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Ein zweites Leben fürs Spielzeugboot

Viertes Repair-Café in Schweinfurt zieht rund 140 Interessenten an – Hilfe bei kaputten Haushaltsgegenständen, Kleidung und Spielzeug – „Man muss Dinge nicht wegschmeißen, nur weil sie kaputt sind“

Schweinfurt (POW) Mit gerunzelter Stirn beugt sich Ricky Haubenreich über ein schwarzes, mit Elektronik vollgestopftes Kästchen. Vorsichtig rüttelt er an den farbigen Drähten und säubert mit einem kleinen Schraubendreher die Kontakte. Tanja Kuhn aus Üchtelhausen hat das Gerät mitgebracht. „Das ist ein Weidezaungerät“, sagt sie. „Es hat nicht mehr geblinkt und keinen Strom abgegeben.“ Nun sitzt sie im Repair-Café im Pfarrsaal von Sankt Anton in Schweinfurt und hofft, dass der Elektroingenieur den Fehler findet. Mit ihr hoffen an diesem Tag rund 140 Menschen. Geduldig warten sie darauf, dass ein Platz bei einem der fast 20 Reparateure frei wird. Und dass kaputte Bügeleisen und Plattenspieler, zerrissene Pullover und streikende Spielzeugautos eine zweite Chance bekommen.

Seit April 2015 wird im Pfarrsaal Sankt Anton zweimal im Jahr ein Repair-Café angeboten. Das Organisationsteam ist ökumenisch: Emmi Sengfelder ist Umweltbeauftragte des evangelischen Dekanats Schweinfurt, Kristina Schmitt von der Pfarreiengemeinschaft „Sankt Anton – Maria Hilf“ und Georg Pfennig von der Pfarrei Sankt Bartholomäus Oberwerrn sind kirchliche Umweltauditoren. Mit der Zahl der Interessenten sei auch die Zahl der Reparateure stetig gestiegen, hat Sengfelder beobachtet. „Auf dem Repair-Café liegt ein Segen“, sagt sie lächelnd. Das Team hilft auch beim Aufbau weiterer Repair-Cafés. „Wir unterstützen fachlich und reparieren auch, bis sie sich freigeschwommen haben“, erklärt Pfennig. Derzeit würden beispielsweise Repair-Cafés in Nüdlingen und Diebach aufgebaut.

Pfennig organisiert nicht nur, sondern repariert auch – vom alten Röhrenradio bis zum Telefon. „Ich habe Maschinenbau studiert. Nun bin ich Rentner und habe Zeit. Ich mache das aus Spaß an der Freude“, sagt er. Jeder Reparateur hat sein eigenes Handwerkszeug dabei. Irene Schneider und Ingrid Wirth etwa haben auf einem Tisch eine kleine Schneiderwerkstatt eingerichtet. Ein junger Mann zeigt Wirth eine rote Jacke mit ausgefransten Bündchen. Die Jacke gehöre seiner Freundin, erzählt er. Wirth begutachtet den Schaden. „Ich mache Ihnen einen Stich und dann schauen Sie es sich an“, schlägt sie vor. Mit der Nähmaschine umsäumt sie einige Zentimeter des kaputten Stoffs und hält die Jacke hoch. „Das sieht doch okay aus. Viel besser als vorher“, sagt der Mann. Dem Teddybären mit dem abgebrochenen Arm können die beiden Schneiderinnen dagegen nicht helfen. „Dafür haben wir keine Ersatzteile“, sagt Schneider und empfiehlt einen Puppendoktor.

An einem anderen Tisch beugt sich Julian Rieß über ein feuerrotes ferngesteuertes Spielzeugboot. Ein kleiner Junge beobachtet mit Argusaugen jeden seiner Handgriffe. „Er hat das Boot im Juli zum Geburtstag geschenkt bekommen“, erklärt die Mutter. „Aber es funktioniert nicht mehr. Wir haben auch nicht herausgefunden, was los ist.“ Rieß, studierter Ingenieurinformatiker, nimmt das Boot komplett auseinander. „Es hat am Schalter einen ganz schlechten Kontakt“, sagt er und greift zum Lötkolben. Dünne Rauchschwaden steigen auf. Dann setzt er das Boot wieder zusammen und drückt auf den Startknopf – ein surrendes Geräusch ertönt. Strahlend drückt der Junge sein Spielzeug an sich. „Vieles kann man reparieren“, sagt Rieß. „Oder man kann es zumindest versuchen.“

„Es geht darum, die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass man Dinge nicht unbedingt wegschmeißen muss, nur weil sie kaputt sind“, sagt Christoph Gawronski, Umweltbeauftragter der Diözese Würzburg. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass man Sachen auch reparieren lassen kann. Das fängt bei kleinen Dingen an, etwa wenn man Schuhe zum Schuster bringt, damit sie neu besohlt werden. Es geht darum, die Sachen möglichst lange zu nutzen.“ Das Repair-Café sei dabei keine Konkurrenz zum Handwerk oder zu Reparaturbetrieben, betont Sengfelder. „Wir wollen den Reparaturgedanken befördern.“ Doch manchmal fänden die Leute einfach keinen passenden Reparaturbetrieb, oder sie bekämen gesagt, dass sich eine Reparatur nicht lohne.

Diese Erfahrung hat auch das Ehepaar Fehn aus Schweinfurt gemacht. „Es sind oft Kleinigkeiten, die man aber selbst nicht reparieren kann“, sagen sie. „Im Laden hört man nur, dass man die Sachen wegschmeißen und neu kaufen soll. Es ist schön, dass es Leute gibt, die das mit allen Möglichkeiten und Fertigkeiten probieren.“ Das Repair-Café sei eine „tolle Idee“, ist sich das Ehepaar einig. Der kaputte Stuhl wurde geleimt. Und für die Taschenuhr haben sie eine Reparaturadresse bekommen. Sengfelders Ehemann Kurt Krause sieht im Repair-Café zudem die Chance, den Menschen ein wenig „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben. Heute hat er beispielsweise ein Tischbein an einen afrikanischen Tisch geleimt – mit Unterstützung der Besitzerin. „Man kann das leimen, aber man muss es auf zwei Mal machen“, sagt er. „Ich habe ihr gezeigt, wie es geht, und nun kann sie es daheim selbst machen. So kann man den Leuten zeigen, wie sie einfach Sachen auch selbst reparieren können.“

Im Zweifelsfall werde eine Reparatur aber auch abgelehnt. Krause erzählt von einem Lockenstab mit Kabelbruch, für den er kein passendes Ersatzteil hatte. Da ein Lockenstab oft im Badezimmer verwendet werde, bestand zudem das Risiko, dass das Gerät mit Wasser in Berührung kommen könnte. „Es war schade um den Lockenstab, aber Sicherheit hat immer Vorrang“, betont er. Deshalb sind als Reparateure auch Spezialisten tätig. „Es sind zu großen Teilen Elektriker oder Ingenieure“, sagt Sengfelder. Andere arbeiten den Spezialisten zu. Zwei Schüler, die gerne das Reparieren lernen wollen, wurden Experten zugeteilt, denen sie zur Hand gehen. Trotzdem unterschreibt jeder Kunde des Repair-Cafés mit der Anmeldung seines Gegenstands auch einen Haftungsausschluss.

Auch Ricky Haubenreich muss die Reparatur abbrechen. Er hat mittlerweile auch das zweite Weidezaungerät untersucht, das Tanja Kuhn mitgebracht hat. „Die Reparatur hat leider nur in Teilen geklappt. Die Elektronik ist zu stark beschädigt. Wir haben einmal einen Feuchtigkeitsschaden und einmal einen Elektronikschaden“, erklärt er. Er rät Kuhn, die Geräte trotzdem aufzuheben – als Ersatzteillager, falls noch eines kaputtgeht.

Weitere Informationen zum Repair-Café Schweinfurt sowie zu den nächsten Terminen gibt es im Internet unter www.repaircafe-sw.jimdo.com. Unter www.repaircafe.org oder www.reparatur-initiativen.de kann man deutschlandweit nach weiteren Repair-Cafés suchen. So organisiert beispielsweise der BUND Naturschutz Repair-Cafés in Karlstadt, Lohr und Marktheidenfeld. In Unterfranken gibt es weitere Repair-Cafés unter anderem in Aschaffenburg, Obernburg, Veitshöchheim und Würzburg.

sti (POW)

(4416/1192; E-Mail voraus)

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