Kloster Oberzell/Würzburg (POW) Zum Gedenken an Antonia Werr, Gründerin der Oberzeller Franziskanerinnen, feiert Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele am Samstag, 27. Januar, um 10.30 Uhr einen Gottesdienst in der Oberzeller Klosterkirche. Die gebürtige Würzburgerin starb vor genau 150 Jahren. Bis heute engagieren sich die Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu, wie die von Werr gegründete Gemeinschaft offiziell heißt, nach dem Vorbild ihrer Gründerin mutig und selbstbewusst für Frauen in Not.
Als Werr am 14. Dezember 1813 am Kürschnerhof 4 in Würzburg das Licht der Welt erblickt, ist es für die Familie zugleich ein Tag der Trauer: An diesem Tag wird ihr Vater beerdigt. Werr zieht später gemeinsam mit sieben Geschwistern und der Mutter in die Kettengasse um. Ihre Mutter verdient für sich und ihre acht Kinder ein Zubrot, indem sie reiche Studenten gegen Entgelt mit Essen versorgt. Antonia gilt als sehr hübsches Mädchen, weshalb sich einige junge Männer der Stadt – vergeblich – um sie bemühen. Einige Quellen beschreiben sie als sehr fromm. Zudem pflegt sie ihre kranke Mutter bis zu deren Tod 1841. Nicht exakt rekonstruieren lässt sich Werrs Lebensweg bis zu ihrem Eintritt ins Kloster der Schwestern vom Guten Hirten im belgischen Namur. Fest steht, dass sie 1845 ins dortige Kloster kommt und hernach ins Mutterhaus der Gemeinschaft nach Angers in Frankreich wechselt. Von Beginn an fühlt sie sich dort nicht wohl. Sie kommt wohl mit der französischen Mentalität nicht zurecht. So kehrt Werr 1846 nach schwerem innerem Ringen zurück nach Würzburg. Sie weiß, dass sie sich dem Klosterleben verschreiben möchte. Sie ist enttäuscht und wird zusehends trauriger. Sie ist zerrissen, wird gar depressiv, aber sie findet Trost im Glauben. Sie spürt, dass sie mit straffällig gewordenen Frauen arbeiten möchte. Wie ihr das gelingen soll, weiß sie nicht. Sie verfügt über kein Einkommen, fühlt sich alleine. In ihr keimt die Idee auf, selbst eine entsprechende Einrichtung ins Leben zu rufen.
Am 31. Juli 1848 legt Werr ihre privaten Gelübde vor ihrem Beichtvater ab, dem Franziskanerpater Franz Ehrenburg. Fortan lebt sie in Keuschheit, Gehorsam und Armut. Sie zieht in eine kleine Wohnung in der Franziskanergasse und verdingt sich mit kleineren Schreibarbeiten. Sie besucht Kranke und nimmt ein verstoßenes Mädchen bei sich auf, um ihm eine Ausbildung und bessere Zukunft zu ermöglichen. Ihr Hauptaugenmerk gilt fortan jedoch straffällig gewordenen jungen Frauen. Ihr großes Ziel ist es, ein Institut zu gründen, das sie zurück auf den rechten Weg bringt. Auf den Rat eines befreundeten Pfarrers hin tritt Antonia Werr mit Staatsrat Maximilian Freiherr von Pelkhoven aus München in Kontakt. Er ist ihr fortan Ratgeber, kollegialer Begleiter und Brieffreund. Die aufreibende Suche nach einem geeigneten Grundstück für ihre zu errichtende „Besserungsanstalt“ für straffällig gewordene junge Frauen beginnt. Nach schier end- und ergebnislosen Verhandlungen sowie zahlreichen Auseinandersetzungen mit Mitbewerbern um diverse Objekte kommt Werr zu der Einsicht, dass sie lieber klein beginnen sollte – mit einer Wohnung, in die sie zusammen mit drei Weggefährtinnen entsprechende Frauen aufnehmen möchte. Auch Pelkhoven rät ihr, diese Zeit für eine konzeptionelle Änderung ihrer Idee zu nutzen. Er schlägt vor, lieber das eigentliche Werk zu beginnen, statt sich weiter mit der Suche nach einem geeigneten Ort dafür aufzuhalten.
Auf dem Gutshof in Oberzell findet sie 1854, wonach sie so lange gesucht hat: ein Haus mit Garten, groß genug für acht bis zehn Personen und stadtnah. Während weitere Stolpersteine mit den Pachtherren aus dem Weg zu räumen sind, verfasst Werr – stets in Absprache mit von Pelkhoven – bereits die Statuten für ihren Orden und einen Spendenaufruf. Sie diskutiert mit ihm eine mögliche Kleiderordnung und wägt mit ihm das Für und Wider ab, fortan Schleier und eine blaue Kette mit Kreuz als Erkennungszeichen zu tragen. Ende 1854 sendet von Pelkhoven die fertigen Statuten der „katholischen Anstalt zur Besserung verwahrloster Personen des weiblichen Geschlechts“ an die Regierung und bittet, diese zu genehmigen und einen Spendenaufruf zu verbreiten. Zeitgleich erörtert Werr mit ihrem Brieffreund ihre Schriften über die Verehrung der Kindheit Jesu, die als Quelle der Spiritualität ihrer Gemeinschaft dienen soll. Es geht mit großen Schritten voran: Im Februar 1855 übernimmt Werr das einzugsbereite Schlösschen zur Miete. Mitte April folgen ihr die ersten vier Frauen, und im Mai nehmen sie die erste Klientin bei sich auf, ein 14‑jähriges Mädchen. An Pfingsten 1855 wird die Anstalt offiziell eröffnet. Werr und ihre Helferinnen werden eingekleidet. Fortan gibt es ständig neue Herausforderungen, die zu bewältigen sind: seien es die oft schlechte gesundheitliche Verfassung der Frauen oder deren disziplinarische Anpassungsschwierigkeiten. Nicht zuletzt kämpft Werr selbst mit gesundheitlichen Problemen.
In den Folgejahren kümmert sich Werr neben organisatorischen Fragen wie dem geeigneten Personal auch um die Neuordnung der Statuten und das Etablieren der Anstalt bis hin zu einem Orden. Ab 1857 sprechen die Quellen vom „Katholischen Jungfrauen-Verein der heiligen Kindheit Jesu zur Besserung verwahrloster Personen des weiblichen Geschlechts“. Werr sieht sich mehr und mehr unter Zugzwang, ihre Nachfolge und die Vermögensverwaltung zu regeln. Noch immer fließen öffentliche Gelder spärlich. Zwar erhält sie Spenden, gleichzeitig steigen die Kosten, da sie immer mehr Zulauf erhält. 1863 schließt sie sich dem Johanniszweigverein an. In seinen Briefen fordert von Pelkhoven Werr immer wieder auf, endlich ihre Ordensregel niederzuschreiben und damit für ein stabiles Fundament ihrer Arbeit zu sorgen – über ihren Tod hinaus. Sie wird körperlich immer schwächer, verschiebt es weiter und weiter. Schließlich legt sie doch im September 1863 ihre Profess auf den Dritten Orden ab, nachdem sie kurz zuvor eingekleidet worden war. Aus dem Briefwechsel mit von Pelkhoven geht hervor, dass Werr sehr hohe Ansprüche an sich selbst hat. Sie gilt als selbstbewusst und stark, pragmatisch und fleißig, mit einem wachen Geist, stets auf das Beste für die ihr Anvertrauten und ihr Haus bedacht. Wohl deshalb tut sie sich schwer, eine geeignete Nachfolgerin für ihr Lebenswerk zu etablieren. Aufgrund ihrer immer schlechteren Verfassung ermahnt ihr Brieffreund sie stets, sich darum zu kümmern.
Im Januar 1868 stirbt Werr, nachdem sie sich bei einer Mitschwester mit Typhus angesteckt hatte. Ihr Lebenswerk führt zunächst ihre Assistentin Angela Schmitt weiter. 1888 erhält der Verein die kirchliche Anerkennung. 1901 erwirbt die Schwesterngemeinschaft die Klostergebäude in Oberzell. 1936 wird die Kongregation zu einer Gemeinschaft päpstlichen Rechts erhoben. Die höchste Mitgliederzahl haben die Oberzeller Franziskanerinnen in den 1950er Jahren mit rund 1200 Schwestern. Derzeit gehören der Kongregation insgesamt 156 Mitglieder an: 126 Schwestern leben in Deutschland, 21 in Südafrika und neun in den USA.
ah (POW)
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