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Ein erfahrener Seelsorger

Der Miltenberger Pfarrer Ulrich Boom ist neuer Weihbischof in Würzburg und Titularbischof von Sulletto

Würzburg/Miltenberg (POW) Als er im Juli 2006 die Glocken der Miltenberger Stadtpfarrkirche Sankt Jakobus 20 Minuten lang läuten ließ und so die Kundgebung einer NPD-Jugendorganisation verhinderte, geriet er nicht nur ins Visier der Justiz, sondern auch in die bundesweiten Schlagzeilen. „Camillo von Miltenberg“ titelte die Süddeutsche Zeitung. Der Berliner Tagesspiegel nannte ihn den „Glöckner vom Untermain“. Und vom „Himmlischen Lärm“ sprach das Magazin Spiegel. Manche Charakterisierung hörte er nicht so gern, anderes nahm er mit Humor, viele Reaktionen berührten ihn sehr. Das von der NPD angezettelte Verfahren gegen den „Glöckner“ wurde schließlich auf Veranlassung der Bayerischen Justizministerin eingestellt, der couragierte Pfarrer Ulrich Boom Ende November 2006 mit dem Aschaffenburger Mutig-Preis geehrt. Zwei Jahre später wird dem 61-jährigen Seelsorger aus der Kreisstadt am Untermain eine ganz andere Ehre zuteil: Am Tag des heiligen Bischofs Nikolaus 2008 hat Papst Benedikt XVI. Ulrich Boom zum Weihbischof in Würzburg und Titularbischof von Sulletto ernannt.

Eigentlich hatte der gebürtige Münsterländer in jungen Jahren völlig andere Pläne. Boom will Ingenieur werden, nachdem er die Ausbildung zum Bauzeichner abgeschlossen und in Münster das Abitur über den zweiten Bildungsweg nachgeholt hat. Über die kirchliche Jugendarbeit findet der 1947 in Alstätte geborene Schneidersohn zum Theologiestudium. Der Grundstein hierfür mag schon im Elternhaus gelegt worden sein. Als Ältester von drei Geschwistern wächst Boom in einer Großfamilie auf, in der vor allem die Großeltern den christlichen Glauben vermitteln. Im Leben des jungen Manns erhält das religiöse Tun im Alltag einen festen Platz, eine Praxis, die er in der heutigen Gesellschaft weitgehend vermisst. Boom studiert Theologie: zunächst in Münster, dann in München und Würzburg. Die Kunstgeschichte lockt ihn auch an die andere Fakultät. Seine theologische Abschlussarbeit verbindet beide Wissenschaften: Boom schreibt über „Das Kreuz in der Kunst der Gegenwart“. Am 25. Februar 1984 erreicht der mittlerweile 36-Jährige nach Schule, Ausbildung, Beruf und Studium sein großes Ziel: Bischof Dr. Paul-Werner Scheele weiht ihn im Würzburger Kiliansdom zum Priester.

Wie Boom kurz vor der Weihe schreibt, sei ihm auf dem Weg zum Priestertum ein Wort von Frère Roger aus Taizé wichtig geworden: „Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast, und sei es noch so wenig.“ Dies tagtäglich von jedem Einzelnen als Alltagsarbeit angegangen, lasse die Gemeinden zu Orten des gelebten Evangeliums werden, sagt er damals. Für seinen Dienst als Priester in den Gemeinden wünscht er sich, das mitzutragen und mitzuleben. Spirituellen Rückhalt findet er in der Gemeinschaft von Taizé und der Priestergemeinschaft Jesus Caritas, die nach dem Vorbild des seligen Charles de Foucauld Gott mitten in der Welt entdecken und brüderliche Nähe mit den Menschen teilen will. Wichtig ist Boom stets die Gewissheit, dass Gott den Menschen auf den Ab- und Umwegen des Lebens nicht aus den Augen verliert: „Gott geht auch da mit!“ Der Alltag ist für Boom das Entscheidende, der Glaube ein Geschenk.

Der Neupriester Boom kommt zunächst in die Schweinfurter Pfarrei Sankt Peter und Paul, dann im Mai 1984 als Kaplan nach Baunach. Zwei Jahre später beruft ihn Bischof Scheele bereits auf die erste Pfarrstelle: Boom wird 1987 Pfarrer in Frammersbach, tief im Spessart. Später kommen noch die Nachbargemeinden Habichsthal und Partenstein hinzu, und auch das Amt des Dekans des Dekanats Lohr am Main darf Boom ab 1990 zehn Jahre lang ausüben. Die wachsende Zusammenarbeit mehrerer Pfarreien erlebt er in diesen Jahren hautnah mit und gestaltet die neuen Wege in der Seelsorge. 2000 wechselt er ins Maintal nach Miltenberg, wird Pfarrer der Kreisstadt am Untermain. Zusätzlich engagiert er sich von 1992 bis 2000 als Mitglied im Diözesanpastoralrat, von 1991 bis 2005 als Vorsitzender des Würzburger Diözesanverbands des Deutschen Katecheten-Vereins (DKV) und seit 2003 als stellvertretender Bundesvorsitzender des DKV.

Boom ist ganz und gar Seelsorger. Stets hat er die Realitäten des Lebens im Blick. Er ist sich bewusst, dass es „um Gott herum heute still geworden ist“. Trotz rückgehender Kirchlichkeit bei vielen Zeitgenossen ist er aber fest davon überzeugt, dass der Mensch religiös und im letzten auch gläubig ist. Die Weckung und die Weitergabe des Glaubens haben für ihn sowohl als Seelsorger im Spessart als auch in Miltenberg oberste Priorität. Die Gemeindekatechese, die Vorbereitung auf die Sakramente, soll die Kirche vor Ort verlebendigen. Was das Zweite Vatikanische Konzil und die Würzburger Synode vorgeben, will er vor Ort umsetzen und sich für eine dialogfähige Kirche einsetzen. Wichtig ist ihm außerdem eine bessere Verbindung von Gemeinde und Schule. Seine Liebe zur Kunst und Kunstgeschichte lässt ihn darüber hinaus geschickt als Bauherrn agieren, wenn es um die Kirchenrenovierungen in Frammersbach und Habichsthal oder die Umgestaltung der Miltenberger Jakobuskirche geht. Bürgermeister Adolf Rüth kann bei der Verabschiedung Booms aus der Spessartgemeinde Frammersbach augenzwinkernd sagen: „Vom Durchsetzungsvermögen des westfälischen Dickschädels habe ich noch etwas lernen können.“ Bischof Hofmann beruft den erfahrenen Kunstexperten vom Untermain 2006 als Vertreter der Seelsorge in die Kunstkommission der Diözese Würzburg.

Zu den Lieblingsbeschäftigungen des künftigen Würzburger Weihbischofs zählt der Sport. Boom wandert und klettert gerne in den Bergen. Und er hält sich fit auf dem Fahrrad. Seine Touren führen dabei nicht nur durchs Maintal, sondern weit über die Grenzen Frankens hinaus: Per Rad pilgert er nach Santiago de Compostela, besucht Länder Osteuropas und schafft gar den Weg ins Heilige Land. Die Gedanken und Bilder seiner Reise ans Grab des heiligen Jakobus‘ hält er in dem Büchlein „Unterwegs zum Ende der Welt“ fest. Dass der leidenschaftliche Pilger Mitglied der Fränkischen und der Deutschen Sankt Jakobusgesellschaft ist, mag nahezu selbstverständlich sein. Entspannung sucht Boom bei Kunst und klassischer Musik. Da überrascht es dann schon, wenn er gesteht, dass er auch mal die „Toten Hosen“ oder „Pur“ höre.

Als für Boom der Wechsel von Frammersbach nach Miltenberg anstand, stieg er nicht ins Auto und fuhr zu seiner neuen Pfarrgemeinde. Boom schnürte die Wanderschuhe, nahm den Pilgerstab und machte sich auf den Weg vom Spessart an den Rand des Odenwalds. Übergang und Aufbruch wollte er damit symbolisieren und sich geistig und körperlich dem Neuen und Unbekannten stellen. Wenn er nach Weihnachten Miltenberg hinter sich lassen wird und zu seiner neuen, größeren Aufgabe nach Würzburg aufbricht, darf mit Spannung erwartet werden, ob Boom auch hier zum Pilgerstab greift, ehe ihm Bischof Hofmann dann am 25. Januar 2009 in Würzburg den Bischofsstab überreichen wird. Mit seiner großen Gelassenheit, natürlichen Fröhlichkeit und tiefen Frömmigkeit mag Boom auch dieses große Neuland betreten: „Ich gehe sehr positiv an die Welt heran. Das macht‘s mir vielleicht auch leicht.“

(5007/1507; E-Mail voraus)

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