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Im Gespräch

„Ethik muss immer konkret werden“

Moraltheologe Rosenberger: Hoffnung bringt großherziges Engagement hervor – Neues Buch thematisiert christliche Schöpfungsethik

Würzburg/Linz (POW) Der Moraltheologe Professor Dr. Michael Rosenberger, Priester des Bistums Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz sowie seit 2004 ehrenamtlicher Umweltsprecher des Bistums Linz, hat ein neues Buch zum Thema christliche Schöpfungsethik geschrieben. Im folgenden Interview äußert er sich unter anderem zu seiner Motivation und erklärt, wie viel Verzicht notwendig ist, um die Erde auf Dauer zu erhalten.

POW: Herr Professor Rosenberger, in diesen Tagen ist Ihr neues Buch „Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik“ erschienen. Ist das eher ein theologischer Hilfeschrei oder ein Buch, das Hoffnung machen möchte?

Professor Dr. Michael Rosenberger: Letztlich beides. Also vielleicht besser „Weckruf“ oder „Alarmruf“ als „Hilfeschrei“. Aber die Lage ist dramatisch, und die Zeit zur Lösung der globalen Probleme läuft uns davon. Letztlich möchte ich klar machen, dass die Menschheit am Abgrund steht, und das meine ich sehr nüchtern und realistisch. Wenn wir gegen die Klimaerwärmung und den Biodiversitätsverlust nicht sehr schnell sehr viel mehr tun als bislang, werden die katastrophischen Ereignisse, wie wir sie in den vergangenen Jahren zunehmend erleben, immer schneller aufeinanderfolgen und immer größere Folgen zeitigen. Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor wenigen Monaten zeigt eindrücklich, was das heißt: 50 Milliarden Euro Schaden bei einem einzigen Ereignis – das hätte noch vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten, ganz zu schweigen von den mehr als 200 Todesopfern. Ich möchte aber auch Hoffnung machen. Hoffnung, nicht Optimismus. Der Optimismus würde sagen: „Ach, wir haben es noch immer geschafft, das wird schon alles gut gehen!“ Das ist naiv und verführt zur Trägheit. Die Hoffnung hingegen spricht: „Du siehst, was du tun kannst, also tu es, auch wenn es mühsam und anstrengend ist! Und den Rest überlass einem Größeren, der die Welt in seiner Hand hält!“ Hoffnung bringt gelassenes und zugleich großherziges Engagement hervor, wie Papst Franziskus sagt. Darum geht es mir.

POW: In Ihrem Buch beschreiben Sie unter anderem einige Ihrer Einsätze zum Erhalt der Schöpfung aus Ihren Jugendtagen. Zum Beispiel, dass Sie in der Jugendarbeit auch mittlere Strecken mit dem Fahrrad zurücklegten oder als Zwischenhändler für Umweltschutzpapier fungierten. Wie viel Verzicht fordert ein glaubwürdiger Einsatz für die Schöpfung von jedem Einzelnen?

Rosenberger: Das hängt sehr davon ab, wer dieser Einzelne ist und wie hoch sein derzeitiges Wohlstandsniveau ist. Der durchschnittliche Afrikaner darf seinen Lebensstandard sogar noch erhöhen. Aber wir in den Industrieländern werden auf einige Gewohnheiten verzichten müssen, die wir in den zurückliegenden Jahrzehnten lieb gewonnen haben. Das heißt nicht „zurück in die Steinzeit“. Unsere Grundbedürfnisse werden wir auch in Zukunft gut befriedigen können. Aber im Freizeitbereich wird sicher nicht mehr alles gehen, was wir so selbstverständlich hinnehmen. Ich denke an den jährlichen Flug in den Urlaub oder den regelmäßigen Wochenendausflug, der gegenwärtig im Durchschnitt 200 Kilometer Autofahrt bedeutet. Das hat keine Zukunft. Doch kann der Verzicht darauf auch eine neue Lebensqualität ermöglichen. In der Coronazeit haben wir die Freizeit- und Urlaubsmöglichkeiten in unserer nächsten Umgebung neu zu schätzen gelernt. Sie dauerhaft zu nutzen, bedeutet auch, eine Menge Stress einzusparen, den wir früher auf den Autobahnen oder Flughäfen hatten. Weniger kann also durchaus mehr sein!

POW: Es gibt kirchliche Kreise, die eine Beschäftigung mit und den Einsatz für die Schöpfung für ein Nebenthema des christlichen Glaubens halten. Was sind Ihre Argumente für den Einsatz zum Erhalt der Schöpfung?

Rosenberger: Wir ChristInnen glauben wie JüdInnen und MuslimInnen an einen guten Schöpfergott, der uns die Erde zu treuen Händen als Leihgabe anvertraut. Sie ist ein Ausdruck seiner Liebe zu allen Geschöpfen, er möchte, dass sie alle auf diesem Planeten gut leben können. Das ist eine große Verpflichtung und Verantwortung, die dem Menschen auferlegt wird. Wer die Verantwortung für Umwelt und Mitwelt geringschätzt und als ein Nebenthema bezeichnet, ignoriert den ersten Artikel unseres Glaubensbekenntnisses, der sagt: „Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Umweltzerstörung ist ein Verrat am Glauben und eine Missachtung des Schöpfers. Das hat Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato si‘“ eindrücklich in Erinnerung gerufen.

POW: Sie haben Ihr Buch in einen Dreischritt von Sehen, Urteilen und Handeln untergliedert. Wie praktisch und konkret kann und muss eine christliche Schöpfungsethik sein, ohne lediglich eine Kopie der Forderungen von „Fridays for Future“ zu sein?

Rosenberger: Ethik muss immer konkret werden – sonst können wir sie uns sparen. Aber natürlich bedeutet das auch, dass Ethik (wie alle Wissenschaften) irren kann. Sie muss ihre Überlegungen also gut plausibilisieren und begründen. Wenn es dabei zwischen christlicher Ethik und säkularen Umweltbewegungen Übereinstimmungen gibt, dann ist das zu begrüßen. Denn theologische Argumente können manche Gläubigen überzeugen, die zu säkularen Überlegungen keinen Zugang finden, und umgekehrt können säkulare Argumente Menschen überzeugen, denen der Glaube nichts sagt. Wenn Glaubende und Nichtglaubende dann gemeinsam für Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität eintreten, ist das perfekt. Denn es braucht alle Menschen des Planeten, um zum Erfolg zu kommen. Ich denke aber, dass noch etwas anderes dazukommt, und auch das hat Papst Franziskus in „Laudato si‘“ angesprochen: Wir in den Religionen haben einen spirituellen Schatz anzubieten, der uns Kraft gibt, uns bei Misserfolgen im Umweltschutz nicht entmutigen zu lassen. Wenn wir diesen Schatz uneigennützig anbieten (und nicht erwarten, dass sich die Menschen erst zum Glauben bekehren müssen), dann nehmen ihn auch viele Menschen an, die sich als „religiös unmusikalisch“ bezeichnen würden. Die Umweltorganisation Greenpeace zum Beispiel verwendet als ihr Emblem den Regenbogen und die Taube mit dem Ölzweig. Die Erzählung von der Arche Noah ist also ihre „Mission“, drückt ihre Sendung und ihre Kraftquelle aus. Das müsste doch alle Kirchenverantwortlichen höchst hellhörig machen, denn da haben wir eine gemeinsame Basis, die unschätzbar wertvoll ist.

Interview: Markus Hauck (POW)

Michael Rosenberger: „Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik“. 336 Seiten. 38 Euro. Aschendorff-Verlag, Münster 2021, ISBN 978-3402247884.

(4221/1020; E-Mail voraus)

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