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Endlich eine eigene Dusche

Housing-First-Projekt „NOAH“ der Christophorus-Gesellschaft vermittelt Obdachlose dauerhaft in Wohnraum – Im ersten Jahr sechs Menschen geholfen

Würzburg (POW) Wohnungslose Menschen haben in der Regel ein hartes Schicksal hinter sich. Doch eine Wohnung zu haben ist die Grundvoraussetzung für den Ausstieg aus einem prekären Leben. Ohne feste Adresse findet man kaum Arbeit und es ist fast unmöglich, ein soziales Netz aufzubauen. In Würzburg gibt es seit einem Jahr das Housing-First-Projekt „NOAH“ der Christophorus-Gesellschaft Würzburg. Geleitet wird es von dem Sozialpädagogen Jan Bläsing. 81 Männer und Frauen fragten bisher an, ob sie aufgenommen werden könnten. 17 wurden inzwischen in das Projekt aufgenommen und aktiv betreut. Betreuung heiße, dass man Vertrauen aufbaue und Unterlagen vorbereite, erklärt Bläsing. „Das Vorbereiten der Unterlagen umfasst beispielsweise die Beantragung von Ausweisdokumenten, das Andocken unserer Teilnehmer an das Sozialleistungssystem und vieles mehr.“ In sechs Fällen gelang die Vermittlung in Wohnraum. Das sei angesichts der Wohnungsnot beachtlich, schreibt die Christophorus-Gesellschaft in einer Pressemitteilung.

Bei Petra S. (57) zum Beispiel waren Drogen der Grund, warum die gelernte Bürokauffrau in jungen Jahren ins Gefängnis kam und danach beruflich nicht mehr richtig Fuß fasste. Ein Jahr habe sie unter katastrophalen Bedingungen als einzige Frau mit einem Dutzend Männern in einer Obdachlosenunterkunft gelebt. „Ich hatte keine eigene Dusche, keine eigene Toilette, keine Küche“, erzählt sie. Oft habe sie sich nicht aus dem Zimmer getraut, weil sie sexuelle Übergriffe befürchtete. An Weihnachten wendete sich für die Würzburgerin das Blatt. Durch „NOAH“ kam sie wieder zu eigenen vier Wänden. Die Alleinerziehende wohnt nun zum allerersten Mal mit ihrem 17-jährigen Sohn zusammen, der bislang in Wohngruppen betreut wurde. „Ich sah ihn immer nur an jedem zweiten Wochenende und in den Ferien.“ Jeden Tag genieße sie es, zu duschen: „In der Obdachlosenunterkunft hatte ich zum Schluss nur noch zweimal in der Woche geduscht, weil die Duschen derart eklig waren.“ Ihr Sohn ist überglücklich, dass sie nun auch eine eigene Küche haben.

Trotzdem gibt es nach wie vor viele Dinge, die Petra S. runterziehen können. „Damit, dass ich eine Wohnung habe, ist ja nicht alles vorbei. Ich werde durch ,NOAH‘ weiterbetreut“, berichtet sie. Wann immer sie ein Problem oder Redebedarf habe, werde sie von Bläsing und seinen Kollegen unterstützt: „Ich kann mich völlig darauf verlassen.“ Bläsing kennt Dutzende Menschen, die ähnlich schlimme Erfahrungen mit Haft, Arbeits- und Obdachlosigkeit hinter sich haben.

Allein bei der Würzburger Kronprinz-Rupprecht-von-Bayern-Stiftung rufen durchschnittlich zwei- bis dreimal in der Woche Menschen an, die dringend eine Wohnung benötigen, berichtet Marlene Schmidt von der Vermietungsabteilung. In vielen Fällen handele es sich um Flüchtlinge. Mindestens einmal wöchentlich erreiche die Wohnungsbaugenossenschaft ein „Hilferuf“ aus der einheimischen Bevölkerung. „Wir würden gerne jedem helfen, der eine Wohnung sucht, doch wir können das einfach nicht“, sagt sie. Als die Stiftung im Herbst 2023 erstmal von „NOAH“ erfuhr, sei man ohne zu zögern bereit gewesen, zu kooperieren. In Kürze erhalte ein „NOAH“-Klient, der 13 Jahre lang wohnungslos war, Wohnraum über die Stiftung. „Der Mann hatte sogar gearbeitet, obwohl er auf der Straße lebte“, berichtet Bläsing. Doch der Mann musste mit psychischen Problemen und sozialer Isolation fertig werden. Nun habe er endlich eine Chance, „im Leben anzukommen“ und einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Der Ansatz „Housing First“ setze sich bundesweit immer stärker durch. Allerdings sei es aufgrund des schwierigen Wohnungsmarkts keineswegs einfach, diese Idee in die Praxis umzusetzen. Es brauche Vermieter wie die Kronprinz-Rupprecht-von-Bayern-Stiftung, die begreifen, dass Wohnungslose die vielen Probleme, die sie haben – angefangen von Krankheiten über Drogensucht bis hin zu Schulden –, erst dann anpacken können, wenn sie eigene vier Wände haben. „Das ist zentral für jede Veränderung“, betont Bläsing.

(1724/0427; E-Mail voraus)

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