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Im Gespräch

"Es ist eine Entscheidung, was man da mitteilt"

„Tatort“-Kommissar Miroslav Nemec über seinen Part beim Domkonzert „Totentanz“ am 21. Oktober im Kiliansdom

Würzburg (POW) „Totentanz“ ist das Domkonzert überschrieben, das am Samstag, 21. Oktober, um 19 Uhr im Würzburger Kiliansdom stattfindet. Im Zentrum des Konzertes steht der namensgebende Zyklus von Hugo Distlers „Totentanz“. Es handelt sich um eine Komposition aus dem Jahr 1934, bestehend aus 14 Spruchmotetten über mystische Texte von Angelus Silesius: Der personalisierte Tod fordert hier verschiedene Vertreter der Menschheit „zum letzten Tanz“ und zum Resümée über deren Leben auf. Unter der Leitung von Domkapellmeister Alexander Rüth singt der Kammerchor am Würzburger Dom, Gewinner des Internationalen Chorwettbewerbs auf Malta sowie des internationalen Franz-Schubert-Chorwettbewerbs in Wien. Die Sprecherrollen haben „Tatort“-Schauspieler Miroslav Nemec („Tatort“ München) und der Würzburger Schauspieler Martin Maria Eschenbach. Im folgenden Interview erläutert Nemec, wie er sich auf die Aufführung vorbereitet, was für ihn die größte Herausforderung ist und was er nach der Aufführung am liebsten trinkt.

POW: Am Samstag, 21. Oktober, sind Sie als Sprecher beim Konzert „Totentanz“ der Würzburger Dommusik im Würzburger Kiliansdom aktiv. Wie läuft denn gerade die Vorbereitung für Sie?

Miroslav Nemec: Ich habe vergangene Woche mit Domkapellmeister Alexander Rüth telefoniert. Da ging es um den Ablauf und die Proben, wann wir uns treffen, und natürlich auch inhaltlich um den Tod, den zentralen Inhalt des „Totentanzes“. Wir haben die einzelnen Passagen besprochen. Es ging um Inhalt, um Betonung, um Klärung, worauf das Augenmerk liegen soll. Ich gehe jetzt langsam ein bisschen den Angelus Silesius, den Schlesischen Engel, durch und lese, was er geschrieben hat. Und der Text des Todes, den ich als Antwort vortrage, ist ja ein anderer. Er stammt von Johannes Klöcking, der rund 300 Jahre später lebte als Silesius. Deswegen muss ich das irgendwie in Einklang bringen, weil die Silesius-Texte ja sehr herausfordernd sind.

POW: Inwiefern? Was ist die Herausforderung für Sie als erfahrenen Profi?

Nemec: Es gut zu machen, es richtig zu machen und für die Leute nachvollziehbar. Ich möchte, dass man es nicht einfach nur liest, sondern dass man auch versteht, worum es geht. Und dazu muss man sich vorbereiten, die Betonungen eintragen, das Tempo bestimmen. Die einzelnen Figuren werden ja auch unterschiedlich sein. Kaiser, Bischof, Greis oder Kind sind unterschiedliche Ausdrucksformen. Ich muss ein Backgroundwissen haben über diese Zeit. Und ich versuche es so authentisch wie möglich zu lesen. Es ist ja in Reimen geschrieben, aber es darf nicht dem Reim allein verfallen, sondern es muss sich vor allem der Inhalt erschließen. Das übe ich laut zuhause, und dann in der Generalprobe.

POW: Wie stehen Sie zu diesem Projekt? Sie sind ja nicht nur der bekannte „Tatort“-Kommissar, sondern haben auch in Ihrem früheren Leben Musik studiert und sind klassisch ausgebildeter Pianist.

Nemec: Na ja, das Pianostudium habe ich nicht abgeschlossen. 

POW: Sie sind in jedem Fall jemand vom Fach, der mit Musik mehr zu tun hat als Schauspieler sonst.

Nemec: Ja, natürlich. Mir hat die Musik gefallen. Ich habe mir das angehört, und ich fand es eine schöne Herausforderung in der heutigen Zeit. Denn es ist doch recht plakativ und mit dem Zeigefinger zeigen die Texte vom Tod moralisch das Thema Sünde. Der Mensch, der sich fürs Jenseits vorbereiten soll, das ist nicht unbedingt unser heutiges Thema, außer vielleicht im Buddhismus, da gibt es die Wiederkehr. Aber mich hat es gereizt, das mit dieser Musik so zu transportieren, dass man merkt, wie die Leute darauf reagieren. Das ist immer eine Herausforderung, vor allem mit der Distanz zum Text und zur dargestellten Zeit. So kann man sich das vielleicht – auch ohne direkt persönlich moralisch angesprochen zu sein – aus der Distanz anhören und es dadurch auch besser verarbeiten oder konsumieren. Das heißt ja nicht, dass man daraus keine Schlüsse ziehen könnte oder sollte. Aber es muss etwas sein, was man den heutigen Menschen als Angebot macht, es sich mal anzuhören.

POW: Gegenwärtig gibt es viele Krisen und Katastrophen, die täglich gemeldet werden. Wie ist für Sie persönlich in diesem Zusammenhang diese Beschäftigung mit dem Thema Tod? Eher aufwühlend, oder betrachten Sie das eher als tröstlich?

Nemec: Nun, tröstlich ist der Tod sicher nicht. Er ist eigentlich ein Korrektiv. Man weiß von Anbeginn an, dass man endlich ist, dass man nicht ewig leben wird. Und das prägt uns sehr. Ich habe anhand dieses Gedankens auf Wunsch des Domkapellmeisters noch ein Gedicht rausgesucht. Ich habe einen Text von Brecht gewählt, mit Gedanken zu Gott. Der Tod bestimmt uns. Nicht in jedem Moment, weil man nicht immer daran denkt. Aber er ist ein Regulativ. Man muss sich nur vorstellen: Wie würde das Leben denn aussehen, wenn man keine Begrenzung hätte? Ganz anders. Und insofern ist der Tod immer vorhanden in unserem Leben. Wie man ihn dann sieht, ob man sich vor ihm fürchtet oder sich vielleicht auch in Krankheiten nach ihm sehnt, das gibt es alles. Ich habe alles schon erlebt bei Freunden und Bekannten. Insofern ist der Tod für mich etwas Notwendiges. Man muss mit ihm umgehen. Man muss sich von ihm nicht bekehren oder gar untätig machen lassen. Wir sind kreativ und wir leben gern – und der Tod ist mit inbegriffen.

POW: Warum haben Sie das Brecht-Gedicht ausgewählt?

Nemec: Ich habe dem Domkapellmeister ein paar Angebote gemacht von Gedichten, und er hat sich für Bertolt Brecht entschieden. Damit kann ich gut leben. Auch einen Nietzsche hatte ich vorgeschlagen und einen Text von Erich Fried. Der Brecht ist mir aus Theaterzeiten noch gegenwärtig.

POW: Vermutlich, weil Brecht eine ziemlich klare und verständliche Sprache hat.

Nemec: Ja. Und er ist ein Gegensatz zu dem, was wir vorher machen. Der Chor singt ja den Silesius, und der ist vom Inhalt ganz anders als Klöcking. Insofern ist ein Kontrast mit Brecht am Ende vielleicht als Ausblick, als Gedankenanregung ganz gut.

POW:  Sie haben sich, wie Sie erwähnt haben, mit dem Klöcking-Text bereits ausführlich beschäftigt. Welche Zeile aus diesem Text spricht Sie denn persönlich am meisten an und warum?

Nemec: Die Zeile, die für mich die schwierigste ist, ist die Antwort auf das Kind. Wie soll man begründen, dass ein Kind ohne Sünde und ohne Fehl sterben soll, das noch nicht gelebt hat? Ich habe selber Kinder. Es ist eine furchtbare Erkenntnis, wenn ein Kind einfach nur sterben muss, obwohl man nicht weiß warum. Zum Beispiel im Krieg. „Gott weiß, warum er mich pfeifen schickt“, heißt es da beim Tod. Und jetzt meint der Klöcking wahrscheinlich, „Gott weiß, warum er mich pfeifend schickt.“ Ich finde, er meint: „Gott-weiß-warum, er mich pfeifen schickt.“ Da fragt sich der Sprecher: Heiland: Sag, ist das jetzt wirklich notwendig? Das sind zum Beispiel Phrasen, die man genau besprechen muss. Es ist eine wirkliche Herausforderung und eine Entscheidung, was man da mitteilt.

POW: Abschließende Frage: Werden Sie nach der Aufführung ein Glas Frankenwein trinken oder lieber ein Bier?

Nemec: Leider ist mein Freund Theo Steinbrenner, er war Maler und hat viele Skulpturen gemacht, schon verstorben. Theo hat mir immer so zehn bis zwölf Literflaschen Riesling mitgegeben. Der schmeckt mir sehr gut. Deswegen nehme ich vielleicht ein Bierchen für den Durst und dann genieße ich einen Wein (lacht).

Eintrittskarten zum Stückpreis von 35, 29, 20 oder zehn Euro sind erhältlich bei der Dom-Info, Domstraße 40, an allen bekannten Vorverkaufsstellen, online unter ADTicket.de und reservix.de sowie an der Konzertkasse.

Interview: Markus Hauck (POW)

(4123/1077; E-Mail voraus)

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