Würzburg (POW) Anlässlich des Europäischen Jahrs zum Freiwilligen Engagement hat die ökumenische Telefonseelsorge die Studie „Engagement und Zufriedenheit bei den ehrenamtlich Mitarbeitenden der TelefonSeelsorge in Deutschland“ veröffentlicht. In der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mitfinanzierten Studie wurden ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Telefonseelsorge zu ihrer Arbeit befragt. In folgendem Interview spricht Ruth Belzner, Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg sowie Vorsitzende der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür, über Ergebnisse der Studie und den Folgerungen daraus.
POW: Die ökumenische Telefonseelsorge hat eine neue Studie zum ehrenamtlichen Engagement in der Telefonseelsorge vorgestellt. Worum geht es in dieser Studie?
Ruth Belzner: In dieser Studie war es uns vor allem wichtig, über die Motivation zur Mitarbeit, über die grundsätzliche Werteorientierung, über das Ausmaß der Zufriedenheit in ihrer Mitarbeit und vor allem die Gründe für Zufriedenheit oder Unzufriedenheit möglichst breite Erkenntnisse zu gewinnen. 2145 Ehrenamtliche wurden befragt – das sind etwa 25 Prozent aller aktiven Ehrenamtlichen, die in den 105 Stellen der Telefonseelsorge in Deutschland tätig sind. In diesem Zusammenhang konnten wir auch stellenübergreifende Aussagen über Alter, berufliche Qualifikation und bisherige Dauer der Mitarbeit machen. Dieses Wissen ist durchaus relevant, da die ausgebildeten Ehrenamtlichen das „Kerngeschäft“, nämlich den Dienst am Telefon, übernehmen und insofern prägend für die Telefonseelsorge sind.
POW: Welche wichtigen Ergebnisse ergab die Studie?
Belzner: Ehrenamtliche in der Telefonseelsorge sind formal überdurchschnittlich hoch gebildet, ihr Altersdurchschnitt ist höher, Männer sind mit 20 bis 25 Prozent deutlich in der Minderheit. Und die meisten Mitarbeitenden leben in sozial und ökonomisch sehr stabilen Verhältnissen – bisher zumindest. Vor Ort beobachten wir, dass zunehmend mehr Mitarbeitende familiäre Umbrüche, schwere Erkrankungen und vor allem Arbeitsplatzverlust und finanzielle Sorgen auch selber erleben oder erlebt haben. Eigene Krisenerfahrungen werden bei 69 Prozent der Befragten auch als ein Anstoß für die Mitarbeit bei der Telefonseelsorge genannt.
POW: Welche Motivation haben Ehrenamtliche?
Belzner: Die Motivation zur längerfristigen Mitarbeit ist vielfältig, sie reicht von der Qualifizierung, die auch im Beruf nützt, und wertvollen Erfahrungsgewinn über das Anliegen, anderen zu helfen, bis hin zur Mitarbeit als Teil der eigenen religiösen Überzeugung und dem Bedürfnis, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Besonderes Gewicht hat die Tatsache, dass Mitarbeitende in der Telefonseelsorge eine verantwortungsvolle, sinnvolle, herausfordernde Arbeit tun, in der es auf sie ankommt und die auch Freude macht. Mitarbeitende sehen für ihre Zufriedenheit vor allem vielfältige, gute Aus- und Fortbildungsangebote und regelmäßige Supervision als wichtig. Und sie erwarten, dass es Hauptamtliche gibt, die für diese Qualität sorgen und als Ansprechpartner zuverlässig zur Verfügung stehen.
POW: Welche Folgerungen ziehen Sie aus den Ergebnissen?
Belzner: Interessant war, dass die Ehrenamtlichen durchaus auch Erwartungen an die Politik formulieren: Anerkennung der Tätigkeit bei der Rentenberechnung, steuerliche Vergünstigungen und „Ehrenamtscards“ werden jeweils von mehr als der Hälfte der Befragten als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ genannt. Im Blick auf die zumeist kirchlichen Träger und auf kommunale Zuschussgeber ist zu sagen: ausreichend Ressourcen, das heißt hauptamtliche Fachkräfte, die Mittel für Fortbildungen und Supervision, dazu eine gute räumliche und technische Ausstattung der Dienststelle, das trägt nicht nur zur Zufriedenheit der Ehrenamtlichen, sondern vor allem zur Qualität der Arbeit bei.
POW: Ist es schwieriger geworden, Ehrenamtliche für die Telefonseelsorge zu gewinnen?
Belzner: Das scheint regional sehr unterschiedlich, aber insgesamt ist natürlich sowohl der Wettbewerb der Einrichtungen um Ehrenamtliche größer geworden, als auch der Bedarf der Telefonseelsorge-Stellen an neuen Bewerberinnen und Bewerbern, da die Dauer der Mitarbeit sinkend ist. Dass Ehrenamtliche mehr als zehn Jahre mitarbeiten – wie immerhin 40 Prozent der Befragten, bei einem Rekordwert von 54 Jahren Mitarbeit –, das wird eher die Ausnahme werden. Dennoch kann ich für Würzburg sagen, dass wir in den vergangenen Jahren ohne Schwierigkeit jeweils eine Ausbildungsgruppe zusammenstellen konnten, auch mit einer sorgfältigen Auswahl im Vorfeld.
POW: Wie viele Menschen engagieren sich denn derzeit bundesweit und in Unterfranken in der Telefonseelsorge?
Belzner: Bundesweit engagieren sich derzeit etwa 8500 Menschen ehrenamtlich, in Unterfranken, also in Aschaffenburg und Würzburg, sind es etwa 150, dazu kommen derzeit 25 Menschen, die gerade in der Ausbildung sind.
POW: Warum ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, sich in der Telefonseelsorge ehrenamtlich zu engagieren?
Belzner: Sinnvoll ist es vor allem all der Menschen wegen, die die Telefonseelsorge in einer Krisensituation oder in dauerhaft schwierigen Lebenssituationen als Ansprechpartner brauchen. Nur das hohe ehrenamtliche Engagement macht es möglich, dass Menschen in Not rund um die Uhr anrufen können. Etwa zwei Millionen Anrufe haben Mitarbeitende der Telefonseelsorge in Deutschland im vergangenen Jahr entgegengenommen. Sinnvoll ist es aber auch für die Mitarbeitenden: Sie bekommen eine Ausbildung, die Selbsterfahrung, Gesprächsführung und psychosoziales Grundwissen umfasst. Sie leisten eigenständig einen verantwortungsvollen Dienst am Telefon und werden in diesem Dienst begleitet. Sie kommen in der Ausbildung und Supervision in Kontakt mit anderen Menschen, die sie im Alltag nie so intensiv kennenlernen würden – das erweitert die eigenen Erfahrungen und es entstehen auch enge Freundschaften. Und die Mitarbeitenden hören und erleben immer wieder in den Gesprächen am Telefon, wie gut es ist, dass sie da sind. Und als hauptamtliche Leiterin einer Telefonseelsorge erlebe ich es auch für mich als einen großen Gewinn, mit so vielen, ganz unterschiedlichen, der gemeinsamen Aufgabe verpflichteten Menschen zusammenarbeiten zu dürfen.
Hinweis: Die Studie ist unter www.telefonseelsorge.de einsehbar.
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