Würzburg (POW) Ein schlichtes Porträtfoto ziert im Januar 1960 den Sonntagsblatt-Titel. Das Schwarzweißbild zeigt einen Mann von fast 50 Jahren, mit grauen Haaren, wachem Blick und weichen Gesichtszügen. „Würzburgs neuer Weihbischof Alfons Kempf“ prangt groß gedruckt darüber. Wenige Tage vor dem Jahreswechsel hat Papst Johannes XXIII. den in Würzburg-Sankt Gertraud tätigen Priester Alfons Kempf zum Weihbischof ernannt. Damit ist er der erste Weihbischof für das Bistum Würzburg seit fast 150 Jahren.
Die Nachricht von seiner Ernennung erreicht Kempf im Heizungskeller. Seine Haushälterin wirft den an ihn gerichteten Brief der Apostolischen Nuntiatur die Treppe hinunter. Im Keller schaut Kempf gerade nach der defekten Heizung, weil Handwerker rund um den Jahreswechsel schwer zu bekommen sind. So überliefert es ein Sonntagsblatt-Beitrag von 1985.
Kempf starb am 8. November 1999, vor 25 Jahren, bei den Oberzeller Franziskanerinnen. In ihrem Altersheim hatten die Schwestern jahrelang für ihn gesorgt. Kempf war ein bekanntes Gesicht des Bistums Würzburg – auch weil er rund 300.000 jungen Menschen das Sakrament der Firmung spendete.
Mit Kempf vertraut war Pfarrer i. R. Richard Strobel (89). Bereits Anfang der 1960er Jahre hatte er als Priesterseminarist den Weihbischof kennengelernt. Damals wurde laut Strobel jeden Sonntag in der Würzburger Neumünsterkirche eine Vesper gefeiert, die Kempf gelegentlich leitete. Strobel assistierte als Diakon dem Weihbischof. Er erinnert sich, dass er einmal im September Kempf braungebrannt gegenübertrat. Spontan habe der Weihbischof gesagt, jetzt wisse er, wo die Seminaristen ihre Sommerferien verbrächten, und tippte auf Spanien. Von wegen, stellte Strobel richtig, seinem Vater habe er bei der Ernte geholfen und dabei reichlich Sonne abbekommen.
Was es bedeutet, in der Familie mitzuarbeiten, wusste Kempf. Seine Eltern besaßen eine kleine Landwirtschaft, als er am 30. Januar 1912 in Albstadt geboren wurde. Seine Mutter erledigte außerdem Heimarbeit, bei der ihr der Sohn zur Hand ging. Er rollte Zigarren für die im Kahlgrund beheimatete Zigarrenindustrie. Der Vater kämpfte im Ersten Weltkrieg (1914–1918) als Soldat. Die herzkranke Mutter war gezwungen, ihre drei Kinder alleine durchzubringen. Erst mit acht Jahren lernte Kempf seinen Vater kennen. Später sagte er, die Geborgenheit seiner Familie habe das religiöse Fundament für sein ganzes Leben gelegt.
Die Chance, eine höhere Schule zu besuchen, bot sich Kempf dank des damaligen Kuratus von Albstadt, Josef Krämer. Der Geistliche unterrichtete Kempf privat, so dass dieser nach Würzburg aufs Gymnasium wechseln konnte.
Religiös geprägt wurde Kempf als Internatsschüler des Kilianeums in Würzburg. Zeitweise besuchte er in Miltenberg die Schule, wo er ebenfalls im dortigen Kilianeum untergebracht war. Als er 1932 das Abitur ablegte, stand sein Berufswunsch Priester fest. Die politischen Verhältnisse begünstigten eine kirchliche Laufbahn nicht. An Kempfs 21. Geburtstag wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Priesterseminaristen der 1930er Jahre erlebten Anfeindungen durch die Nationalsozialisten. „Wer damals den Priesterberuf wählte, musste eine sichere Lebensauffassung haben und eine klare Lebensentscheidung treffen“, urteilte später das Sonntagsblatt. Am 28. Februar 1937 empfing Kempf in Würzburg die Priesterweihe vom Bamberger Weihbischof Joseph Otto Kolb, der den erkrankten Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried vertrat.
Pfarrer i. R. Strobel weist darauf hin, dass Kempf bei vielen Frauen Sympathie weckte. Strobel beschreibt Kempf als attraktiven, groß gewachsenen Mann, der Selbstsicherheit ausstrahlte. Geradezu umschwärmt sei er als Kaplan in der Aschaffenburger Stiftspfarrei gewesen, wo er die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) erlebte.
1943 schickte Bischof Ehrenfried den Kaplan ans Juliusspital in Würzburg. Kempf ertrug die Belastungen eines Lazarettseelsorgers. Einen Luftangriff im Februar 1945 überlebte er mit Glück in einem Luftschutzkeller, der völlig zerstört wurde. Sein Hab und Gut ging verloren. Nach Angaben des Sonntagsblatts war Kempf im Chaos des zu Ende gehenden Krieges „Priester und Feuerwehrmann, Krankenträger und Organisator, Heizungs- und Leitungsmonteur, Hausmeister und Unterhändler in einem bei der einrückenden Besatzungsmacht“. Nur wenige Monate nach Kriegsende folgte seine Versetzung in die Pfarrei Würzburg-Sankt Gertraud. 14 Jahre lang trug Kempf Verantwortung für die Pfarrei, dann ereilte ihn die Ernennung zum Weihbischof.
Pfarrer i. R. Strobel ist seit 1971 in Kempfs Heimatort Albstadt in der Pastoral tätig. Bei Besuchen von Kempf kreuzten sich die Wege der beiden. Ein leutseliger Mensch sei Kempf gewesen, erzählt Strobel. Ein Genießer, der sich seine Zigarre schmecken ließ. „Er war ein guter Seelsorger und hatte ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Mitmenschen.“
In Kempfs Amtszeit fielen viele gesellschaftliche und kirchliche Umbrüche der 1960er und 1970er Jahre. An den Sitzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) nahmen er und Bischof Josef Stangl teil. Die Beschlüsse des Konzils und die Situation der Kirche diskutierten Stangl und Kempf bei Podiumsgesprächen im Bistum Würzburg. Besonders für eine stärkere Einbindung der Gläubigen ohne Weiheamt setzte sich Kempf ein. Im Bistum sprach er mit Priestern und Laien über die Errichtung von Pfarrgemeinde- und Dekanatsräten. Den Diözesanrat der Katholiken unterstützte der Weihbischof bis zu seiner Emeritierung 1987 als Geistlicher Assistent.
Die Erinnerung an Alfons Kempf ist lebendig. Sein Messkelch wird in Albstadt bei besonderen Anlässen im Gottesdienst verwendet. Sein Brustkreuz und der Hirtenstab sind auf den heutigen Weihbischof Paul Reder übergegangen. Kempf hatte Paul Reder 1982 gefirmt.
Gedenken an Kempf und Hillenbrand
Das Bistum Würzburg erinnert im November besonders an zwei gestorbene Würdenträger: Weihbischof em. Alfons Kempf (1912 bis 1999) und Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand (1950 bis 2014). Am 10. November feiert Weihbischof Paul Reder um 10 Uhr in der Kirche in Albstadt eine Pontifikalmesse in Erinnerung an Alfons Kempf. Am 21. November findet für geladene Gäste ein Begegnungsabend in Erinnerung an Kempf und Hillenbrand statt. An Hillenbrands Todestag, dem 22. November, ist für 9 Uhr eine Pontifikalmesse im Würzburger Dom angesetzt. Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran feiert schließlich am 24. November um 10 Uhr in Ochsenfurt-Sankt Andreas eine Messe im Gedenken an seinen Vor-Vorgänger Dr. Karl Hillenbrand.
Ulrich Bausewein (Würzburger katholisches Sonntagsblatt)
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