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„Es zahlt sich aus, freundlich zu sein“

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer am 24. Oktober 2005 bei der „Wirtewallfahrt“ auf dem Kreuzberg

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Das Fest der Weihe unseres Domes zu Würzburg, der Weihetag also unserer Bischofskirche, machte uns bewusst, wie wichtig und bedeutsam doch manche Gebäude in unserem Land gewesen und es noch immer sind. Überhaupt sind die Gotteshäuser, ob es der Dom ist in seiner ganzen Pracht und Größe oder eine kleine bescheidene Dorfkirche, besondere Sammel- und Mittelpunkte der Menschen damals und heute. Sehr bald wurden die Gotteshäuser ergänzt durch Gasthäuser oder Pilgerstätten. In Franken stehen meist neben den Gotteshäusern unsere Gasthäuser oder Wirtschaften. Ich weiß nicht, ob man wirklich auch von einem gleichen Schicksal der Gottes- und Gasthäuser sprechen kann. Aber in unserem Land stehen heute Kirchen leer oder werden bald verschwinden, aber auch die Gasthäuser und Wirtschaften in vielen Dörfern verschwinden oder schließen. Wie sehr aber auch die Gasthäuser oft in Verbindung zum Gotteshaus standen, zeigt nicht nur ihre früher örtliche Nähe zueinander, sondern auch die alten Wirtshausnamen, die letztlich auf biblische Bezüge verweisen. Und die Gastwirte früherer Tage haben oft ihren Dienst an den Gästen durchaus als Nachvollzug des göttlichen Gastwirtes gesehen und sich am Verhalten Jesu als Gastgeber orientiert. Was kann man auch heute noch vom göttlichen Gastgeber lernen? Wie zeigt sich Gott, wie zeigt sich Jesus gerade im Blick auf den Gastgeberdienst, was Sie als Lebensaufgabe und Beruf gewählt haben?

Zunächst muss ein Gastwirt die göttliche Art haben, wie Gott, wie Jesus, den Menschen zu begegnen. Er muss die Menschen gern haben. Er muss die Menschen lieben. Das kennen wir von Gott: in Jesus zeigt sich die großartige Menschenfreundlichkeit Gottes von Anfang an. Für den Menschen tat Gott alles, tut Gott alles. Für ihn machte er die Schöpfung zu einer wunderschönen „Gaststätte“. Es fehlt an nichts, nichts an Schmuck, Farbe, Musik. Alles war eine Augenweide, selbst dann noch, als durch das Böse, durch die Sünde die Schöpfung leider nicht mehr ganz in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlt. Für den Menschen tat Gott alles: er liebte den Menschen so sehr, dass Paulus sagen konnte im Blick auf den menschgewordenen Sohn Gottes. „Erschienen ist uns die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres großen Gottes: Jesus Christus“ (vgl. Tit. 3,4). Das heißt also: Man sollte eigentlich nur dann Wirt, Gastronom oder Hotelier sein, wenn man die Menschen lieb hat. Die Menschen, ihre Gäste merken das sehr bald, an was Sie als Gastgeber Interesse haben. Ich denke: Ihre eigene Berufserfahrung und Berufsethik sagt Ihnen dies doch deutlich: ohne Menschenfreundlichkeit geht es nicht. Das aber ist nicht immer leicht, freundlich und gewinnend zu sein. Das liegt an unseren menschlichen Grenzen, aber auch an den Gästen. Doch Jesus kann Hilfestellung geben. Darum braucht gerade Ihr in diesem Beruf und Gewerbe die Kraft, die in Jesus lebendig war: Gottes Geist. Vergesst daher nicht, bei Jesus Christus im Gebet und im Gottesdienst sich immer wieder zu orientieren und bei ihm Kraft zu holen. Ja, es zahlt sich aus, freundlich zu sein.

Was können wir von Gott, dem göttlichen Gastgeber und Jesus weiter lernen? Ich denke, dass wir alle wissen: unser Gott ist von Anfang an mit uns, den Menschen, im Gespräch. Er hat das Gespräch auch noch dort gesucht, wo der Mensch nicht mehr so gesprächsbereit mit Gott war oder geblieben ist. Gott suchte den Menschen nach dem Sündenfall mit den Worten: „Adam, wo bist du?“ Er geht auf Abraham zu und sprach zum Volke des Bundes durch Moses und die Propheten die ganzen Jahrhunderte lang. Schließlich ist das Wort Fleisch geworden. Mit Jesu Menschwerdung hat Gott seine Gesprächsbereitschaft mit uns wirklich unter Beweis gestellt. In Jesus hat Gott sich sichtbar, hörbar zu uns gesellt und mit uns Menschen gesprochen und tut es immer noch in der Kirche durch das heilige Evangelium und durch den Geist, der uns zu diesem Gespräch mit Gott befähigt. Das heißt also: Machen Sie es wie Gott in Jesus! Nehmen Sie sich Zeit auch mal zu einem Gespräch, aber seien Sie vor allem gesprächsbereit. Natürlich müssen Sie und Ihre Mitarbeiter einen Wirtschaftsbetrieb leiten, und Zeit ist kostbar. Sie können auch kein Gesprächsladen sein. Aber Sie wissen doch selber, wie die Menschen oft heute so mitteilungsbedürftig sind. Sie erfahren manchmal mehr als der Pfarrer oder Beichtvater. Sie müssen auch diskret sein und verschwiegen, aber das steht nicht im Widerspruch zu dem, was ich mit Gesprächsbereitschaft meine. Man geht zuweilen ja gerade deshalb in eine Wirtschaft, weil man in Ihrem Haus auch mal das Herz ausschütten kann. Und Sie wissen alle sehr wohl, wie oft durch eine nette Atmosphäre die Menschen ihr Herz ausschütten. Es zahlt sich aus, gesprächsbereit zu sein gegenüber dem Gast. Ich denke, es gehört dies ohnedies zu Ihrer Berufsphilosophie, offen zu sein für den Menschen. Lernen Sie von Jesus, indem sie gerade auch zuweilen ihr Herz im Gebet ausschütten. Er hört zu – liebend, mitfühlend. Und er antwortet. Haben Sie nur Geduld! Er antwortet auf seine Weise: oft unbemerkt.

Schließlich ist damit schon das 3. angedeutet, was man von Jesus, dem göttlichen Gastgeber, lernen soll, lernen kann. Gestern haben wir im Evangelium des 30. Sonntags gehört: Das Hauptgebot der Liebe ist die Liebe zu Gott, zu den Mitmenschen, die wir lieben sollen wie uns selbst. Ja – wir sollen uns auch immer selber etwas gönnen. Was hat Jesus getan bei seinem Gefordertsein durch den Zulauf der Menschen ? Er zog sich immer wieder in die Einsamkeit zurück. Er gönnte sich immer auch etwas, ließ sich einladen, ließ sich sogar mit kostbarem Öl salben und lud die Jünger ein: „Ruht euch aus!“ Wir Menschen müssen uns auch selbst lieben und annehmen lernen. Wir können nicht ständig im Stress sein. Wir haben ein Recht und eine Pflicht, für uns da zu sein, uns etwas Aufbauendes, Stärkendes und Tröstendes zu gönnen. Natürlich weiß ich, dass Ihr Lebens- und Arbeitsrhythmus anders ist als der der übrigen Menschen. Sie müssen gerade oft da sein, wo der Feiertag, der Sonntag, angesagt ist. Aber vergessen Sie es nicht: auch Sie brauchen den Segen der Einkehr, der Ruhe bei Gott. Auch Sie und gerade Sie brauchen das Wort Jesu: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich will euch Ruhe geben.“ Die beste Rekreationszeit, und Rekreationsstätte ist die Eucharistie. Die Kirche lebt davon. Sorgen Sie dafür, dass diese Regenerationszeit bei Christen auch in Ihrem Leben ihre Zeit hat.Menschenfreundlichkeit, Gesprächsbereitschaft und der eigenen Seele etwas gönnen, befähigen uns, rechte Gastgeber zu sein. Amen.

(4405/1451)