er als Religionslehrer an die Würzburger Lehrerbildungsanstalt berufen. 1953 ernannte ihn Bischof Dr. Julius Döpfner zum Ordinariatsrat und Leiter des neu eingerichteten Seelsorgereferats. Als Geistlicher Beirat der „Katholischen Aktion“ war Stangl auch zuständig für das neu errichtete Sankt Burkardushaus, das als Zentrum für die kategoriale Seelsorge und die außerschulische Bildung fungieren sollte.

Nur kurz war Stangls Wirken als Regens des Priesterseminars ab 1956. Denn nach der Ernennung von Bischof Döpfner zum Erzbischof von Berlin bestimmte Papst Pius XII. Josef Stangl am 27. Juni 1957 zu dessen Nachfolger. Stangls Amtsführung war gekennzeichnet durch seine umfassende Einsatzbereitschaft, mit der er sich den überdiözesanen Aufgaben zum Beispiel in der Deutschen und der Bayerischen Bischofskonferenz ebenso widmete wie den zahllosen Seelsorgsbesuchen in der ganzen Diözese und dem Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Bei seinen Gläubigen war er als „Volksbischof“ beliebt wegen seiner Offenheit und Güte. Besondere Beachtung fand Stangls Wirken als Jugendreferent der Deutschen Bischofskonferenz in den bewegten Jahren des Umbruchs 1961 bis 1970. Beim Konzil war es sein Einsatz für die Verabschiedung der Erklärung Nostra Aetate, in der vor allem das Verhältnis zu den Juden auf eine neue Grundlage gestellt wurde, der Stangl hohe Anerkennung einbrachte. Bei der Würzburger Synode rückte Bischof Stangl als Gastgeber in das Licht des öffentlichen Interesses. Weitere Höhepunkte von Stangls Amtszeit waren der Abschluss des Wiederaufbaus des Doms 1967 und die Seligsprechung des im Dreißigjährigen Krieg ermordeten Pfarrers Liborius Wagner 1974. Seine letzten Lebensjahre wurden überschattet von den Auseinandersetzungen um den Tod der Studentin Anneliese Michel 1976, an der er den Exorzismus hatte vornehmen lassen. Schwer krank reichte Stangl 1978 seine Resignation ein, die am 8. Januar 1979 angenommen wurde. Nach langen und schweren Leiden starb der Bischof am 8. April 1979 in Schweinfurt und wurde drei Tage später im Würzburger Dom beigesetzt. Joseph Kardinal Ratzinger, den er 1977 in München zum Bischof geweiht hatte, hielt ihm die Grabrede. Die Universität Würzburg verlieh Stangl schon 1958 die Ehrendoktorwürde, er war Träger des Großen Verdienstkreuzes des Bundesverdienstordens sowie des Bayerischen Verdienstordens und weiterer Auszeichnungen.

(1207/0459; E-Mail voraus)

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