Speyer/Würzburg/Großwenkheim (IS/POW) Eine Ära geht in Speyer zu Ende: Über 23 Jahre war der aus Großwenkheim stammende Dr. Anton Schlembach Bischof von Speyer. In Schlembachs Amtszeit fielen Ereignisse, die ohne Zweifel zu den Glanzpunkten der Bistumsgeschichte zählen werden, an erster Stelle der Besuch von Papst Johannes Paul II. 1987 in Speyer und die Seligsprechung des Speyerer Diözesanpriesters Paul Josef Nardini am 22. Oktober 2006. Am Samstag, 10. Februar, wird sich der 95. Bischof von Speyer mit einem festlichen Gottesdienst um 10 Uhr im Speyerer Dom aus seinem Amt verabschieden – drei Tage nach seinem 75. Geburtstag, der im Kirchenrecht als Altersgrenze für Diözesanbischöfe festgeschrieben ist. Aus seinem Heimatbistum Würzburg werden Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele und Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand bei der Feier vertreten sein.
Es war für die Katholiken des Bistums Speyer eine echte Überraschung, als am 25. August 1983 der 51-jährige Generalvikar der Diözese Würzburg, Dr. Anton Schlembach, von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Speyer ernannt wurde. Für Schlembach, der sich tief in seiner fränkischen Heimat verwurzelt fühlt, bedeutete der Wechsel von Würzburg nach Speyer keine leichte Umstellung. Inzwischen aber hat der gebürtige Unterfranke nirgendwo so viel Lebenszeit verbracht wie in der Domstadt am Rhein. Dort hat er in 23 Jahren neue Wurzeln geschlagen. So ist für ihn auch nichts anders mehr denkbar, als seinen Ruhestand in Speyer zu verbringen – im Bistumshaus Sankt Ludwig mit Blick auf den Dom.
Bischof Schlembach stammt aus Großwenkheim, wo er am 7. Februar 1932 als ältestes von vier Kindern einer Landwirtsfamilie geboren wurde. Nach dem Studium in Würzburg und an der päpstlichen Universität Gregoriana empfing er am 10. Oktober 1956 in Rom die Priesterweihe, drei Jahre später promovierte er zum Doktor der Theologie. Im Bistum Würzburg wurde er im Anschluss an die Kaplansjahre mit einer Reihe verantwortungsvoller Aufgaben betraut: Jeweils drei Jahre war er Direktor des Studienseminars in Aschaffenburg und Regens des Priesterseminars in Würzburg. Fast zwölf Jahre erteilte er hauptamtlich Religionsunterricht am Gymnasium in Hammelburg, ehe er am 1. Juni 1981 zum Domkapitular und schon einen Monat später zum Generalvikar des Bistums Würzburg ernannt wurde. Am 25. August 1983 folgte die Ernennung zum Bischof von Speyer. Zwei Monate später, am 16. Oktober, weihte ihn sein Vorgänger, Erzbischof Friedrich Wetter, im Dom zu Speyer zum Bischof.
Dem Glaubensverlust und dem Rückgang der Kirchenbindung entgegenzuwirken, war von Anfang an das erklärte pastorale Ziel des Bischofs. Das drückte er schon durch die Wahl seines Leitspruchs „Gott ist das Heil“ aus. Ohne Gottesglaube, so seine Überzeugung, sind auch die Grundwerte und die Humanität einer Gesellschaft in Gefahr. Die weit verbreitete religiöse Gleichgültigkeit und der Werteverlust erfordern es seiner Meinung nach von den Christen unabdingbar, den Glauben und seine ethischen Konsequenzen offen und ohne Scheu zur Sprache zu bringen. Die Bemühungen um eine „Neuevangelisierung“ und eine Aktivierung der Gemeinden ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Amtszeit. Diesem Anliegen diente auch die Erarbeitung eines Pastoralplanes, der 1993 nach zweijährigem Diskussionsprozess in Kraft gesetzt wurde.
Die herausragendste Initiative zur Glaubenserneuerung in Schlembachs Amtszeit wurden die drei Vorbereitungsjahre auf das Christus-Jubiläum 2000. Sie sollte mehr Freude am Glauben und mehr christliches Engagement wecken. Im Silvestergottesdienst 1996 startete der Bischof die „Initiative 2000“, die im Heiligen Jahr in zahlreichen großen Feiern ihren Höhepunkt fand. Große Bedeutung im Hinblick auf eine kirchliche Erneuerung misst Schlembach modernen Glaubensvorbildern bei. So versuchte er von Beginn seiner Amtszeit an mit starkem persönlichem Engagement, Botschaft und Lebenszeugnis der heiligen Edith Stein lebendig zu halten, die neun Jahre in Speyer wirkte. Ihre Seligsprechung 1987 war ihm Anlass, den Papst nach Speyer einzuladen. Ihr 100. Geburtstag 1991 und ihre Heiligsprechung 1998 wurden im Bistum jeweils feierlich begangen. Überdies gab Schlembach den Anstoß zur Gründung einer deutschen Edith-Stein-Gesellschaft, die ihren Sitz in Speyer hat.
Doch mehr noch als mit Edith Stein wird der Name des Bischofs künftig wohl mit Paul Josef Nardini in Verbindung gebracht werden, der als erster Pfälzer am 22. Oktober 2006 im Speyerer Dom selig gesprochen wurde. Dass es zu diesem für das Bistum bislang einmaligen Ereignis kommen konnte, ist ganz wesentlich ihm zu verdanken. Der Bischof war auf Nardini erstmals 1987 aufmerksam geworden. Sofort war er von Leben und Wirken des Pfarrers, der Mitte des 19. Jahrhunderts in Pirmasens gegen die soziale Not gekämpft hatte, betroffen und fasziniert. Als exemplarische Priestergestalt, Sozialreformer und Ordensgründer hatte Nardini für ihn „die Statur, um als Seliger verehrt zu werden“. Da auch die „Mallersdorfer Schwestern“ diesen Wunsch teilten, konnte er schon drei Jahre später auf Bistumsebene das Seligsprechungsverfahren eröffnen, das seit 1999 in Rom weitergeführt wurde.
Denselben Stellenwert wie der Verkündigung und dem Gottesdienst räumt Bischof Schlembach dem sozialen Auftrag der Kirche ein: „Ohne Caritas ist die Kirche unglaubwürdig.“ Fast 20 karitative Einrichtungen, von Altenheimen über Behindertenwerkstätten bis hin zum Übernachtungsheim für Nichtsesshafte, hat er in seiner Amtszeit eingeweiht, bevor er 1995 seinem neuen Weihbischof Otto Georgens als Bischofsvikar die Verantwortung für die Caritasarbeit im Bistum übertrug. Ebenso war er einer der maßgeblichen Impulsgeber für die ökumenische Hospizhilfe, die 1991 gegründet wurde.
Gerade wenn es um den Schutz und die Würde des menschlichen Lebens geht, sieht der Bischof die Christen besonders in die Pflicht genommen. So hat er selbst im Streit um die Abtreibungsgesetzgebung immer wieder eine Verbesserung des rechtlichen Schutzes für die ungeborenen Kinder gefordert. Nicht weniger deutlich bezog er Stellung gegen die Einführung der aktiven Sterbehilfe in einigen europäischen Nachbarländern und die Tötung embryonaler Menschen im Interesse der Forschung. Die „Klarheit des kirchlichen Zeugnisses für die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens“ war auch der entscheidende Grund dafür, dass er im Jahr 2000 der Bitte des Papstes entsprach und in den Schwangerenberatungsstellen der Diözese keine Beratungsscheine mehr ausstellen ließ, die eine straffreie Abtreibung ermöglichen. Seine Gewissensentscheidung fiel ihm alles andere als leicht. Umso stärker war sein Bemühen, das Beratungsangebot für Schwangere in Not- und Konfliktsituationen aufrecht zu erhalten, die Hilfe der Kirche noch auszuweiten. Ein wichtiger Schritt dabei war die Gründung einer „Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind“.
Zwei Ereignisse, die auf Bischof Schlembachs Initiative zustande kamen, rückten Speyer europa- und sogar weltweit ins Blickfeld der Öffentlichkeit: Am 4. Mai 1987 kam Papst Johannes Paul II. während seines zweiten Deutschlandbesuches nach Speyer – für die Stadt und das Bistum ein „Jahrtausendereignis“. Und am Pfingstfest 1990 hielten 17 Kardinäle und Bischöfe aus Ost- und Westeuropa gemeinsam mit Kardinal Joseph Ratzinger im Dom einen „Europagottesdienst“ als Beitrag zum 2000. Jubiläum der Stadt Speyer. Seit 1996 findet ein weiteres Projekt weit über die Grenzen der Diözese hinaus Aufmerksamkeit und prominente Unterstützung: die Sanierung des Speyerer Domes, durch die der Erhalt dieses Weltkulturerbes auch für das dritte Jahrtausend gesichert werden soll. Manchem hohen Staatsgast, den Bundeskanzler Kohl während seiner Amtszeit in seinen Heimatdom brachte, hat Bischof Schlembach persönlich die europäische Bedeutung des Bauwerks erläutert: Michail Gorbatschow und Boris Jelzin ebenso wie George Bush, Vaclav Havel oder König Juan Carlos von Spanien. In seiner Kathedrale sieht er aber nicht nur das einmalige Zeugnis europäischer Baukunst und Geschichte. Entstanden noch vor den großen Glaubensspaltungen, ist der salische Kaiserdom für ihn ebenso ein Mahnmal zur Einheit der Kirchen. So suchte Schlembach auch von Anfang an die guten ökumenischen Beziehungen im Bistum konstruktiv weiterzuführen. Einmalig in Deutschland blieb sein Anstoß, parallel zum Friedensgebet der Religionen in Assisi 1986 im Dom zu Speyer ein „Gebet für den Frieden“ von orthodoxen, katholischen, protestantischen und evangelisch-freikirchlichen Christen zusammen mit Vertretern des Judentums und des Islam zu gestalten.
Wie die meisten Bischöfe nahm auch der Speyerer Bischof Aufgaben außerhalb seines Bistums wahr, anfangs in der Publizistischen Kommission und der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, später in der „Kommission Weltkirche“, deren Unterkommission für Missionsfragen er leitete, und in der „Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen“, deren stellvertretender Vorsitzender er zehn Jahre lang war. Von1991 bis 2006 war er Großprior der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Fünf Jahre war er Mitglied im Päpstlichen Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden; als Leiter des Dialog-Sekretariates für die Bundesrepublik und die deutschsprachige Schweiz richtete er wissenschaftliche Symposien in Speyer, Zagreb und Prag aus. Vier Mal organisierte er als Delegierter der Deutschen Bischofskonferenz das deutschsprachige Programm der Eucharistischen Weltkongresse: 1989 in Seoul, 1993 in Sevilla, 1997 in Breslau und 2000 in Rom.
Wenn Bischof Schlembach am Ende seiner Amtszeit zurückblickt, klammert er besorgniserregende und schmerzliche Entwicklungen nicht aus. So konstatiert er durchaus den zahlenmäßigen Rückgang an Gläubigen und Gottesdienstbesuchern, den Priestermangel oder den in seinen Augen viel zu schwachen Einsatz der Christen für eine „Kultur des Lebens von der natürlichen Empfängnis bis zum natürlichen Sterben“. Aber all dies ist für ihn kein Grund zur Resignation oder gar zum Pessimismus. Im Gegenteil, er sieht auch im kirchlichen Leben hierzulande viele Hoffnungszeichen und neue Aufbrüche, so etwa das starke ehrenamtliche Engagement von Gläubigen oder das neue Interesse der Jugend an Glaube und Kirche. „Vieles spricht dafür, dass sich Atheismus, Säkularismus und Postmoderne totlaufen“, schrieb er in seinem Bischofswort 2006. Diese Entwicklung sei für Christen eine Ermutigung, täglich neu noch entschiedener ihren Gottesglauben zu leben und zu bezeugen, auch in der Öffentlichkeit. Für den Speyerer Bischof war dies das Programm seiner Amtszeit. Es wird auch für den emeritierten Bischof das Programm bleiben.
(0607/0232; E-Mail voraus)
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