Würzburg (POW) Deutliche Kritik an der Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer hat Pfarrer Dr. Matthias Leineweber von der Gemeinschaft Sant’Egidio bei einem ökumenischen Gebet anlässlich des Weltflüchtlingstags der Vereinten Nationen am Samstag, 20. Juni, geäußert. „Wie kann man zuschauen, dass so viele Kinder, Frauen und Männer in den Händen von skrupellosen Schleppern und Menschenhändlern ausgebeutet und absichtlich in den Tod geschickt werden, während man dabei mit den Schultern zuckt und die Schuld anderen zuweist!“, sagte er in der Würzburger Marienkapelle.
Leineweber und Pfarrerin Angelika Wagner standen dem Gottesdienst vor. Die Feier wurde vom Diözesan-Caritasverband Würzburg und dem Diakonischen Werk Würzburg sowie Flüchtlingen mitgestaltet, die bei Sant’Egidio Deutschkurse besuchen. Auch Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann nahm an dem Gebet teil, das live im Internet gestreamt wurde.
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Beim Einzug wurden großformatige Fotos mit Szenen des Überlebenskampfs auf dem Mittelmeer, einem Treck mit Flüchtlingen oder auch der Enge und dem Elend der Flüchtlingslager hereingetragen. „So sieht das Kreuz vieler Menschen auf der Flucht aus“, erklärte Pfarrer Leineweber. Die Corona-Pandemie habe für die rund 80 Millionen Menschen vieles noch schlimmer gemacht, die 2019 weltweit auf der Flucht waren. „Man beschäftigt sich – noch mehr – mit sich selbst. Viele Türen wurden verschlossen, man sagt, dass man nicht helfen kann.“ Christen dürften eine solche engherzige Antwort nicht akzeptieren. Die Ursachen der Flucht seien oft mit einer gescheiterten Politik der reichen Welt verbunden.
Wie Leineweber in seiner Predigt weiter ausführte, gehöre die Gastfreundschaft zu den zentralen Elementen des christlichen Glaubens, wie auch beim Judentum und dem Islam. „Abraham war ein Fremder, der Gastfreundschaft gefunden hat und dann zum Modell für die Gastfreundschaft wurde, wie es die Erzählung bei den Eichen von Mamre verdeutlicht.“ Im gesamten Alten Testament gebe es ein besonderes Schutzrecht der Fremden, „weil sich die Schrift der Hilfsbedürftigkeit und Not von Menschen in einer fremden Umgebung bewusst ist. Das Gottesvolk hatte das Leid eines Lebens in der Fremde erfahren.“ Für Christen sei Gastfreundschaft nicht nur ein Zeichen tiefer Menschlichkeit. „Im Fremden begegnet uns der Herr, daher ist es ein besonders heiliger und kostbarer Augenblick, wenn der Fremde Zuwendung erfährt.“
In der biblischen Erzählung vom Sturm seien Jesus die Schreie seiner verängstigten Freunde nicht gleichgültig. „Er stillt den Sturm und rettet sie vor dem Untergang.“ Papst Franziskus habe in „Evangelii Gaudium“ erklärt, er sei der Hirte einer „Kirche ohne Grenzen“, die sich als Mutter aller fühle. „Daher rufe ich die Länder zu einer großherzigen Öffnung auf, die, anstatt die Zerstörung der eigenen Identität zu befürchten, fähig ist, neue kulturelle Synthesen zu schaffen und aus dieser Integration einen Entwicklungsfaktor zu machen.“ Sant’Egidio habe diesen Gedanken aufgegriffen und wolle „eine Mutter sein in einer stiefmütterlichen Gesellschaft, die die Leidenden allein lässt, wie wir das auch bei den alten Menschen in dieser Pandemie erleben mussten“. Mit humanitären Korridoren, Sprachschulen, vielfältigen Beziehungen und Freundschaften zwischen Einheimischen und Neueuropäern setze Sant’Egidio ein Zeichen für einen Traum von einer neuen Welt ohne Grenzen und Mauern. „Im Vertrauen auf das Wort des Herrn, das stärker ist als die Stürme und das Böse, bitten wir ihn um einen starken Glauben, der zum Einsatz wird, damit niemand mehr in der Not und auf der Flucht allein gelassen wird.“
Besonders eindringlich waren die exemplarisch vorgetragenen Schicksale der insgesamt 2398 Flüchtlinge, die seit vergangenem Juni ihr Leben verloren beim Versuch, Europa zu erreichen. Bahaa Aldien aus Syrien stürzte in Slowenien in die Tiefe, weil er nur nachts wandern konnte, um nicht entdeckt zu werden. Als seine Leiche entdeckt wurde, war er seit Wochen tot. Vor zehn Tagen wurde er in Würzburg beerdigt, wo seine beiden Brüder leben. Din Binh und Huy Hung, beide 15 Jahre alt, sind zwei von insgesamt 39 Vietnamesen, die im Oktober in einem Kühl-Lkw in der Grafschaft Essex im Südosten Englands tot aufgefunden wurden. Der Leichnam von Grace, einem wenige Monate alten Kind aus einem Land südlich der Sahara, wurde am 16. Juni am Strand von Sorman in Libyen geborgen. Insgesamt starben bei diesem Schiffbruch sechs Meilen von Zawya zwölf Personen. Für sie und alle auf der Flucht Verstorbenen wurden im Gottesdienst Kerzen entzündet und gebetet.
mh (POW)
(2620/0644; E-Mail voraus)
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