Würzburg/Bad Kissingen (POW) Der von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann ernannte Generalvikar Thomas Keßler (59) will seine langjährigen Erfahrungen in der Seelsorge in seine neue Aufgabe einbringen. Im folgenden Interview spricht er über eine unruhige Nacht nach der Anfrage des Bischofs, über die „harte Angelegenheit“, Bad Kissingen zu verlassen, und über seine Vision von Kirche, „dass alle Getauften und Gefirmten Trägerinnen und Träger der Seelsorge sind“. Die spannende Frage für Keßler: Wo bringt er künftig seine beiden Haflinger unter?
POW: Da ruft der Bischof an und bittet um ein Gespräch. Was haben Sie empfunden, als Bischof Dr. Friedhelm Hofmann Sie gefragt hat, ob Sie die Aufgabe des Generalvikars übernehmen würden? Mussten Sie lange überlegen, bis Sie Ja gesagt haben?
Thomas Keßler: Zunächst bin ich angesichts der Aufgabe einmal gründlich erschrocken. Ich habe mich aber auch über das mir entgegengebrachte Vertrauen gefreut. Danach hatte ich eine unruhige Nacht, in der ich für mich das Für und Wider überlegte. Dabei musste ich immer wieder an Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand denken, der ein Teil meines priesterlichen Lebens war.
POW: Was hat für Ihr Ja gesprochen? Wo hatten Sie Bedenken?
Keßler: Beim Überlegen stand auf der Plusseite, dass ich in manchen Bereichen der Diözese schon mitgearbeitet habe, zum Beispiel bei der Notfallseelsorge sowie in verschiedenen thematischen Arbeitsgruppen und in Gremien. Außerdem habe ich als Pfarrer und Dekan Erfahrung im Leiten von großen Seelsorgeeinheiten und einer bedeutenden Stiftung in Bad Kissingen.
Auf der Minusseite stand das Verlassen der Pfarreiengemeinschaft, in der viel in Bewegung ist, und auch des Dekanats. Ich bin bekennender Rhöner aus Leidenschaft. Den Kreuzberg nicht mehr im Blick zu haben, wird schwierig für mich. Diese Landschaft steht für ein Lebensgefühl. Ich versorge jeden Morgen zu noch fast nachtschlafender Zeit selbst mit einer guten Pferdefreundin meine zwei Haflinger. Das gehört bei mir auch zum Leben dazu und wird so nicht mehr möglich sein. Mit dem ganzen Hin-und-her-Überlegen und dem „unruhigen Nachtleben“ habe ich dann den Heiligen Geist um Unterstützung angerufen. Er hat mich dann bestärkt.
POW: Wie fielen die ersten Reaktionen in Ihrem nahen Umfeld aus?
Keßler: Ich habe nur wenige Menschen über diese Anfrage informiert. Diese haben mir Mut gemacht mit dem freundlichen Hinweis, dass das keine einfache Aufgabe wird.
POW: Fällt es Ihnen schwer, Bad Kissingen zu verlassen? Welche Aufgaben wollen Sie dort vor dem Wechsel nach Würzburg noch abschließen?
Keßler: Von Kissingen wegzugehen, wird für mich eine harte Angelegenheit. Ich bin gerne Pfarrer und Seelsorger vor Ort und habe auch die Sorge, ob ich manche persönliche Beziehung noch so weiter pflegen kann. Vom Abschließen von Aufgaben kann ich nicht wirklich reden. Es ist für mich schon ein Problem, vieles Angefangene in der Pfarreiengemeinschaft und im Dekanat loslassen zu müssen. Ich werde versuchen, in der kurzen verbleibenden Zeit unser Seelsorgeteam und die Verantwortlichen in den Gremien gut auf die kommende Vakanzzeit vorzubereiten.
POW: Wie werden Sie sich auf die neue Aufgabe vorbereiten?
Keßler: Für eine große Vorbereitung bleibt kaum Zeit. Von Ende Februar bis Ende März haben wir im Dekanat Bad Kissingen die Visitation durch Bischof und Weihbischof. Ich bin in der Vorbereitung als Dekan gefordert und auch während der Visitation gut unterwegs. Es kommt mir entgegen, dass ich die Domkapitulare und Hauptabteilungsleiter sowie viele Verantwortliche im Bischöflichen Ordinariat bereits gut kenne.
POW: Sie sind seit über 30 Jahren in der Seelsorge vor Ort nahe bei den Menschen. Welche besonderen Erfahrungen aus der Pastoral wollen Sie in die neue Aufgabe als Generalvikar einbringen?
Keßler: Zunächst die Sichtweise des Pfarrers als seelsorgerlicher „Frontmann“. Ich bin Pfarrer in einem Kurort, in dem viele Menschen mit seelischen und körperlichen Problemen Heilung oder eine Verbesserung ihres Gesundheitszustands erhoffen. Gerade hier ist bei uns die Seelsorge besonders gefordert – durch die Gemeindegottesdienste, Gespräche und ein Gemeindeleben, das einen Blick auf die Menschen in ihren verschiedenen Lebenssituationen hat. Ich würde mich freuen, wenn ich als Generalvikar zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ordinariats so wirken kann, dass mit unserer Unterstützung in der Diözese Glaube und Kirche für das Leben heilend und stärkend erfahren werden.
POW: Wo sehen Sie erste Schwerpunkte für Ihre neue Aufgabe als Generalvikar?
Keßler: Bevor ich Schwerpunkte benenne, will ich erst einmal hinhören und hinschauen und mich mit meinen neuen Aufgaben vertraut machen.
POW: Sie haben langjährige Erfahrungen als Notfallseelsorger – eine ideale Voraussetzung für einen Generalvikar, der immer wieder Krisen und „Notfälle“ managen muss?
Keßler: Da ist schon etwas dran. Vor allem aber steht die Notfallseelsorge für eine Kirche, die durch engagierte Seelsorgerinnen und Seelsorger nahe am Menschen in Grenzsituationen seines Lebens oder in der plötzlichen Begegnung mit dem Tod ist; eine Kirche, die nicht fragt, ob jemand glaubt oder nicht glaubt, die trösten und aufrichten will und kooperativ ist in der Zusammenarbeit mit allen Menschen, die helfen wollen.
POW: Ihnen ist wichtig, dass die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden erfahrbar ist und an der Seite der Menschen steht. Wie kann Kirche dies in heutiger Zeit schaffen?
Keßler: Indem wir das Verständnis von Kirche nicht allein auf die Hauptamtlichen beschränken, sondern das Bewusstsein fördern, dass alle Getauften und Gefirmten Trägerinnen und Träger der Seelsorge sind und ihre eigene Berufung von Gott haben.
POW: Ihre Vision von Seelsorge mit Blick auf das Jahr 2030?
Keßler:Ich träume von einer Kirche, die nicht aus dem Mangel heraus denkt, sondern im Vertrauen auf Gott dem Missionsauftrag Jesu gerecht wird. Im Grunde liefert Papst Franziskus mit seinem Apostolischen Schreiben „Die Freude des Evangeliums“ die „Gebrauchsanweisung“. Er spricht von einer Kirche im Aufbruch, die aus der Freude des Evangeliums lebt und diese Freude weitergibt.
POW: Sie sind als Pferdeliebhaber bekannt. Wie wollen Sie diese Leidenschaft künftig pflegen?
Keßler: Das ist für mich noch eine spannende Frage. Aufgeben möchte ich das Hobby des Kutschefahrens nicht. Das ist ein wichtiger Ausgleich für mich. Ich habe auch schon manche Arbeitsgruppen zu Beratungen auf eine Kutschfahrt mitgenommen. Die frische Luft, die Gemeinschaft und eine ordentliche Brotzeit haben den Beratungen gut getan. Eine Pferdekoppel im Innenhof des Ordinariats einzurichten ist wohl schwierig, und der ehemalige Pferdestall des Marmelsteiner Hofs ist belegt. Ich werde mich also nach einem geeigneten Pferdestall in der Umgebung von Würzburg umschauen.
POW: Ihr persönlicher Wunsch für die neue Aufgabe als Generalvikar?
Keßler:Ich wünsche mir und uns allen, dass die Arbeit im Ordinariat und in der ganzen Diözese bei allen Problemen, die es gibt, Freude macht. Denn wir dürfen uns bei dem, was gelingt, und auch bei dem, was scheitert, von Gott getragen wissen. Die Menschen im Bistum Würzburg bitte ich um das begleitende Gebet.
Interview: bs (POW)
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