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Ein Fluss wie ein Meer

Mit dem Schiff auf dem Amazonas nach Óbidos: Schon die Anreise ins künftige brasilianische Partnerbistum ist ein Erlebnis

Santarém/Óbidos/Würzburg (POW) Geier, schwarz und mit mächtigen Schwingen, segeln in Dutzenden über dem Hafen von Santarém. Die Sonne brennt bei wolkenlosen Himmel auf den Amazonas. An dieser Stelle im Nordosten Brasiliens ist der Strom über 15 Kilometer breit. „Dort vorne ist Euer Schiff“, sagt Taxifahrer Guilherme und weist Weihbischof Ulrich Boom und seinen Begleitern die Richtung. „Príncipe de Óbidos“ – der Fürst von Óbidos, prangt in blauen Lettern auf dem Rumpf. Mit über 30 Metern Länge ist das weiß lackierte Schiff das größte, das an diesem Nachmittag auf Passagiere wartet.

Nach Óbidos zur Feier der Errichtung der künftigen brasilianischen Partnerdiözese ist die Delegation aus Würzburg unterwegs. Heute schon den zweiten Tag. Nach dem Flug am 19. Januar via Lissabon nach Recife und einer Übernachtung bei den dortigen Franziskanerinnen von Maria Stern ging die Reise am Freitagmorgen, 20. Januar, um halb sechs weiter. Acht Stunden Flug mit vier alles andere als sanften Zwischenlandungen bis zum Flughafen von Santarém, im nordöstlichen Bundesstaat Pará.

Dort führt eine staubige Schlaglochpiste von der breiten Uferstraße hinunter zur Anlegestelle. Vorbei an Kühllastern, die links und rechts den Weg säumen und von und zu denen Lastenträger mit weißen Hosen und hellen Gummistiefeln kühlschrankgroße Styroporkisten auf den Schultern balancieren. Zwei jeweils etwa einen halben Meter breite Holzbohlen führen hinüber zu dem stählernen, welligen Ponton, an dem die Fähren auf Kundschaft warten.

Weihbischof Boom verstaut sein Gepäck in der Kabine im Bug der Fähre und kommt in Flipflops an Deck. „Viel angenehmer bei dem warmen Wetter als die geschlossenen Schuhe“, sagt er. Christiane Hetterich, Referentin für Mission-Entwicklung-Frieden und Brasilien-Expertin, hat derweil schon ihre Hängematte an der Decke im Mittelteil des Schiffs befestigt. Dicht an dicht hängen die Schlafgelegenheiten, in allen denkbaren leuchtenden Farbtönen. „Freier Blick auf den Amazonas, der kühle Fahrtenwind und das Schaukeln in der Hängematte“, schwärmt Hetterich. Ein Amazonas-Delphin springt zwei-, dreimal aus dem Fluss, seine rosa Haut hebt sich deutlich vom Flusswasser ab. Dennoch bleibt er danach verschwunden.

Abfahrt in Richtung Óbidos ist erst nach Anbruch der Dunkelheit, um 20 Uhr. Noch Zeit für ein paar Einkäufe. Taxifahrer Guilherme, ein Mittfünfziger mit „FIFA WM Deutschland 2006“-Trikot, kennt selbstverständlich einen gut sortierten Souvenirladen mit einem stattlichen Sortiment an Ansichtskarten, und auch den Weg zum nächsten Supermarkt. Trotz weit offener Eingangstüren schafft es dort die Klimaanlage, die gut 35 Grad Außentemperaturen schnell vergessen zu machen. Ein bisschen Obst und ein paar Nüsse sollen als Reiseproviant dienen, bis die im Reisepreis enthaltene Fleischsuppe serviert wird.

Nur: Den Fußweg zur Anlegestelle blockiert bei der Rückkehr ein Auto. Scheinbar spielerisch einfach lenkt ein Fahrer sein Fahrzeug auf die schwimmende Anlegestelle und wendet in drei Zügen, ohne einen der fahrbaren Verkaufsstände der fliegenden Essenshändler auch nur zu touchieren. Dann beginnt er, schwere Kartons aus einem der Schiffe in seinen Kofferraum zu laden. Die an- und abströmenden Menschen scheint das Spektakel kaum zu interessieren. Aufmerksamkeit erregen dagegen die starken Jungs, die einen dem Augenschein nach nagelneuen Vierzylindermotor in eines der Schiffe wuchten, und zwei Jugendliche, die an einer Angelschnur einen über 50 Zentimeter langen Fisch aus dem Amazonas ziehen. Und das ausgerechnet aus einem denkbar schmalen Spalt, der zwischen einem der Schiffe und der Anlegestelle den Fluss nur erahnen lässt.

Ein Klappern erklingt vor den Kabinen an Bord des „Principe“. „Ich bin froh, dass der hier gelandet ist“, sagt der Weihbischof und hebt einen Gegenstand vom Stahlboden an der Reeling auf. Es ist sein Bischofsring. Beim Händewaschen hatter er ihn in die Hosentasche gesteckt. Beim Taschentuch holen ist er herausgefallen. Fünf Meter unterhalb spiegeln sich die letzten Sonnenstrahlen im Wellengekräusel des Flusses. 70 Meter ist er an dieser Stelle tief, leicht schiffbar für große Meeresschiffe wie den Frachter, der in Sichtweite mit Soja beladen wird.

Eine Stunde nachdem die Sonne als glühend roter Ball hinter dem Horizont verschwunden ist, legt das Schiff ab und fährt in einem weiten Bogen entgegen der Strömung in den Amazonas hinein. Nur gelegentlich reißt der ferngesteuerte Scheinwerfer am Bug eine gleißend helle Schneise in die von unzähligen schwachen Lichtpunkten am Himmel nur noch spürbarer gemachte Nacht.

Das Abendessen wird auf dem unteren Deck serviert. Die Luke zum ohrenbetäubend laut dröhnenden Dieselaggregat im Bauch des Schiffes steht weit offen. Tischgespräche müssen entfallen. Die Leute, meist nicht älter als 25 Jahre, nehmen es lächelnd hin. Ungerührt verscheuchen sie die großen und kleinen Insekten, die, angelockt vom Licht der vielen Scheinwerfer, neben und mitunter auch in die Teller schwirren und kriechen. Wer will, der holt noch den einen oder anderen Teller Suppe nach und trinkt als Absacker anschließend eine Dose Bier auf dem Oberdeck. Bis auf eine Handvoll Fahrgäste, die auf dem Großbildschirm auf der Heckterrasse brasilianische Musikvideos verfolgen, liegen praktisch alle um 22 Uhr in der Hängematte. Wer schlafen will, muss sich sputen. Um 3 Uhr legt das Schiff am Samstagmorgen, 21. Januar, in Óbidos an. „Herzlich Willkommen“, empfängt Bischofssekretär Antonino Costa Martins den Weihbischof und seine Begleiter.

(0412/0087; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet

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