Sömmersdorf (POW) Am Sonntag, 18. August, sind die Sömmersdorfer Passionsspiele 2024 zu Ende gegangen. Weihbischof Paul Reder hat aus diesem Anlass auf der Freilichtbühne eine Messe gefeiert und sich die Passionsspiele angeschaut. Im folgenden Interview schildert er seine Eindrücke und äußert unter anderem Ideen für Angebote während der kommenden Spielzeit.
POW: Herr Weihbischof, sie haben am Sonntag die Passionsspiele in Sömmersdorf zur letzten Aufführung dieser Spielzeit besucht. Welchen Eindruck haben Sie mit nach Hause genommen?
Weihbischof Paul Reder: Die Bilder der Inszenierung wirken nach. Den stärksten Nachhall haben bei mir die Szenen mit den Volksmassen. Da wird spürbar, welche Dynamik aufgebaut wird, der den Ereignissen um die Passion diese eigene Prägung gibt. Das lässt sich über kein anderes Medium als die Bühne mit Hunderten an Beteiligten vermitteln. Auch die Rahmenhandlung zu Beginn und am Schluss fand ich überzeugend, da sie den Lokalbezug zu Sömmersdorf und die Bedeutung des Passionsspiels für die Menschen vor Ort hervorhob. Die offene Bühne – mit Regenrisiko – schafft zudem eine ganz eigene Atmosphäre, die ein geschlossener Theaterraum so nicht bietet. Das Gesamtpaket, angefangen vom Parkleitsystem der Feuerwehr über die Verköstigung und das Schauspiel selbst ist sehr professionell umgesetzt und wird doch „nur“ von einem Dorf gestemmt.
POW: Praktisch jeder Haushalt in Sömmersdorf ist bei den Passionsspielen beteiligt. Wie erklären Sie sich dieses ungewöhnliche Engagement?
Weihbischof Reder: Das ist wirklich erstaunlich, zumal es sich ja nicht um ein Gelöbnis, wie etwa in Oberammergau handelt. Im Schlusslied der Aufführung wurde für mich deutlich, dass Sömmersdorf mit den Passionsspielen wirklich eine gemeinsame Leidenschaft teilt. Bei den Massenszenen der Passion ist greifbar, dass die Passionsspiele ein generationsübergreifendes und die Generationen von Jung bis Alt verbindendes Projekt sind. Ich würde vermuten, dass gerade durch den fast familiären Charakter die Herausforderungen mit überdurchschnittlich viel Idealismus angegangen werden. In den Gesprächen wurde mir auch klar, dass es eine hohe Identifikation der Beteiligten mit der Passion gibt, gerade weil sie eben ein „Sömmersdorfer Kind“ ist und die Mitwirkung – bei allen Mühen – auch als Privileg empfunden wird. Das ist auch ein Unterschied zum professionellen Theaterbetrieb, obwohl Sömmersdorf gerade nicht unprofessionell über die Bühne geht.
POW: Inwiefern sind die Sömmersdorfer Passionsspiele auch ein Beitrag zur (Neu-)Evangelisierung?
Weihbischof Reder: Vermutlich gibt es kaum eine Kirchengemeinde, in der die Passionsüberlieferung so beheimatet ist, wie in Sömmersdorf. Alle fünf Jahre wachsen die Menschen dort in ein Bibliodrama hinein und die Beschäftigung mit Regie-Ideen, mit Rollen und Charakteren findet ja auch immer vor dem Hintergrund statt, wie das eigene Bild von den Ereignissen und dem Leben Jesu damit konfrontiert wird bzw. eine Wandlung erfährt. Das ist sozusagen der Aspekt, der die Mitwirkenden aus Sömmersdorf ganz besonders betrifft. Ein anderer Aspekt ist die Tatsache, dass das Schauspiel auch für das Publikum erlebbar macht, was uns sonst nur über Texte, Worte, bildliche Darstellungen oder Filme bekannt ist. Demgegenüber hat die Bühnenhandlung eine ganz eigene Qualität, weil sie unmittelbarer ist. Wenn Evangelisierung in einem ersten Schritt heißt, mit dem Inhalt der Evangelien vertraut zu werden, dann kann die Sömmersdorfer Passion in dieser Richtung verstanden werden. Sie regt an, sich intensiver mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.
POW: Was wünschen Sie den Mitwirkenden der Passion?
Weihbischof Reder: Allen Beteiligten in Sömmersdorf wünsche ich, dass die Erfahrungen in diesem Jahr dazu beitragen, die gemeinsame Leidenschaft lebendig zu halten und positiv in die Zukunft zu tragen. Nach der Passion ist vor der Passion. Dann würde ich viel mehr Kirchengemeinden wünschen, diese Chance in fünf Jahren nicht zu verpassen. Ein Besuch lohnt sich. Eventuell wäre es ja auch in Sömmersdorf eine Idee, einzelne Aufführungen mit einem speziellen Publikums-Zuschnitt zu wagen. Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, dass es für Firmlinge beziehungsweise Ministrantinnen und Ministranten des Bistums einen eigenen Sömmersdorf-Tag gibt mit Einblick in Probenarbeit, Blick hinter die Kulissen, Interviews mit Beteiligten, Aufführung und so weiter. Denkbar wäre eventuell auch eine Basis-Passion in einfacher Sprache für Kinder und Menschen mit Einschränkungen. Sömmersdorf ist für unser Bistum ein echter Schatz mit Strahlkraft über die Bistumsgrenzen hinaus.
Interview: Markus Hauck (POW)
(3424/0873; E-Mail voraus)
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