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Ein Hoffnungslicht für Einsame

Christiane Knobling, Leiterin der ökumenischen Telefonseelsorge am Untermain, zum Thema Einsamkeit – „Aktuell etwa 30 Prozent mehr Anrufe als vor Corona“ – Religiöse Menschen tun sich etwas leichter, mit Einsamkeit umzugehen

Aschaffenburg (POW) „In jedem dritten bis vierten Telefongespräch und in jedem vierten Chat spielt Einsamkeit bei uns eine Rolle“, sagt Christiane Knobling, Leiterin der ökumenischen Telefonseelsorge am Untermain. Schon alleine diese Zahlen zeigen, dass das schmerzhafte Gefühl des Alleinseins eines der großen Probleme unserer Zeit ist. In Großbritannien wurde 2018 deshalb sogar ein „Ministerium der Einsamkeit“ eingerichtet, dass sich diesem Phänomen und seiner Bekämpfung widmen soll. In Deutschland hat die neue Regierung eine solche Schwerpunktsetzung bislang nicht vorgesehen. Hier sind es Einrichtungen wie die Telefonseelsorge, die versuchen, Menschen mit diesem Problem zu begleiten.

Knobling, deren Einrichtung im Jahr 2021 bis Ende November mehr als 10.000 Seelsorge- und Beratungsgespräche am Telefon und über 300 im Chat entgegengenommen hat, sieht durch die Maßnahmen zur Coronabekämpfung eine Verschärfung der Situation. „Wir haben jetzt zu bestimmten Zeiten zwei Leitungen freigeschaltet und nehmen aktuell etwa 30 Prozent mehr Anrufe entgegen als vor Corona“, sagt die Theologin. Doch das Problem Einsamkeit habe es auch schon vor den Lockdown-Maßnahmen gegeben, und es treffe nicht nur die alten Menschen. Der Chat zeige, dass auch viele junge Menschen mit Einsamkeit zu kämpfen haben. Es seien nicht nur Menschen, die alleine leben. Man könne laut Knobling durchaus auch von vielen anderen umgeben sein und trotzdem mit diesem Gefühl kämpfen.

Sich einsam fühlen, dass kennt jeder mal in seinem Leben. Doch für die meisten ist das nur eine kurze Phase, die wieder vorbeigeht. Wenn das Gefühl lange bleibt, dann kann es auch krank machen. „Einsamkeit ist ein Sich-Abgeschnitten-Fühlen von anderen, von mir selber, auch von Gott“, umschreibt Knobling das Phänomen. Das führe bei den Betroffenen häufig zu Selbstzweifeln: Warum passiert das gerade mir? Was ist an mir, dass niemand mit mir in Kontakt sein will? Mache ich etwas falsch? Schnell komme eine depressive Verstimmung und seelische Erschöpfung dazu und die Angst davor, aus diesem Tunnel nicht wieder herauszukommen.

In der Beratung gehe es vor allem darum, den Menschen erst einmal zuzuhören. Dadurch, dass sie zum Hörer gegriffen oder sich im Chat gemeldet haben, machen sie bereits einen ersten Schritt, ihr Problem anzugehen. Für manche sei dann bereits das Erzählen eine große Erleichterung. Andere wollen einen Schritt weiter gehen und etwas dagegen tun. Hier beginnt dann ein sehr individueller Dialog, denn jeder Mensch ist anders und Patentrezepte gibt es laut Knobling nicht. Im Gespräch gehe es oft auch um ganz konkrete Ideen, beispielsweise ob die Möglichkeit besteht, sich einem Chor oder einer anderen Gruppe anzuschließen. „Ich mache aber die Erfahrung, dass viele schon lange über diese Frage nachgedacht haben und einiges ausprobiert haben“, sagt Knobling. Oft geht es dann um die Frage, warum es nicht geklappt hat. Die Mitarbeiterinnen der Telefonseelsorge sprechen dann auch an, ob eine Therapie ein nächster Schritt sein könnte.

Wenn dann so wie jetzt die Weihnachtszeit begonnen hat und damit eine Zeit, in der Einsamkeit oft ganz besonders stark empfunden wird, stehe in den Gesprächen meist die Frage im Vordergrund: Was könnte guttun, wenn diese Tage kommen? „Das reicht dann von der Tasse Kakao, die man am Abend trinkt, über das Hören der Lieblingsmusik, das Lesen eines Buches, das mir guttut, bis hin zum Sprechen bestimmter Gebete“, zählt die Telefonseelsorgerin auf. Wenn man rechtzeitig mit dem Planen beginne, könne man auch etwas organisieren, um am Heiligen Abend zumindest nicht die ganze Zeit alleine zu sein. „Ich kann überlegen, wen ich kenne, mit dem ich mich an Weihnachten treffen kann, und sei es auch nur für eine Stunde“, sagt Knobling. Für die Menschen, die gerade in der Gemeinschaft an den Festtagen ihre Einsamkeit besonders spüren, könne es hilfreich sein, sich immer wieder eine Auszeit von diesem Zusammensein zu gönnen, sich zurückzuziehen oder einen Spaziergang zu machen. „Manchmal hilft alleine die Vorbereitung schon, leichter über die Tage zu kommen“, sagt die Theologin. Bei allen Planungen müsse man immer damit rechnen, dass einen die Einsamkeit plötzlich doch wieder überfalle, und dann sei es gut, wenn man sich vorab ein paar Reaktionsmöglichkeiten zurechtgelegt habe.

Nach den Erfahrungen der Telefonseelsorgerin tun sich religiöse Menschen etwas leichter, mit Einsamkeit umzugehen. Wenn das Gefühl wiederkomme, könne man dann beispielsweise auch ein Gebet oder einen Segen für die Menschen sprechen, die sich ähnlich fühlen. Weil man sich so gedanklich mit anderen Menschen verbinde, würde für manche die Einsamkeit etwas leichter. Für die Theologin kann die Feier der Menschwerdung Gottes auch ein Hoffnungslicht für Einsame sein: „Weihnachten ist das Fest, an dem wir feiern, dass Gott in dieser Welt jedem Menschen nahe ist, ob er nun traurig, fröhlich, einsam oder glücklich ist.“ Manchmal bietet sie den Anrufenden die Geschichte „Fußspuren im Sand“ als Impuls an. Die erzählt davon, dass man nach schwierigen Phasen in der Rückschau manchmal erkennt, dass da etwas war, was einen durch diese Zeit getragen hat.

bv (POW)

(5021/1218; E-Mail voraus)

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