Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Dokumentation

„Er mahnt uns, in unserem Glaubenszeugnis nicht nachzulassen“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung zum Fest des heiligen Aquilinus am Sonntag, 29. Januar 2023, in der Basilika San Lorenzo Maggiore in Mailand

Lieber Herr Weihbischof, Monsignor Franco Agnesi,

liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

es ist mir eine große Freude, heute hier in San Lorenzo Maggiore in Mailand mit Ihnen Eucharistie zu feiern. Denn Eucharistie zu feiern bedeutet, des Urmärtyrers unserer Kirche zu gedenken, des Martyriums Jesu Christi, der sein Leben für uns hingegeben hat aus Liebe zum Vater im Heiligen Geist. An seiner Lebenshingabe habe alle Märtyrer Maß genommen. Das gilt auch für den Märtyrer, der uns heute hier zusammenführt aus Würzburg, Köln und Mailand: für den heiligen Aquilinus.

Aus seiner Lebensbeschreibung und aus der Geschichte seiner Verehrung sind mir drei Punkte bedeutsam, die ich an seinem heutigen Festtag mit Ihnen teilen möchte.

Gott weiß, wann er seinem Volk die Heiligkeit eines Menschen offenbart

Ein erster Punkt betrifft die Dimension der Zeit. Denn es fällt auf, dass die Verehrung von Heiligen nicht immer zu Lebzeiten beginnt. Der Ruf „santo subito“ ist die große Ausnahme. Viele Heiligen sind erst lange nach ihrem Tod bekannt geworden. Bei vielen hat die Verehrung erst Jahre oder Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später eingesetzt.

Das gilt auch für den Heiligen Aquilinus. Nach seinem Martyrium zu Beginn des elften Jahrhunderts muss er sich weitere 450Jahre gedulden, bis man sich während der großen Pest im Jahr 1450 in Mailand seines Beistands versichert. Die feierliche Erhebung seiner Gebeine erfolgt erst 1647, also weitere 200 Jahre später.

Ähnliches lässt sich für Würzburg festhalten. Erst durch die Veröffentlichung der Heiligen-Vita in den Acta Sanctorum wird man in seiner Heimatstadt im Jahre 1643 auf ihren einzigen Heiligen aufmerksam. Dann dauert es noch einmal 50 Jahre bis die ersten Reliquien nach Würzburg gelangen. Seine Verehrung kennt seitdem Höhen und Tiefen wie den 16. März 1945, als während der Bombennacht im Zweiten Weltkrieg die ganze Stadt dem Erdboden gleich gemacht wurde, während die 1000-Jahr-Feier 2017 der Verehrung bei den Gläubigen einen erneuen Impuls gab, so dass nicht wenige den heiligen Aqulin als Helfer und Fürsprecher überhaupt zum erstenmal wahrgenommen haben.

Unser Beispiel zeigt: Das Geheimnis der Heiligkeit ist nicht dem Lauf der Zeit unterworfen. Heilige sind immer aktuell. Darauf verweist in eindrücklicher Weise auch der unverweste Leichnam des Heiligen Aquilinus. Ihr Lebenszeugnis leuchtet wie die Wunden des Herrn bis in Ewigkeit. Ob ihre Bedeutung immer dem gläubigen Gottesvolk aufgeht, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Aber die Heiligen sind auf die Verehrung nicht angewiesen. Vielmehr bringt uns ihre Verehrung Heil und Zuversicht. Insofern ist es ein sehr schönes Zeichen, dass auch die heutige Feier dazu dient, das Andenken des heiligen Aquilinus wachzuhalten und uns seiner Fürbitte zu versichern.

Mailand kennt übrigens mit den heiligen Gervasius und Protasisu, die erst durch den heiligen Ambrosius aufgefunden wurden, ein ebenso beeindruckendes Beispiel verzögerter Wirksamkeit der Heiligen. Immerdar stehen sie vor dem Throne Gottes. Doch erst durch ihre Verehrung schenkt die triumphierende Kirche des Himmels der streitenden und pilgernden Kirche auf Erden ihren Beistand und ihren Trost.

Gott hat unser Leben in seiner Hand und er führt uns in seiner Gnade

Ein zweiter Punkt bezieht sich auf den Lebenslauf der Heiligen. Kein Heiliger kann seinem Schicksal entfliehen. Gott führt die Heiligen zu ihrer Bestimmung, auch wenn sie es nicht ahnen und anderes im Sinne haben. Aber Gottes Plan geht nicht fehl.

Auch das lässt sich am Beispiel des heiligen Aquilinus demonstrieren. Als Mann Gottes und Mann der Kirche wird man schnell auf ihn aufmerksam. In Köln trägt man ihm bischöfliche Würden an. Doch er flieht aus Köln nach Paris, um sich der Bürde des apostolischen Amtes zu entziehen. Es dauert nicht allzu lange, das wird man auch in Paris auf seine Person aufmerksam. Wieder droht ihm die Wahl zum Bischof. Wieder entschließt er sich, der Stadt den Rücken zu kehren und nach Mailand weiterzuziehen. Er hätte es besser wissen müssen. Denn schließlich hatte auch Ambrosius, den er so sehr verehrte, versucht, sich durch Flucht dem Bischofsamt zu entziehen. Vergeblich, wie wir alle wissen.

Und so kommt, was kommen muss. In Mailand erfüllt sich sein Schicksal. Nein, er wird kein Bischof. Aber er wird mehr als ein Bischof. Er wird ein Glaubenszeuge, der mit der Hingabe seines Lebens eintritt für Christus, dem er sein Leben geweiht hatte. Unverhofft hat ihn Gott in das leuchtende Heer der Märtyrer berufen, wie es im „Te Deum“, dem „Ambrosianischen Lobgesang“ so wunderbar heißt: „Te martyrum candidatus laudat exercitus - dich preist der Märtyrer leuchtendes Heer.“

Der Versuch, vor Gott und seinem Ruf zu fliehen, misslingt. Niemand kann sich dem Ruf des Herrn des widersetzen.

Der Patriarch Jakob wird vom Engel Gottes am Jabbok gestellt (Gen 32,25).

Der Prophet Jona wird vom Walfisch wieder an seinen Auftrag erinnert (Jon 2,1).

Der Apostel Petrus wird durch den Herrn selbst mit der Frage „Quo vadis?“ daran gehindert, aus Rom zu fliehen und seinem Martyrium zu entgehen.

Im Nachhinein zeigt sich: der Fluchtweg ist immer der direkte Weg zum Ziel – auch wenn wir es nicht ahnen und nicht sehen. Gottes Vorsehung umfasst alles.

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege“ (Jes 55,8-9), spricht der Herr. „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“

Gerade deswegen entgeht niemand seinem Schicksal. Gott hat unser Leben liebevoll in seiner Hand geborgen. Er führt uns auf dem Weg, auf dem wir der Kirche am besten dienen können. Wie trostreich ist dieser Gedanke, der uns durch den heiligen Aquilinus erneut in Erinnerung gerufen wird.

Die Reliquien der Heiligen als Hinweis auf das Geheimnis der Inkarnation

Ein dritter und letzter Gedanke bezieht sich auf die Reliquien des Heiligen. Dankbar sind wir für die großzügige Überlassung der Reliquien des heiligen Aquilinus im Lauf der vergangenen Jahrhunderte bis hin zur Gabe der Rippe im Jahre 2017 an meinen verehrten Vorgänger, Seine Exzellenz, Bischof Dr. Friedhelm Hofmann. In Würzburg ist die Erinnerung an diesen festlichen Augenblick noch sehr wach, ein wahres Fest des Glaubens, an dem sich alle Würzburger Stadtpfarreien beteiligten. Mit dabei war der damalige Pfarrvikar und heutige Pfarrer von San Lorenzo, don Luca Camisana, Monsignore Giordano Ronchi, Monsignore Gianni Zappa und der damalige Bischofsvikar für die Stadt Mailand und heutige Abt von Sant`Ambrogio, Monsignore Carlo Faccendini, zusammen mit einer Delegation der Pfarrei San Lorenzo Maggiore. Die Standarte des Jubiläumsjahres des heiligen Aquilin hier in eurer Basilika beweist, dass auch bei euch diese Feier noch spürbar nachklingt...

Die Reliquien haben Bedeutsamkeit im Blick auf das Martyrium des heiligen Aquilinus. Denn er wurde ermordet von den Arianern und den Neomanichäern, die nicht an die Fleischwerdung des Wortes Gottes glaubten. Aquilinus ist aber in seiner Verkündigung vehement für dieses Geheimnis unseres Glaubens eingetreten. Er predigte, dass Gott im Fleisch gekommen ist, dass Gott unsere Menschennatur angenommen hat. Er verkündete das Unglaubliche, dass Gott unser Heil wirkt durch die schwache Menschennatur, die er in Christus erhoben hat.

Die Reliquien der Märtyrer erinnern uns genau daran. Sie haben sakramentale Qualität. Denn sie verweisen darauf, dass Gott sich zur Vermittlung des Heils immer wieder schwacher Menschen bedient. Gerade „in ihrer Schwachheit bringen sie die göttliche Gnade zur Vollendung“, wie es so wunderbar in der Präfation für die Märtyrer heißt. Insofern ist die Verehrung der Reliquien ein später Triumph über die Feinde des heiligen Aquilinus. Er selbst aber mahnt uns daran, in unserem Glaubenszeugnis nicht nachzulassen.

Die Darstellung des Märtyers Aquilinus zeigt uns einen Priester, dem das Messer an die Kehle gesetzt wird. Der Hebräerbrief führt dazu aus: „Denn lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (Hebr 4,12). Ja, die Verkündigung des Wortes Gottes hat die Regungen des Herzens des Heiligen Aquilinus offenbar gemacht. Es hat die große Scheidung bewirkt und zur Entscheidung gezwungen.

Bitten wir heute auf seine Fürsprache, dass das Wort Gottes auch uns zur inneren Klarheit führe und zur Eindeutigkeit in unserem Zeugnis. Möge dieser heilige Priester uns allen helfen, unsere Leiber „kraft der Barmherzigkeit Gottes, als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen - als unseren geistigen Gottesdienst“ (Röm 12,1). Amen.