Höchberg/Theilheim (POW) Man kann in der Schule den katholischen Religionsunterricht besuchen, katholische Religion als Abiturfach wählen, anschließend katholische Religionslehre studieren – und trotzdem nicht getauft sein. „Ich muss oft erst einmal erklären, dass das kein Scherz ist“, sagt Winnie-Lotta Weghaus (20). Sie ist eine von insgesamt 18 Erwachsenen aus dem Bistum Würzburg, die in diesem Jahr von Weihbischof Ulrich Boom die Zulassung zu Taufe, Firmung und Eucharistie erhalten haben. Auch Stephanie Wagner (28) aus Theilheim will sich taufen lassen. „Geglaubt habe ich schon immer“, sagt sie. Der Glaube half ihr auch über mehrere Schicksalsschläge hinweg. Doch dass sie keiner Kirche angehört, erfuhr sie erst, als sie heiraten wollte.
Aufgewachsen ist Winnie-Lotta Weghaus, die derzeit in Höchberg wohnt, in Waldbüttelbrunn. Ihre Eltern sind katholisch. „In der Hoffnung und im Glauben, dass mich die Kirche selbst überzeugt, wollten sie mir die Entscheidung selbst überlassen und warten, was ich selbst will“, erklärt die 20-Jährige. Rückblickend könnte man sagen, dass sie sich eigentlich schon entschieden hatte. Bereits in der Grundschule nahm sie freiwillig am katholischen Religionsunterricht teil. „Auf dem Gymnasium wollte ich weiterhin den katholischen Religionsunterricht besuchen“, erzählt sie. Auch wenn dafür erst einmal Anträge unterschrieben werden mussten, denn offiziell gehörte sie ja keiner Konfession an. „Ich hatte richtig gute Lehrer und habe angefangen, mich zu interessieren und zu informieren“, sagt sie rückblickend. Sie las Bücher, recherchierte im Internet, führte lange Gespräche – unter anderem mit ihrer Großmutter. Beeindruckt war sie auch von ihrer Religionslehrerin in der Oberstufe. „Sie hat die richtigen Fragen gestellt und uns die Antworten selbst finden lassen. Außerdem wurden wir mit anderen Sichtweisen konfrontiert.“ Weghaus legte ihre Abiturprüfung in katholischer Religionslehre ab.
Den Gedanken, sich taufen zu lassen, habe sie immer wieder gehabt. „Aber ich hatte keine Vorstellung, wie das geht.“ Allerdings wusste sie inzwischen schon, was sie werden wollte: Gymnasiallehrerin für Religion und Sport. Sie bat ihren ehemaligen Religionslehrer in der Grundschule, Schulrat i. K. Jürgen Engel, um Unterstützung. Er verwies sie an Pastoralreferent Hermann Nickel, zugleich Mentor für künftige Religionslehrer, der einen Kurs für Taufbewerber anbot. Zunächst allein, später gemeinsam mit einem weiteren Taufbewerber, befasste sie sich intensiv mit dem katholischen Glauben. „Wir haben alle Fragen von Grund auf diskutiert, zum Beispiel was ein Sakrament ist, wie man dazu stehen kann und sehr vieles mehr. Wir haben gemeinsam Gottesdienste besucht.“ Dabei lernte sie unter anderem die Augustiner kennen. „Das war ganz anders, als ich es gekannt habe“, sagt Winnie-Lotta Weghaus. „Das war eine zeitgemäße und ganz offene Form des Miteinanders. Man ist mit dabei in der Gemeinde und nicht alleine.“ Auch die Predigten seien ansprechend. „Sie sind auf das Leben abgestimmt, man kann etwas mitnehmen“, findet sie.
Rückblickend haben ihre Eltern wohl das Richtige getan, als sie Weghaus die Entscheidung selbst überließen und ihr die Welt des Glaubens ganz offen anboten. „Viele gehen als Kind am Sonntag in die Kirche und verstehen nichts. Viele, deren Eltern sehr streng waren, haben sich komplett gegen die Kirche entschieden“, hat sie beobachtet. „Bei mir war alles auf freiwilliger Basis und ich habe es selbst entdeckt. Meine Eltern haben sich sehr über meine Entscheidung gefreut.“
Wenn Weghaus sich in der Osternacht in der Augustinerkirche taufen lässt, werden Jürgen Engel, ihr Religionslehrer aus Kindertagen, sowie ihr Onkel ihre Taufpaten sein. „Es ist ein sehr persönlicher Weg und eine Überraschung“, sagt Engel über ihre Entscheidung. „Die Taufe ist nicht nur eine Eintrittskarte in den Gottesdienst. Das andere ist, zu wissen, dass ich auf dieser Welt niemals allein sein werde und Gott immer für mich da ist. Und es geht auch etwas von Gott aus in der Taufe: eine neue Sichtweise auf mein Leben, ein neuer Grund zum Leben.“
Niemals allein sein – das ist genau die Erfahrung, die Stephanie Wagner (28) aus Theilheim in den schweren Stunden ihres Lebens gemacht hat. „Geglaubt habe ich schon immer“, sagt sie rückblickend. Stephanie Wagner stammt aus Ostdeutschland. Als Kind habe sie von ihrer Mutter und ihrer Großmutter das Beten und die Grundlagen des Glaubens gelernt, erzählt sie. Und wuchs mit der Überzeugung auf, dass sie evangelisch getauft sei. Dann zog die Familie nach Westdeutschland, in ein überwiegend katholisches Dorf. Anfangs habe sie sich schon ein bisschen als Außenseiter gefühlt. Doch die Traditionen und Riten – wie Christmette, die Sternsinger, die Fronleichnamsprozessionen – faszinierten die junge Frau. „In der evangelischen Kirche wird das so nicht praktiziert.“
Dann trafen die Familie mehrere Schicksalsschläge. „Kurz hintereinander starben erst meine Mutter und dann mein Stiefvater“, sagt Wagner. Nun war sie mit ihren zwei jüngeren Brüdern auf sich gestellt. „Ich habe in dieser Zeit viel nachgedacht, sehr viel gebetet, die Frage nach dem Warum gestellt“, erinnert sie sich. „Aber ich habe mich nie alleine gefühlt. Immer wieder wurde am Ende des Tunnels ein Licht aufgezeigt.“ Sie lernte ihren zukünftigen Mann kennen. Beide wollen kirchlich heiraten. Doch als Wagner nach den entsprechenden Papieren suchte, erwartete sie eine Überraschung: In Wirklichkeit war sie überhaupt nicht getauft. „Ich war zunächst enttäuscht. Aber dann dachte ich mir: Dann fange ich halt komplett neu an.“
Sie begann, sich über die Taufe zu informieren, und entschied sich für die katholische Kirche. „Die Vorbereitung, die Einführungsgottesdienste, die strengen Regeln – gerade das alles macht den Glauben glaubenswert“, erklärt sie. „Dass man nicht so einfach hineinkommt.“ Bei ihren Recherchen hatte sie erfahren, dass man „einen Weg bestreiten muss und das Glauben lernt“. Da sie nicht wusste, an wen man sich für die Vorbereitung auf die Taufe wendet, schrieb sie kurzerhand an das Bischöfliche Ordinariat und bat um Rat. Dort wurde sie an Regens Monsignore Herbert Baumann verwiesen. „Er hat das wirklich klasse gemacht“, lobt sie die wöchentlichen Glaubensgespräche. „Man kann mit ihm auch kritische Fragen diskutieren. Zum Beispiel, warum Priester immer Männer sind.“ Sie sei dankbar, dass sie diesen Weg gehen durfte. „Man sieht auch, wie man mit den Gesprächen gewachsen ist.“ Von Baumann will sie sich auch in der Osternacht in Theilheim taufen lassen, ihr zukünftiger Mann wird ihr Pate sein.
Freunde und Familie hätten überwiegend positiv auf ihre Entscheidung reagiert. „Meine Schwiegereltern freuen sich sehr“, erzählt sie. Auch ihre Gemeinde habe sie offen empfangen. Eine Frau habe gesagt: „Schön, dass junge Menschen wieder in die Kirche gehen.“
Aktuelles Lexikon: Katechumenat
Der Glaubensunterricht, das Katechumenat („katechein“ ist das griechische Wort für entgegentönen, unterrichten), bereitet Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene auf die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft vor. Zunächst stellen Bürgen der Gemeinde die erwachsenen Taufbewerber vor. Diese werden in einer ersten Feier in den Katechumenat aufgenommen. Ab diesem Zeitpunkt dauert es normalerweise ein Jahr, bis – meist in der Feier der Osternacht – die Katechumenen die Sakramente Taufe, Firmung und Eucharistie empfangen und offiziell als Christen in die Kirche aufgenommen werden. Katecheten tragen Verantwortung für den Glaubensunterricht, der eng an die Feier des Kirchenjahres angelegt ist. Haben sich die Bewerber für die Taufe entschieden, werden sie am Beginn der Österlichen Bußzeit feierlich vom Bischof oder seinem Vertreter zugelassen. Mit diesem Ritus beginnt die letzte, besonders intensive Zeit der Vorbereitung. In ihr können die feierliche Übergabe des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers stattfinden. Lebenserfahrungen werden im Gespräch mit dem Glauben in Verbindung gebracht. So soll der Glauben mit allen Sinnen erlernt und erfahren werden – ausgerichtet an der Liturgie und am Leben. Die Feier des Christwerdens in der Osternacht, also die Feier von Taufe, Firmung und Eucharistie, bildet den Höhepunkt und Abschluss des Katechumenats. Sie leitet gleichzeitig zur Phase der Vertiefung über, die für den gläubigen Christen ein Leben lang dauert.
sti (POW)
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