Würzburg (POW) Die große Weltreise, ein Jahr lang quer über die Kontinente: Was für viele auf der To-do-Liste für den Ruhestand steht, hat Caroline Bauernfeind (35), seit 2018 Verwaltungsleiterin der Würzburger Dommusik, mitten im Arbeitsleben gemeinsam mit ihrem Mann Julian Oswald (40) verwirklicht. Ermöglicht hat ihr das ein Sabbatjahr ihres Arbeitgebers, des Bistums Würzburg. „Die Idee kam uns bereits 2022. Ich habe daraufhin die Mitarbeitervertretung (MAV) angefragt, ob und wie ein solches Sabbatical möglich ist“, erzählt Bauernfeind. Auch ihr damaliger Vorgesetzter, Domkapellmeister Christian Schmid, und sein Nachfolger Domkapellmeister Alexander Rüth hätten ihr Ansinnen unterstützt. Daraufhin sei alles recht schnell gegangen. Die zwei Jahre vor dem Sabbatjahr erhielt Bauernfeind monatlich jeweils zwei Drittel ihres regulären Gehalts, um dann in dem freien Jahr weiterhin in ebenfalls Zwei-Drittel-Höhe ihr Einkommen auch ohne Arbeit zu beziehen.
Zu Beginn des zurückliegenden Schuljahrs ging es dann los. „Das passte gut, da mein Mann in Pfaffenhofen an der Ilm als Musiklehrer tätig ist und bei der Dommusik mit ihren beiden großen Jugendchören Mädchenkantorei und Domsingknaben auch vieles parallel zum Schuljahr geschieht.“ Auf ihrer Reise wollten die zwei Musikbegeisterten vor allem andere Kulturen kennenlernen und landestypische Aktivitäten am besten auch selbst ausprobieren. Deshalb besuchten sie vor allem Länder, gegen die sie Vorurteile hegten oder deren Musikstile sie noch nicht kannten und besonders interessant fanden.
Erste Station war Kanada, das Bauernfeind und ihren Mann mit der vielfältigen Landschaft und den großen Weiten beeindruckte. Weiter ging es nach Texas. Die Großstadt Austin und die Menschen dort hätten sie – entgegen aller Klischees über den Südstaat – als sehr weltoffen erlebt. „Wir haben im Umland auf einer Farm gelebt und mitgearbeitet.“ Dieses Konzept – Arbeit gegen Kost und Logis und im Normalfall maximal einen Monat lang in einem Land bleiben – habe sich wie ein roter Faden durch die gesamte Reise gezogen. „So bekommt man am ehesten einen Eindruck, wie die normalen Menschen in einem Land leben, arbeiten und denken.“ Nächste Station war dann New Orleans. „Wir haben dort sehr viel Jazz gehört“, erinnert sich Bauernfeind.
Auf Hawaii halfen sie und ihr Mann bei der Gastfamilie, im großen Garten die üppige tropische Vegetation halbwegs im Zaum zu halten. „Mein Mann hat die Gelegenheit genutzt und sich zeigen lassen, wie man Pedal Steel Guitar spielt. Ich für meinen Teil habe gelernt, Hula zu tanzen.“
Begegnungen der besonderen Art hatte „Down Under“, Australien, zu bieten. Eine Farm im Outback, also im zentralen Binnenland des fünften Kontinents, bescherte nicht nur einen heißen Dezember und ein Weihnachtsfest bei 40 Grad im Schatten. „Unsere Gastgeber hatten uns instruiert, laut ‚Schlange‘ zu rufen, wenn wir eine entdecken. Es werde dann schnell jemand kommen und uns helfen.“ In ihrem Fall sei auf den Ruf dann die Großmutter der Familie herbeigeeilt und habe dem giftigen Tier beherzt mit dem Spaten den Garaus gemacht. Insgesamt sei ihre Toleranz gegenüber allerlei Getier wie Kakerlaken, Spinnen oder Geckos durch vielfältige Begegnungen in den zwölf Monaten gestiegen, attestiert Bauernfeind. „Witzig fand ich ja die Frösche auf Hawaii, deren Ruf wie der des heimischen Kuckucks klingt.“
Im Hinterland von Kambodscha betätigte sich das Ehepaar als Englischlehrer. „Für die junge Generation dort ist die Fremdsprache Voraussetzung für ein wirtschaftlich aussichtsreicheres Leben im Ausland“, erzählt Bauernfeind. Die studierte Kulturwissenschaftlerin ist noch immer fasziniert, welche Fragen die Jugendlichen im Unterricht gestellt haben. „Wie ist das denn mit dem Ausziehen aus dem Elternhaus und dem alleine Wohnen? Wie lernt man in Deutschland denn einen Partner kennen?“ Eine eigene Wohnung könnten sich in dem südostasiatischen Land die Wenigsten leisten, und Ehen würden traditionell von den Eltern arrangiert.
Gesang habe Bauernfeind auch ohne die Dommusik das Jahr über immer begleitet. „Wir haben eigentlich immer mit den Menschen vor Ort gesungen. Mein Mann hatte seine Reisegitarre dabei. Mit anderen zu singen scheint wirklich etwas zu sein, was die Menschen aller Kulturen gerne machen.“
Über Raja Ampat, ein von Korallenriffs geprägtes Archipel, das zu Indonesien gehört, führte die Route weiter nach Brasilien. „Es ist ein Erlebnis, den Karneval in Rio einmal mitzufeiern.“ Bauernfeind erlernte zu diesem Zweck vor Ort, auf brasilianische Art Samba zu tanzen. Ihr Mann ließ sich im Sambatrommeln unterrichten. „Ein Bekannter hat uns auch durch die Favelas, die örtlichen Armensiedlungen, geführt. Wenn man bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beherzigt, beispielsweise das Handy nicht auf offener Straße zückt, ist das auch relativ gefahrlos möglich.“
Beim Aufenthalt in Kuwait war gerade der muslimische Fastenmonat Ramadan in vollem Gang. „Als wir irrtümlich tagsüber auf offener Straße etwas getrunken haben, hat uns die Polizei ermahnt, dass das nur in der Wohnung erlaubt ist.“ Wohl deswegen und auch der Hitze wegen sei das Leben erst nach Sonnenuntergang erwacht, weswegen die beiden Reisenden sich dem Rhythmus angepasst hätten. „Wir haben versucht, dann tagsüber zu schlafen.“ Unter anderem seien sie zum Fastenbrechen bei einer Familie in deren Zelt in der Wüste eingeladen worden, auf das Grundstück, wo die familieneigenen Kamele untergebracht sind.
Für einige Wochen gingen Bauernfeind und Oswald im Anschluss getrennte Wege: Sie absolvierte in Indien eine Yoga-Ausbildung, er unterrichtete für eine Musikstiftung in Uganda Kinder in Klavier und Gitarre. Gemeinsam bereisten sie in Folge die zentralasiatischen „-stan“-Staaten Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Kasachstan. „Auch in diesen Ländern haben wir uns mit Englischunterricht verdingt. Die Mehrheit der Menschen spricht als Fremdsprache, wenn überhaupt, Russisch, wohl als Erbe aus Sowjetzeiten.“ Sie verbinde mit den bereisten vier Ländern nicht zuletzt großartige historische Bauwerke, zum Beispiel in Samarkand.
Letzte Station der Weltreise war die Mongolei. „Wir haben tatsächlich in einer Jurte gewohnt und von unserer Gastfamilie auch vergorene Stutenmilch angeboten bekommen.“ Letztere sei nicht unbedingt ihr Geschmack. Bei einem Fest habe es spannende Wettbewerbe im Reiten, Ringen mongolischer Art und im Bogenschießen zu bewundern gegeben. „Ich habe dann gefragt, ob man das Bogenschießen auch als Ausländer erlernen kann.“ Das Ergebnis: Die beiden Deutschen wurden in ein Camp eingeladen, im traditionellen Reiten im Stehen und im Bogenschießen vom Pferd aus unterrichtet.
Ende Juli trat Bauernfeind mit ihrem Mann von der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator aus die Rückreise nach Deutschland an. Am Ende des Sabbatjahres habe sich eine Sehnsucht nach Würzburg und der Arbeit in der Dommusik eingestellt. „Das war für mich ein sehr gutes Zeichen. Da habe ich gemerkt, dass ich bei der Dommusik am richtigen Platz bin und ich dort etwas Sinnvolles bewirken kann.“ Nach allem, was sie und ihr Mann gesehen und erlebt haben, seien sie zufrieden und mit einem guten Gefühl zurückgekehrt. Ob es in einigen Jahren eine zweite Weltreise geben wird? „Das kann ich mir gut vorstellen. Es gibt noch viele spannende Kulturen, die wir gerne kennenlernen würden“, sagt Bauernfeind.
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