Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Ein Selfie mit dem Hornberger Teufel

Wie der sündhafte Narr zum edlen Prinzen wurde – Deutsches Fastnacht Museum in Kitzingen zeigt die Ausstellung „Himmlische Freude – Höllische Lust“

Kitzingen (POW) Was wäre Fasching ohne lustige Narren, niedliche Teufelchen und edle Prinzen? Doch für die Menschen des Mittelalters war der Narr ein Sünder, der mit dem Teufel im Bunde steht. „Er war die Verkörperung des Sündenfestes Fastnacht“, sagt Dr. Katrin Hesse, Leiterin des Deutschen Fastnacht Museums in Kitzingen. Wie sich der hässliche Narr zum edlen Prinz Karneval wandelte, aus dem derben Straßenfest eine gehobene Unterhaltung für das Bürgertum wurde: All das erfährt man in der Ausstellung „Himmlische Freude – Höllische Lust“, die noch bis 16. März gezeigt wird. Und kann obendrein ein Selfie mit einem echten Teufel machen.

Dieses Narrenkostüm würde wohl niemand freiwillig anziehen: Das schwarze Wams ist mit einem roten, mit Schellen besetzten Gürtel auf Figur gebracht. Aus dem Buckel wachsen Eselsohren, aus dem Kragen ein Hahnenkopf, und auf der Stirn prangt eine dicke Beule. Vor rund 500 Jahren hat der flämische Maler Quentin Massys für sein Gemälde „Allegorie der Torheit“ in Hässlichkeit geschwelgt. „Die Eselsohren stehen für Trägheit, der Hahnenkopf für Triebhaftigkeit, das Teufelsmal auf der Stirn für Sündhaftigkeit“, zählt Hesse auf. Und das ist erst der Anfang. Die Schellen stünden für Geschwätz, „das leere Wortgeklingel“, und es finden sich noch fünf weitere negative Symbole. „Der Narr sagt: Es gibt keinen Gott“, zitiert Hesse aus dem Psalm 53. „Gott zu leugnen ist die schlimmste Sünde, die man begehen kann.“ Der Narr zeige sich als Regelbrecher, und das verbinde ihn mit der Fastnacht, die ein Fest des Regelbruchs sei. „Es ist eine Gegenwelt zur christlichen, frommen Welt.“

Weitere Bilder

Vom sündigen Narren zum edlen „Prinz Karneval“

Den Gegensatz zwischen Fastnacht und Fastenzeit stellt Pieter Bruegel der Ältere in seinem Gemälde „Der Kampf zwischen Karneval und Fasten“ (1559) ebenso unterhaltsam wie eindrücklich dar. In der Ausstellung ist eine Kopie dieses großen „Wimmelbilds“ zu sehen – das Original befindet sich im Kunsthistorischen Museum Wien. „Es ist ein Lieblingsbild der Fastnachtsforschung“, sagt Hesse. Am unteren Bildrand kämpft Junker Karneval, auf einem großen Holzfass sitzend und mit einem Fleischspieß bewaffnet, gegen die verhärmte, alte Frau Fasten. Während in der rechten Bildhälfte die Menschen in die Kirche gehen, typische Fastenspeisen wie Laugenbrezeln und Fisch essen, für die Armen sammeln, wird in der linken Hälfte gezecht und gevöllert, Betrunkene liegen auf der Straße. „Alles, was man auch heute von der Fastnacht kennt, ist auch damals schon auf Kritik gestoßen“, sagt Hesse. In den Stadtarchiven seien jede Menge Verbote erhalten sowie Mahnungen, nicht über die Stränge zu schlagen. Mitten im Gewimmel bäckt eine Frau fetttriefende Waffeln aus. Allerdings nicht aus Gier, sondern um die Vorräte aufzubrauchen. „Waffeln und Krapfen waren eine Möglichkeit, um Lebensmittel aufzubrauchen, die man in der Fastenzeit nicht mehr essen durfte, wie tierische Fette. Es gab ja noch keine Kühlschränke.“

Um Sünden und Narreteien geht es auch im Buch „Das Narrenschiff“ von Sebastian Brant, erschienen im Jahr 1494. Mit seiner satirischen Darstellung der damals bekannten Torheiten – von Marotten wie Astrologie bis hin zu Todsünden wie Protzerei – landete er einen Bestseller. Dazu mögen die aufwendigen illustrierenden Holzschnitte beigetragen haben, die teilweise vom jungen Albrecht Dürer stammen sollen. „Das Buch war unglaublich populär, europaweit beliebt und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt. Er hat damit den Nerv der Zeit getroffen, denn die Menschen waren verunsichert“, sagt Hesse. „Es war der Beginn der Begeisterung für den Narr.“ Die Verkaufszahlen seien erst von Goethes „Werther“ getoppt worden, weiß Hesse. Während Brants Narrenschiff auf den Schiffbruch zusteuerte, begann sich die Figur des Narren langsam zu wandeln. Die Commedia dell'Arte mit der Figur des Harlekins verbreitete sich vom Hof Ludwig XIV. aus über Europa. 1823 kam die Kölner Karnevalsreform, angestoßen von den preußischen Behörden und dem Kölner Bürgertum. „Die Fastnacht war immer ein Straßenfest und grenzüberschreitend. Das passte nicht mehr in die zivilisierte Gesellschaft der Romantik“, erläutert Hesse die Hintergründe. Ein Festkomitee rief die Figur „Held Karneval“ ins Leben, aus der schließlich „Prinz Karneval“ wurde. Er führt das Narrenschiff mit sicherer Hand durch die Fluten und besiegt mit einem Korkenzieher den Drachen Griesgram, zu sehen auf farbenprächtigen Illustrationen aus dem Kölner Karnevalsmuseum.

Das „Hornberger Horn“ oder: Zurück zu den Wurzeln

„Ursprünglich war die Fastenzeit die Siegerin des Kampfes mit der Fastnacht. Das wurde nun komplett verdreht“, sagt Hesse. Der Kölner Karneval habe sich „in kürzester Zeit“ über ganz Europa verbreitet. Der Narr wurde zum „freundlichen Narren“, das „Narrenschiff“ zum „Freudenschiff“. Bei den Karnevalsfeiern wurde für die Armen gesammelt. „Allen wohl und niemand weh“, lautete das neue Motto. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs habe man den Karneval zudem als eine Möglichkeit genutzt, um Abstand zu gewinnen: „Der Karneval entwickelte auf einmal heilsame Kräfte.“ Ein eindrückliches Schwarz-Weiß-Foto des Kölner Fotografen Herman Claasen zeigt ein Riesenrad neben der Ruine einer Kirche, inmitten der ausgebombten Stadt.

Was als Unterhaltung für das gehobene Bürgertum konzipiert war, war jedoch nicht für alle erschwinglich. „Man musste Eintritt zahlen, man musste einen gewissen gesellschaftlichen Stand haben, um mitmachen zu dürfen.“ So habe man sich gerade im Südwesten Deutschlands wieder auf die mittelalterlichen Wurzeln und Traditionen der Fastnacht besonnen. Ein Ergebnis ist das „Hornberger Horn“, ein Teufel im schwarzen Gewand mit breiten roten Fransen. Dazu gehört eine geschnitzte Holzmaske mit stechend grünen Augen und zwei gebogenen Hörnern, an deren Enden kleine Schellen baumeln. Entstanden ist die Figur 1951. Während der Teufel im Kölner Karneval seinen Schrecken verloren habe, komme in der schwäbisch-alemannischen Fasnet wieder ein bisschen von den Schreckmomenten zum Vorschein, sagt Hesse. „Aber im Vordergrund steht der Regionalstolz.“ Fotogen ist der Hornberger Teufel allemal – er sei das beliebteste Selfie-Motiv der Ausstellung, verrät die Museumsleiterin.

Führung zur Sonderausstellung „Himmlische Freude – Höllische Lust“

Die Sonderausstellung „Himmlische Freude – Höllische Lust. Karnevalistische Emotionen im Wandel der Zeit“ im Deutschen Fastnacht Museum in Kitzingen ist bis Sonntag, 16. März, dienstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr zu sehen. Unter der Überschrift „Der Clown, der aus der Hölle kam. Vom Harlekin zum Hanswurst“ steht eine Führung am Sonntag, 9. März, um 15 Uhr mit dem stellvertretenden Museumsleiter Hans Driesel, Träger des Kulturpreises der Stiftung Deutsche Fastnacht vom Bund Deutscher Karneval (BDK). Er schildert den Ursprung und die Entwicklung legendärer Figuren wie Till Eulenspiegel. Der Eintritt kostet pro Person sieben Euro. Weitere Informationen beim Deutschen Fastnacht Museum, Luitpoldstraße 8 in Kitzingen, Telefon 09321/23355, E-Mail info@deutsches-fastnachtmuseum.de, Internet www.deutsches-fastnachtmuseum.byseum.de.

sti (POW)

(0925/0218; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet