Würzburg (POW) Für eine Fortsetzung der Ökumene auf der Basis der 1999 unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre haben sich Vertreter christlicher Kirchen bei einem Podiumsgespräch der Gemeinschaft Sant’Egidio am Mittwochabend, 24. Januar, in Würzburg ausgesprochen. Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele rief besonders dazu auf, im ökumenischen Dialog Missverständnisse und Missdeutungen auszuräumen, die speziell in Deutschland verbreitet seien. „Alle Christen können dazu beitragen, das Misstrauen abzubauen.“
Das ökumenische Gespräch im Sankt Burkardushaus fand im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen statt und stellte sich der Frage: „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung: Wie geht es weiter?“ Neben Bischof Scheele referierten Professor Dr. André Birmelé, Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät Straßburg, und Professor Dr. Manfred Marquardt, langjähriger Direktor des Methodistisch-Theologischen Seminars in Reutlingen. Alle Referenten würdigten die durch die Katholische Kirche und den Lutherischen Weltbund unterzeichnete Gemeinsame Erklärung mit den Worten von Papst Johannes Paul II. als Meilenstein in der Ökumene, auf dem der weitere theologische Dialog aufbauen müsse. Birmelé betonte, die Gemeinsame Erklärung sei „ein solides Fundament, auf dem wir an die Fragen zur Gestalt der Kirche herangehen können“. Marquardt appellierte, nicht zuerst darauf zu schauen, was noch zur sichtbaren Einheit der Kirchen fehle, sondern darauf, was die Kirchen schon verbinde und trage – gerade auch in Konfliktsituationen.
Als Frucht eines jahrzehntelangen, weithin gemeinsamen Bemühens wertete Bischof Scheele die Gemeinsame Erklärung. Wie es danach weitergehe, hänge von allen Christen ab. Nachdem die kirchenamtliche Rezeption erfolgt sei, müsse es zur Rezeption durch das ganze Gottesvolk kommen. Wenn die Glaubenswahrheit nicht in den Herzen lebe, verspielten die Christen eine einzigartige Chance. „Wenn alles Gnade ist, dann kommt alles darauf an, dass wir uns der Gnade Gottes öffnen und von ihr bewegen lassen.“ Das Gebet und das Hören auf Gottes Wort, die Verwirklichung des geistlichen Ökumenismus, seien die besten Voraussetzungen dafür, die weiteren Aufgaben anzugehen, die mit der Rechtfertigungserklärung verbunden seien.
Als schmerzlich bezeichnete Bischof Scheele die Tatsache, dass es leider bis heute noch kein offizielles Votum der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zur Rechtfertigungserklärung gebe. Das wirke sich negativ aus. „Eine Folge davon ist, dass es auf deutscher Ebene eine allzu lange Pause im verbindlichen Dialog gegeben hat.“ International sei das anders. Noch in diesem Jahr werde das Ergebnis der vierten Phase des offiziellen Dialogs zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche veröffentlicht. Erfreulich und ermutigend sei, dass sich inzwischen die Methodistische Kirche der Gemeinsamen Erklärung in aller Form angeschlossen habe.
Die mit der Rechtfertigungserklärung erreichte Einheit auszugestalten, zu leben und zu stärken, forderte Marquardt. Die Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses der Rechtfertigung gelte es nicht nur in ökumenischen Kommissionen, sondern auch an Fakultäten, in Seminaren, im Religionsunterricht und in der Bildungsarbeit der Kirchen einzusetzen. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Feiern des Herrenmahls sollten die Kirchen weitergehen. „Wird uns das Leiden derer, die vor dem Tisch des Herrn getrennt werden, wichtiger sein als Lehrdifferenzen im Amts- und Sakramentsverständnis? Werden wir in Christus frei genug sein, der Gnade Gottes den Vortritt zu lassen, wenn es uns aufrichtig um die Gemeinschaft an seinem Tisch geht?“, fragte der methodistische Theologe.
Unüberwindbare Hürden auf dem Weg zur Verwirklichung der vollen Gemeinschaft lasse derjenige stehen, der die sichtbare Einheit so verstehe, dass alle Kirchen unter dem Jurisdiktionsprimat des Papstes vereint seien, sagte Marquardt. Unterschiedliche Arten der Spiritualität dürften nicht mit Misstrauen und Geringschätzung betrachtet, sondern in ihnen der Reichtum des Lebens aus dem Glauben wahrgenommen werden. „Das geistliche Leben ist bunter, als unsere konfessionell und kulturell konditionierte Farbenlehre es vorsieht.“
Nach den Worten des Straßburger evangelischen Theologen Birmelé geht es nach der Gemeinsamen Erklärung in den Kirchen nun „ans Eingemachte“. In der Rechtfertigungserklärung bestätigten sich die Kirchen nach 450 Jahren gegenseitig, dass auch die andere Kirche das Heil in Jesus Christus verkünde. Erstmals liege ein verbindliches Dokument zwischen Katholiken und reformatorischen Kirchen vor. Mit diesem großen ökumenischen Durchbruch machten die Kirchen deutlich, es gehe nicht um Uniformität, sondern um einen differenzierten Konsens. „Wir sind uns einig in Grundaussagen des Glaubens, drücken dies aber jeweils anders aus.“ Die entscheidende Frage an die Katholiken laute deshalb im aktuellen Klärungsprozess, ob sie nach der Rechtfertigungserklärung das Gleiche auch von der Gestalt der Kirche sagen könnten: „Kann man mit einem anderen Kirchenverständnis auch Kirche Christi sein?“ Bei der evangelischen Kirche stelle sich die Frage nach der Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und die Katholizität zu entdecken.
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