Würzburg (POW) Am Sonntag, 18. März, erklingt um 15 Uhr im Würzburger Kiliansdom eines der monumentalsten Chorwerke der Kirchenmusik: die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach. Bei der Aufführung werden alle Chöre der Würzburger Dommusik sowie namhaften Solisten unter der Leitung von Domkapellmeister Martin Berger zu hören sein. Es musiziert das Würzburger Barockorchester auf historischen Instrumenten. Am Montag, 12. März, 19.30 Uhr, spricht Musikwissenschaftler Dr. Meinrad Walter (Tübingen) im Sankt Burkardushaus über „Musik von Leid und Leidenschaft – Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion“. Was Martin Berger persönlich Bachs Matthäuspassion bedeutet und was diese Werk einzigartig macht, schildert der Domkapellmeister im folgenden Interview.
POW: Was ist das Besondere an der Matthäuspassion?
Domkapellmeister Martin Berger: Seit ihrer Wiederentdeckung durch Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahre 1829 nimmt Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“ eine einzigartige Stellung im Bereich der geistlichen Vokalmusik ein. Kein anderes Stück lotet die Leidensgeschichte Jesu Christi so intensiv aus. Das Werk kann mit seiner inneren Glut und Leidenschaft nicht nur den gläubigen Christen, sondern ebenso das Herz eines säkularisierten Menschen ansprechen. Die Leidensgeschichte Jesu Christi ist uns als gläubigen Christen ja bestens bekannt. Bach macht daraus aber ein bewusstes „Durchleben“ aller Stationen und das in einer erschütternden Plastizität und Emotionalität.
POW: Wie kann dieses Werk helfen, die Kar- und Ostertage besser zu verstehen?
Berger: Für Bachs „Matthäuspassion“ muss man sich Zeit nehmen. Wer einen schnellen Konzertgenuss erleben will, ist hier falsch. Das Werk belohnt mit seiner Tiefe aber diejenigen in unglaublicher Fülle, die sich darauf einlassen. Neben der strengen Verkündigung des Wortlautes der Bibel durch den Evangelisten, der durch seinen Bericht die Handlung nach vorne treibt, scheint bei den in das Geschehen eingeschobenen Arien die Zeit gleichsam stillzustehen – die Szene friert ein. Das ist, wie wenn man beim DVD-Player die Pausentaste drückt: Zeit zum Nachdenken und den Blick nach Innen zu richten. Durch die zwölf Choräle schlägt das Werk eine Brücke in unsere Zeit – ein Transfer in die heutige Lebenswirklichkeit. Wenn Sie es so wollen, bietet die Matthäuspassion „Lectio – Explicatio – Applicatio“, den klassischen Dreischritt zur Erschließung der Heiligen Schrift. Viel wichtiger erscheint mir jedoch, dass uns die Matthäuspassion einen sehr menschlichen Blick auf Jesus Christus werfen lässt: Bis zum beginnenden 18. Jahrhundert sah die theologische Tradition Christus als den Gottessohn, der vom Vater stellvertretend für die ganze Menschheit ins Leiden geschickt wird. Dies ist ein Aspekt, den man eigentlich nur abstrakt erfassen kann, er trifft mich auch nicht, weil ich mich in dem Begriff „ganze Menschheit“ nur sehr bedingt persönlich angesprochen fühle. Zur Zeit Bachs verschiebt sich dieser Akzent in Richtung der Menschlichkeit Jesu und seines vorbildhaften Leidens. Christus kommt uns damit persönlich näher, weil die Erfahrung von Leid in unserem Leben ständig gegenwärtig ist.
POW: Was bedeutet Ihnen die Matthäuspassion ganz persönlich?
Berger: Sehr viel. Ich habe das Stück bisher auch noch nie selbst dirigiert und jedem ersten Mal wohnt ja bekanntlich ein besonderer Zauber inne. In meiner saarländischen Heimat rät eine Redensart jungen Männern, die wirklich bedeutenden Dinge des Lebens erst anzugehen, wenn Sie das so genannte „Herrgottsalter“ überschritten haben, also Mitte dreißig sind. Das macht bei einem solchen Werk auch Sinn, weil Musik immer Persönliches in sich tragen muss, um authentisch zu sein. Was mich an dem Werk so fasziniert, ist die ungeheure Emotionalität, die ihm innewohnt, sowie seine geistige und geistliche Tiefe. Bachs Matthäuspassion spricht mich dreifach an: im Hören, im Nachdenken und im Glauben.
(1107/0396; E-Mail voraus)
Karten zu 24 €, 18 € und 12 € sind bis Freitag, 16. März, erhältlich bei der Tourist Information, Haus zum Falken am Markt, Telefon 0931/372398, und bei Musikalienhandel M. Kreuzer, Telefon 0931/882460.