Würzburg (POW) Im Bistum Würzburg sind derzeit 329 Weltpriester und 81 Ordenspriester im aktiven Dienst. Weiterhin wirken in der Seelsorge 66 hauptberufliche Diakone, 91 Diakone mit Zivilberuf, 142 Pastoralreferenten und -referentinnen, 119 Gemeindereferenten und -referentinnen sowie 22 pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger sind in den 164 Pfarreiengemeinschaften und den 14 Einzelpfarreien tätig, engagieren sich in speziellen Feldern der kategorialen Seelsorge oder wirken in der Diözesanleitung. 811.372 Katholiken gehören aktuell zur Diözese Würzburg. In folgendem Interview spricht Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand über die „Personalstrategie“ der Diözese Würzburg und setzt sich mit der Frage nach einer gerechten Verteilung des Seelsorgepersonals auseinander.
POW: Angesicht von Priestermangel sowie zunehmendem Mangel auch an Diakonen und hauptamtlichen Laienmitarbeitern wird es für Bischof und Diözesanleitung schwieriger, das Seelsorgepersonal gerecht auf alle Pfarreiengemeinschaften und Einzelpfarreien zu verteilen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Gesamtlage angesichts der Umstrukturierung und der Personalentwicklung in der Diözese?
Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand: Die Bildung der Pfarreiengemeinschaften im vergangenem Jahr war weniger der Abschluss eines Prozesses als der Startschuss zu einer Neuorientierung in Bezug auf Pastoral und Personal: Es muss in größeren räumlichen wie personellen Zusammenhängen geplant, gedacht und gehandelt werden. Einzelinteressen sind dabei wahrzunehmen, aber stets im größeren Kontext von Bistum und Dekanat zu sehen. Eine Hauptschwierigkeit sehe ich darin, dass es bei einer gleichbleibenden Zahl von Pfarreien nicht nur weniger hauptberufliches Personal, sondern auch weniger regelmäßig praktizierende Katholiken gibt, deren Erwartungen aber im Vergleich zu früher vielfältiger, differenzierter und auch individueller geworden sind. Grundziel einer diözesanen „Personalstrategie“ muss von daher die Frage bleiben, wie die Kernbereiche kirchlichen Handelns – Verkündigung, Liturgie und Diakonie – sinnvoll gesichert werden können.
POW: Es gibt immer wieder Pfarreiengemeinschaften, die monatelang ausgeschrieben sind und auf einen Pfarrer warten. Wie kann ein Pfarrer für eine solche Pfarreiengemeinschaft gefunden werden?
Hillenbrand: Was die priesterliche Präsenz betrifft, braucht es für die Übernahme einer Pfarrstelle eine gewisse Grundmotivation. Deshalb halten wir am Bewerbungsprinzip fest. Die Situation hat sich allerdings radikal geändert. Während etwa vor 40 Jahren ein Kaplan bis zu zehnmal „eingeben“ musste, bevor er eine selbständige Stelle erhielt, liegt heute die Initiative sehr oft bei den Personalverantwortlichen, die versuchen müssen, für die spezifischen Erfordernisse einer Pfarreiengemeinschaft einen geeigneten Pfarrer zu finden. Dabei ist nicht selten intensive Überzeugungs- und Motivationsarbeit angesagt.
POW: Kann ein Pfarrer zum Wechsel auf eine andere Stelle gezwungen werden?
Hillenbrand: Eine Versetzung gegen den Willen eines Pfarrers ist kirchenrechtlich nur in ganz klar definierten Ausnahmefällen möglich und zudem an eine bestimmte Vorgehensweise gebunden – der Anhörung einer vom Priesterrat gewählten Kommission. Ich persönlich halte wenig von Zwang, weil – wie schon erwähnt – eine bestimmte Grundmotivation vorhanden sein sollte. Allerdings halte ich es für legitim, einen Priester an sein bei der Weihe abgegebenes Gehorsamsversprechen gegenüber dem Bischof zu erinnern, das auch die Bereitschaft zur pastoralen Verfügbarkeit beinhaltet. Freie Entscheidung und Gehorsam sind für mich keine Widersprüche, sondern werden durch das Mühen um Einsicht und die Bereitschaft zum Blick über den eigenen Horizont hinaus miteinander vermittelt. Ein Priester wird nicht auf eine bestimmte Pfarrei, sondern für das ganze Bistum geweiht.
POW: Gibt es eine Regelung, nach denen ein Pfarrer in bestimmten zeitlichen Abständen seine Dienststelle wechseln sollte?
Hillenbrand: Es gibt keine rechtliche Regelung, aber eine spirituelle und pastorale Empfehlung, dass ein Pfarrer nach etwa zehn bis 15 Jahren eine neue Aufgabe übernehmen sollte. Es ist eine Frage der Personalbegleitung – nicht nur durch das Ordinariat, sondern auch auf Dekanatsebene –, diese Fragen im Mitarbeitergespräch regelmäßig und rechtzeitig zu thematisieren. Hier ist manches sicher noch ausbaufähig. Bei der Frage nach dem konkreten Zeitpunkt eines Wechsels spielen natürlich verschiedene Faktoren eine Rolle: Die persönliche Situation des Priesters und der momentane „Entwicklungsstand“ der Pfarreiengemeinschaft genauso wie künftige Entwicklungsperspektiven.
POW: Warum kann es für Seelsorger gut sein, nach einer bestimmten Zeit die Dienststelle zu wechseln?
Hillenbrand: Der Wechsel auf eine andere Dienststelle kann sowohl für den Pfarrer wie die Pfarreiengemeinschaft von Vorteil sein: Ein Neuanfang bringt zwar immer auch Unsicherheiten und Herausforderungen mit sich, enthält aber noch viel mehr Chancen: Man wird zwar kein anderer, aber man kann unter veränderten Vorzeichen andere, neue Akzente setzen, auch aus Fehlern lernen, vor denen niemand gefeit ist. Voraussetzung eines Wechsels ist die richtige Sichtweise der eigenen Aufgabe: Ein Pfarrer ist nicht auf Lebenszeit mit einer Pfarrei „verheiratet“. Das wäre ein falsches Modell. Es handelt sich vielmehr um eine intensive „Wegbegleitung auf Zeit“, die von einer doppelten Perspektive geprägt ist: Einerseits soll ein Priester sehr wohl Wurzeln schlagen, aber gleichzeitig sollen ihm – bildlich gesprochen – Flügel wachsen, damit er den Überblick behält und auch spürt, wann es Zeit für einen Wechsel ist. Dies ist nicht zuletzt eine Frage der geistlichen Entscheidung und Begleitung. Wenn diese ausfällt, kommt es nicht selten zu einem perspektivlosen „Klammerverhalten“, das nur auf Bewahren und Etablieren setzt und sich neuen Bewährungen verweigert.
POW: Gibt es ähnliche Regelungen auch für Diakone sowie Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten?
Hillenbrand: Auch hier gibt es Empfehlungen, wobei natürlich Diakone mit Zivilberuf ohnehin eher ortsgebunden sind und bei Pastoral- wie Gemeindereferentinnen und -referenten im Blick auf einen Wechsel oft die familiäre Situation – auch im Blick auf Ehepartner und Kinder – zu berücksichtigen ist. In dieser Hinsicht hat es sich als Vorteil erwiesen, dass wir im Bistum Würzburg schon in den neunziger Jahren ein gemeinsames Personalreferat für alle hauptberuflich in der Pastoral Tätigen eingerichtet haben, weil so eine differenzierte „synoptische“ Begleitung, welche die Interessen der Seelsorge „vor Ort“ und die Situation der Berufsgruppen aufeinander abstimmt, besser möglich ist.
POW: Angesichts des Priestermangels ist aktuell zu beobachten, dass Gemeinden noch stärker an ihren Seelsorgern hängen und gegebenenfalls sogar für einen Verbleib des Pfarrers auf die Straße gehen. Müssten Gemeinden stärker in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, wenn die Diözese einem Pfarrer den Wechsel nahelegt?
Hillenbrand: Zunächst ist es ein gutes Zeichen, wenn Priester in den Gemeinden geschätzt und geachtet werden. Nicht selten spielt bei einem Wechsel aber die Angst vor Veränderungen eine große Rolle. Es gibt ja nicht nur verfestigte Verhaltensweisen bei Priestern, sondern auch in Gemeinden: Das beginnt bei gewohnten Gottesdienstzeiten, setzt sich fort über eingespielte Verhaltensmuster und geht mitunter zurück auf Personen, die vor Ort „tonangebend“ sind und, so habe ich es erlebt, bei einem Pfarrerwechsel den Verlust an Einfluss fürchten. Nicht selten wird beim Einsatz für den Verbleib eines Pfarrers die „Kirche vor Ort“, also die konkrete Gemeinde oder Pfarreiengemeinschaft, so absolut gesetzt, dass die eigentliche „Ortskirche“, nämlich das Bistum, nahezu völlig aus dem Blick gerät. Der kirchliche Horizont darf nicht an der Grenze der eigenen Pfarreiengemeinschaft enden. Mitwirkungsmöglichkeiten bei einer Neubesetzung sind im Pfarrgemeinderatsstatut in der Weise vorgesehen, dass eine Situationsanalyse und eine Profilbeschreibung erstellt werden. Das soll unbedingt ernst genommen werden und kann eine wichtige Hilfe für die Neubesetzung sein. Personalentscheidungen im engeren Sinn müssen dagegen von den Bistumsverantwortlichen mit den Betroffenen selbst abgeklärt werden. Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften, die sich als christliche Gemeinde zusammen mit anderen Gemeinden eines Bistums verstehen, werden sich darüber im Klaren sein, dass sie auch einen Pfarrer nach geraumer Zeit „loslassen“ müssen und können.
POW: Es gab vor Jahren den Vorschlag eines Modells, wonach ein Pfarrer drei verschiedene Gemeinden in seiner Dienstzeit durchlaufen sollte: Als jüngerer Pfarrer eine kleinere Einheit, als erfahrener Pfarrer eine große Einheit und als älterer Priester wieder eine kleinere Pfarreiengemeinschaft. Gibt es derartige Pläne heute noch?
Hillenbrand: Dieses Modell wurde vor etwa 15 Jahren intensiv im Priesterrat debattiert. Ich halte es auch heute noch für sinnvoll als generelle Empfehlung, aus der man aber keine starre Regel ableiten kann. Solche Überlegungen haben bei Stellenbesetzungen und Stellenwechsel bei den Verantwortlichen auch bisher eine Rolle gespielt. Auch hierzu braucht es wieder eine sensible Abstimmung verschiedenster Faktoren: die Situation der Pfarreiengemeinschaft, die Verfassung des Pastoralteams vor Ort, die persönliche Situation des Pfarrers und seine Möglichkeiten. Ich bin unserem Personalreferat sehr dankbar, dass die Verantwortlichen versuchen, diese verschiedenen Komponenten in vielen Gesprächen und in geduldiger Kleinarbeit aufeinander abzustimmen. Dass dabei alle Einzelinteressen berücksichtigt werden, ist wohl niemals möglich. Personalentscheidungen sind stets auch Ermessensentscheidungen.
POW: Immer wieder sorgt der Verbleib eines Pfarrers nach seiner Ruhestandsversetzung in seiner bisherigen Gemeinde für Diskussion. Gibt es hier mittlerweile verbindliche Regelungen in der Diözese?
Hillenbrand: Es ist ein Unterschied, ob ein Pfarrhaus für einen Nachfolger benötigt wird oder dann leer stehen würde. Entscheidend ist letztlich nicht, ob ein Pfarrer im Ruhestand am Ort bleibt, sondern wie er es tut. Manchmal kommt es vor, dass – auch ungewollt – ein verbleibender Ruhestandspriester gegen den neuen Pfarrer „ausgespielt“ wird. In jedem Fall braucht es die Bereitschaft zu einer „Spiritualität des Kleinerwerdens“, in der sich ein Ruhestandspriester zurücknimmt und in das größere Ganze einfügt. Ich bin sehr froh, dass in Übereinstimmung mit der Dekanekonferenz eine differenzierte Rahmenregelung getroffen werden konnte: Wenn ein Pfarrer im Ruhestand „vor Ort“ bleibt, kann er dies nur mit der Bereitschaft zur Verfügbarkeit im Rahmen der ganzen Pfarreiengemeinschaft. Weiterhin muss er die Verantwortung des zuständigen Pfarrers anerkennen und das Pastoralkonzept mittragen. Schließlich soll er bereit sein, den Wechsel in eine betreute Einrichtung zu akzeptieren, wenn seine gesundheitliche Situation dies auf Dauer erforderlich macht. Ein Pfarrhaus ist keine Pflegestation. Insgesamt bin ich vielen älteren Mitbrüdern sehr dankbar, dass sie oft sehr uneigennützig und selbstlos im Rahmen des Möglichen mithelfen.
POW: Sollte sich ein Seelsorger auf einen Wechsel der Dienststelle über Fortbildungsangebote vorbereiten?
Hillenbrand: Unbedingt. Dabei geht es nicht nur um das Ernstnehmen von theologisch-pastoraler Weiterentwicklung beziehungsweise Weiterbildung, sondern auch um spirituelle Vertiefung in Form von Exerzitien und persönlicher geistlicher Begleitung. Seitens der Diözese wollen wir – wie auch vom Priesterrat gewünscht – die Priesterseelsorge intensivieren. Ich freue mich, dass wir demnächst mit Jesuitenpater Ludwig Schuhmann, der aus unserem Bistum stammt, einen profilierten und erfahrenen Begleiter zur Verfügung haben. Außerdem bin ich sehr froh darüber, dass unser Institut für theologisch-pastorale Fortbildung eine Vielzahl von Angeboten für alle Berufsgruppen zur Verfügung stellt und nicht zuletzt gerade durch die jährliche Fortbildungswoche für ältere Priester eine wertvolle Hilfe bietet.
POW: Wagen wir den Blick ins Jahr 2025: Wird es einen Wettbewerb der Pfarreiengemeinschaften geben, um einen aus der noch weiter zurückgegangenen Zahl von Priestern für sich zu gewinnen?
Hillenbrand: Ich sehe die Situation nüchtern und zuversichtlich zugleich. Nüchtern, weil ich die Zahlen nicht schön reden will. Deshalb ist es beispielsweise wichtig, auch weiterhin nach mehr sinnvollen Entlastungsmöglichkeiten für Pfarrer zu suchen. Ich bin aber auch zuversichtlich, weil ich bei meinen Besuchen in Dekanaten und Pfarreien zusammen mit kritischen Anfragen viel Bereitschaft vor allem von ehrenamtlich Engagierten spüre, sich auf veränderte Situationen und neue Herausforderungen einzulassen. Wenn es einen Wettbewerb der Pfarreiengemeinschaften geben sollte, dann darf er sich nicht darauf beschränken, sich um jeden Preis einen Pfarrer zu sichern. Der Wetteifer sollte zuallererst darin bestehen, den Glauben angesichts neuer und globaler Herausforderungen – ich nenne nur die Stichworte Glaubensverdunstung und Gottvergessenheit – so zu leben, dass er neu zum Leuchten kommt. Dabei braucht es gewiss Priester mit Ausstrahlung, aber die Zahl allein macht es noch nicht. „Wichtiger als viele Priester sind gute Priester“, hat Papst Benedikt vor einiger Zeit gesagt. Dabei brauchen wir die Unterstützung des ganzen Gottesvolkes.
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