Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Eine menschenverachtende Strategie“

Akademienachmittag „Recht & Rechtlosigkeit in Amazonien“ – Bischof Kräutler berichtet von Zwangsumsiedlungen und der Zerstörung des Regenwalds – Podiumsteilnehmer hoffen auf weltweite Unterstützung für Menschen in Brasilien

Würzburg (POW) Als „Dolchstoß in das Herz einer Kultur“ hat Bischof Erwin Kräutler aus dem brasilianischen Bistum Xingu die Zwangsumsiedlung der indigenen Völker in Amazonien für den Bau von Wasserkraftwerken bezeichnet. Vor über 200 Zuhörern sprach er beim Akademienachmittag „Recht & Rechtlosigkeit in Amazonien“ am Freitag, 12. Februar, im Würzburger Burkardushaus über die Situation der Menschen am Amazonas. Brasilien ist das Beispielland der 58. Misereor-Fastenaktion, die am Sonntag, 14. Februar, um 11 Uhr mit einem Gottesdienst im Kiliansdom bundesweit eröffnet wird. Sie steht unter dem Leitwort „Das Recht ströme wie Wasser“. In Workshops informierten sich die Teilnehmer über Misereor-Projekte in Brasilien und die Lage der Landbevölkerung im Bistum Óbidos. Bei einer Podiumsdiskussion formulierten Gäste aus Brasilien ihre Wünsche und Hoffnungen an die Fastenaktion.

Eine Familie von Kleinbauern wird mit dem Revolver bedroht, zwei junge Mädchen entführt, Indios kaltblütig erschossen, im Hintergrund ist das Kreischen einer Motorsäge zu hören. Dann eine Stimme: „Und was sagst Du dazu?“ Vor vielen Jahren seien diese Szenen bei einer Versammlung in Xingu vorgespielt worden, erzählte Bischof Kräutler in seinem Impulsreferat. „Und diese Frage stellen wir uns auch heute.“ Anhand von zwei Beispielen erklärte er, was Recht und Rechtlosigkeit in Brasilien bedeuten. Vor dem Bau des Wasserkraftwerks „Belo Monte“ etwa habe man den Menschen Reichtum und Fortschritt versprochen. „Kein Mensch sprach von Zwangsumsiedlungen, von den vielen Quadratmetern tropischen Regenwalds, die zum Opfer fallen. Sie haben die Leute einfach herausgerissen und in ganz kleine Wohnungen gepfercht.“ Doch für die traditionelle Gastfreundschaft der Indios sei darin kein Platz mehr. „Das ist ein Dolchstoß in das Herz einer Kultur.“ Er hoffe, dass am Rio Tapajós, wo ebenfalls ein Staudamm geplant sei, nicht das Gleiche passiere. „Wir hoffen, dass unser Einsatz hinüberschwappt und den Menschen hilft, nicht darauf hereinzufallen, wenn man ihnen das Blaue vom Himmel verspricht.“

Die Rechte der indigenen Völker seien 1988 in der Verfassung festgeschrieben worden, fuhr Bischof Kräutler fort. „Doch im gleichen Atemzug ging der Kampf gegen diese Rechte los.“ Bis heute sei nicht einmal die Hälfte der indigenen Gebiete abgegrenzt, obwohl dies innerhalb von fünf Jahren hätte geschehen sollen. Im Kongress kämen für die Demarkierungen keine Mehrheiten zustande. „Das öffnet Türen und Tore für Eindringlinge wie Viehzüchter oder Bergwerksfirmen“, sagte Bischof Kräutler und sprach von einer „menschenverachtenden Strategie“. Indem man Organisationen wie Misereor unterstütze, könne man den Menschen in Brasilien helfen, appellierte er an die Zuhörer.

Bei der Podiumsdiskussion erzählten die Gäste aus Brasilien, welche Hoffnungen sie mit der diesjährigen Misereor-Fastenaktion verbinden. Es gebe eine starke Propaganda gegen die Gegner der Wasserkraftwerke, sagte Bischof Wilmar Santin aus dem brasilianischen Bistum Itaituba. „Man sagt, sie seien gegen den Fortschritt. Ich wünsche mir, dass die Unterschriftenaktion ,Nein zum Staudamm am Tapajós‘ möglichst erfolgreich sein möge.“ Die Rolle der Kirchen in der Gesellschaft müsse überdacht werden, sagte Pfarrerin Romi Márcia Bencke, Generalsekretärin des Nationalen Rats christlicher Kirchen in Brasilien. „Wir haben es in Brasilien mit starken Lobbys und einer starken Agrarindustrie zu tun. Ich möchte, dass wir gemeinsam für die Verteidigung unseres gemeinsamen Hauses arbeiten können.“

Die Abholzung des Regenwalds in Amazonien sei ein großes Problem, sagte Bischof Bernardo Johannes Bahlmann aus dem Partnerbistum Óbidos. Auch zertifiziertes Tropenholz sei oft illegal eingeschlagen worden. Er forderte deshalb eine „Änderung unserer Mentalität“ und auch des Konsumverhaltens. Mit der Fastenaktion wolle man die weltweiten Zusammenhänge deutlich machen, sagte Misereor-Hauptgeschäftsführer Monsignore Pirmin Spiegel. „Wir können die großen Herausforderungen nicht alleine anpacken.“ 80 Prozent aller Menschen auf der Welt seien religiös. „Die Kirchen haben ein großes Potenzial, um einen Beitrag für eine andere Welt zu leisten.“

„Wir schaffen das!“, rief Bischof Kräutler spontan aus. „Aber wir brauchen Unterstützung für die Organisationen, die sich für die Rechte dieser Menschen einsetzen.“ Wer sich für die Rechte der indigenen Völker und der Kleinbauern einsetze, werde mit Prozessen überzogen oder ermordet, so wie die Ordensfrau Schwester Dorothy Stang, die im Jahr 2005 auf offener Straße erschossen wurde. „Wir möchten weitermachen, aber wir können das nicht aus eigener Kraft.“

Zum Abschluss des Akademienachmittags spielte Denise Benda (Klavier) Stücke des brasilianischen Komponisten Heitor Villa-Lobos.

sti (POW)

(0716/0195; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet