Würzburg (POW) Sie ist riesig, füllt die ganze Tischplatte. Ein prächtiges Geburtstagsgeschenk. Vom gelben Marzipanüberzug heben sich schokoladenfarben Logo und Name des Geburtstagskinds ab: „Wir sind Kirche – 1996 bis 2006“. Zehn brennende Kerzen schmücken die imposante Jubiläumstorte und verbreiten an diesem Samstagmorgen festliche Stimmung im Audimax der Universität Würzburg. Bischof Dr. Friedhelm Hofmann lässt es sich im Beisein von Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele, Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Diözesanratsvorsitzendem Karl-Peter Büttner denn auch nicht nehmen, die Geburtstagstorte unter großem Beifall anzuschneiden. Jeder der Anwesenden erhält ein Stück vom großen Kuchen „Wir sind Kirche – Wege suchen im Gespräch“.
„Blick zurück nach vorn“ heißt es am 25. November in der Universität Würzburg. Knapp 300 Gäste sind gekommen, um auf den vor zehn Jahren abgeschlossenen Pastoralen Dialog (1993-1996) in der Diözese Würzburg zurückzublicken. Verkehrsschilder auf der Bühne erinnern an den damaligen Höhepunkt „Weg-Kreuzung“ vom 23. November 1996, als Bischof Scheele vor 600 Gästen in der Musikhochschule seine Orientierungshilfen „Unser Weg“ präsentierte und den Startschuss für das Wegegehen gab. „Diözese Würzburg – Kirche für die Menschen“ ist heute am Podium zu lesen. Fotos auf rotem Grund zeigen die Vielfalt des Bistums.
Vor dieser Kulisse begrüßt Generalvikar Hillenbrand die Anwesenden, insbesondere Bischof em. Scheele, Bischof Hofmann und Prälat Wilhelm Heinz, in den 1990er Jahren Motor des Dialogprojekts. „Diese Rückschau ist keine nostalgische Erinnerung, sondern will nüchterne Zuversicht wecken und neue Aufbruchstimmung vermitteln“, betont Hillenbrand. Bischof Hofmann schließt sich dem an und dankt, „dass alle gekommen sind, um zu reflektieren und zurückzuschauen. In diesem Prozess ist Wichtiges geleistet worden, das uns Mut machen kann für das, was heute ansteht.“
Eberhard Schellenberger, Leiter des BR-Hörfunkstudios Mainfranken, führt durch das dichte Vormittagsprogramm. Gleich zu Beginn will er von den Gästen wissen: „Na, wer war denn vor zehn Jahren dabei?“ Sogleich reißt die Mehrheit begeistert die Arme in die Höhe. Wie das damals war, wie alles begann, das zeigt ein Film der diözesanen Fernsehredakteurin Bernadette Schrama. Initiatoren des Projekts kommen dabei zu Wort. „Wege suchen und finden geht besser, wenn man sich austauscht“, bringt Schellenberger deren Engagement auf den Punkt. Der zündenden Idee, verdeutlicht durch ein brennendes Streichholz in der Hand des Moderators, halfen damals besonders Bischof Scheele, Domkapitular Heinz und Diözesanratsvorsitzender Dr. Engelbert Muth auf den Weg. Diese drei bittet Schellenberger unter herzlichem Beifall der Zuschauer auf die Bühne.
„Ich habe diesen Vorstoß damals gerne aufgenommen und halte es auch heute noch für gut, diesen Schritt gegangen zu sein“, macht Bischof Scheele deutlich. „Ich bin ein Freund der Freiheit, und es hat sich gezeigt, dass die Menschen diese Freiheit positiv genutzt haben. Es ist sehr viel seitdem in unserer Diözese geschehen.“ Das Publikum stimmt dem heute emeritierten Bischof mit kräftigem Beifall zu. „Für uns war es damals selbstverständlich, dass wir etwas von unten her verändern und nicht von oben diktieren wollten“, ergänzt Prälat Heinz. Neben ihm steht der damalige Diözesanratsvorsitzende Muth und fährt fort: „Wir waren sehr erfolgreich. Die Aufbruchstimmung hat sich sofort verbreitet. Mehr als die Hälfte der Pfarrgemeinden unseres Bistums hat mitgemacht.“ Professor Ottfried Selg kommt als Überraschungsgast hinzu und stellt rückblickend fest: „Solche Dialogprozesse anzufangen ist leicht, sie durchzuhalten umso schwerer. Ich denke, wir haben es bisher ganz gut geschafft.“ Was denn Rom zu diesem Vorstoß gesagt habe, will Schellenberger wissen. „Rom hat gestaunt“, antwortet Bischof Scheele und lächelt unter dem Applaus des Publikums.
Das Kirchenvolk kommt in diesem Rückblick nicht zu kurz: Ein weiterer Film zeigt Menschen aus dem Bistum mit ihren persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen zum Dialogprojekt. Einige erkennen sich auf der Leinwand wieder, andere stimmen dem Gesagten lautstark zu. „Wir fühlten uns ernstgenommen und tun das auch heute noch“, sagt eine der Interviewten und spricht damit für Viele. Immer wieder unterbrochen wird das offizielle Programm durch kabarettistische Einlagen von Markus Grimm alias „Pater Antiquus“.
Die bis dahin schon gute Stimmung wird besonders angeheizt, als Clownesse und Bär den Saal betreten. Die Symbolfiguren der diözesanen Aktion „Familie – bärenstark“ sind den meisten der Anwesenden noch in guter Erinnerung. „Wir haben viel erreicht seit 1996“, sagt Elisabeth Amrhein, Bildungsreferentin des Familienbunds der Katholiken. Besonders stolz sind sie und Pastoralreferent Wolfgang Engert auf das Familienbildungshaus Sankt Michael in Bad Königshofen, das als ein Ergebnis des Dialogprojekts vor zehn Jahren seine Pforten öffnete. „Hier können wir unsere Zielgruppen erreichen und eine große Bandbreite an Seminaren anbieten. Das hat die Ehe- und Familienarbeit in den Pfarreien sehr viel weiter gebracht“, betont Engert.
„Die Jugend hat damals viele aufgeregt“, resümiert Dr. Martin Schwab. „Es war nicht immer leicht mit uns, aber Bischof Paul-Werner hat stets gut auf uns reagiert“, sagt der frühere BDKJ-Vorsitzende und erntet ein wissendes Lächeln des Bischofs. „Wichtig war uns, dass auch wir gefragt wurden und dass die Bistumsspitze auf Augenhöhe mit uns verhandelt hat. Das wirkt bis heute nach.“ Und Diözesanjugendpfarrer Christoph Warmuth fügt hinzu: „Die Diözese hat ihr Engagement für die Jugend fortgesetzt und zahlreiche Angebote in der ganzen Diözese geschaffen. Ich nenne da nur das Kilianeum – Haus der Jugend. Der Weltjugendtag und die Tage der Begegnung haben ebenfalls dazu beigetragen, den Geist von vor zehn Jahren lebendig zu erhalten.“
Nach Familie und Jugend sind die Frauen an der Reihe. „Würzburg hat, anders als andere Bistümer, die Anstellung von Laien und insbesondere von Frauen, nicht gestoppt. Darauf bin ich stolz und dafür dankbar“, sagt Christine Schrappe, Diözesanreferentin für die Pastoralreferenten. „Ich hoffe, dass noch mehr Frauen in Führungspositionen der Kirche aktiv werden. Bischof Friedhelm hat uns seinen Zuspruch dahingehend mehrfach versichert. Ich denke, ich spreche für alle damals im Dialogprojekt Aktiven, wenn ich sage, wir sind dankbar für die Offenheit und all die Veränderungen.“
Welche Auswirkungen der Dialog auf die heutige Zeit habe und ob er sich denn gelohnt habe, will Schellenberger zum Abschluss des Rückblicks von Domkapitular Dr. Heinz Geist wissen: „Sie haben einmal gesagt: ‚Euphorie braucht einen langen Atem’. Haben wir den noch?“ „Natürlich!“ versichert Geist unter den fröhlichen Zurufen des klatschenden Publikums. „Ein wenig Euphorie ist sicher verloren gegangen, aber die Grundbegeisterung spüre ich heute noch. Wir dürfen in unserem Bemühen nicht nachlassen!“
Diana Steinbauer (POW)
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