Würzburg (POW) Christen sollten aufkeimenden nationalen Abschottungstendenzen in Europa die einigenden Werte von Toleranz und Solidarität mit den Armen und Benachteiligten entgegensetzen. Sie seien aufgefordert, angesichts zunehmender Ängstlichkeit oder gar feindlicher Gesinnungen gegenüber Ausländern und Flüchtlingen zum Beispiel aus Afrika, den materiellen Ängsten konkrete Projekte der Hoffnung und des Miteinanders entgegenzusetzen. Das hat Professor Dr. Marco Impagliazzo (Rom), Präsident der internationalen Gemeinschaft Sant‘Egidio, vor rund 1500 Teilnehmern eines Treffens christlicher Bewegungen und Gemeinschaften in Würzburg betont. Unter dem Motto „Miteinander auf dem Weg – Zeichen der Hoffnung“ trafen sich am Samstag, 7. November, Vertreter aus 85 Gruppen im Würzburger Dom.
Nach den internationalen Konferenzen von „Miteinander für Europa“ in Stuttgart 2004 und 2007 hatte ein Koordinationsteam aus dem evangelischen, katholischen und freikirchlichen Raum zu einer bundesweiten Begegnung eingeladen. Die bunte Vielfalt der verschiedenartigen kirchlichen Gruppen kam sowohl durch Dekoration mit mehrfarbigen Würfeln im Altarraum des Doms als auch durch die jugendlich-musikalische Begleitung der „Lobpreiswerkstatt“ der Gemeinschaft Immanuel (Ravensburg) zum Ausdruck. Die Begegnung in Würzburg war eine der größten von insgesamt elf nationalen Veranstaltungen in verschiedenen Ländern Europas.
Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bezeichnete die christlichen Bewegungen als „Ferment für die Gesellschaft“. Die Einheit unter den Christen sei ein wichtiger Faktor für ihre Glaubwürdigkeit. Die Gemeinschaften fänden in dem Miteinander des Betens den entscheidenden Weg. „Es wird hier weniger über Glaubenswahrheiten diskutiert, als vielmehr dieses Gemeinsame des Erlöstseins, des Unterwegseins zu Gott bedacht und alle möglichen Wege gesucht, dieses in einem Miteinander zu gestalten, damit wir Hoffnung geben können für andere“, betonte Bischof Hofmann in seinem Grußwort.
Der evangelische Regionalbischof für Ansbach und Würzburg, Christian Schmidt, sagte, im Einsatz für die Armen könnten christliche Gruppen noch enger zusammenwachsen. Der Weg zu einer Abendmahlsgemeinschaft der getrennten Konfessionen könne „am ehesten vom Miteinander der Gemeinschaften“ ausgehen. Siegfried Großmann, früherer Präsident der Vereinigung evangelischer Freikirchen, ermutigte die unterschiedlichen christlichen Gruppen zu einer „Kultur der gegenseitigen Ergänzung“.
„Die Einheit unter den Christen ist der Zement für ein vereintes Europa“, führte Impagliazzo weiter aus. Zersplittert in Einzelinteressen, verliere Europa in einer globalisierten Welt an Bedeutung. Gleichzeitig könnten Christen durch international vernetzte Initiativen Zeichen für ein respektvolles Miteinander von Völkern, Kulturen und Religionen setzen. Ohne gelebte europäische Einheit könnten die Werte des Friedens, der Freiheit und Menschlichkeit verloren gehen. Christen sollten der Angst vor dem Andersartigen das Vertrauen in die Botschaft Jesu Christi von der Liebe zum Leben und der Versöhnung entgegensetzen.
Als Schlüssel für die Einheit der Christen bezeichnete Gerhard Proß, leitender Referent des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) Esslingen und Mitglied des Koordinationsteams von Miteinander für Europa, die „Gabe und Gnade Gottes in anderen Gemeinschaften und Kirchen zu suchen, statt sich gegenseitig kritisch zu be- oder gar verurteilen“. Als Repräsentant eines „älteren geistlichen Bruders“ der seit zehn Jahren bestehenden Miteinander-Initiative begrüßte Proß Hartmut Steeb, den Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, deren internationale Wurzeln mehr als 160 Jahre zurückreichen. Steeb zeigte sich erfreut, dass beide evangeliumsgemäßen Strömungen nahezu identische Ziele verfolgen: „Beide müssen sich noch weiter vernetzen.“
Landesbischof i. R. Jürgen Johannesdotter, Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Kommunitäten, ermutigte die Teilnehmer, sowohl materiell als auch geistlich armen Menschen die Zusage zu machen, dass Gott sich um ihre persönlichen Situationen kümmere: „Kein Ort in dieser Welt ist so entlegen, als dass Christen nicht dort ihre lebensbejahende und frohe Botschaft bringen können.“ Das Miteinander beim Würzburger Treffen habe erneut deutlich gemacht: „Europa hat eine Hoffnung.“ Christen sollten diesen „Schatz“ nicht verbergen, sondern unter die Menschen bringen. Gemeinschaften und Bewegungen seien „Pflanzstätten der Hoffnung“.
In einer durch Applaus bestätigten Abschlusserklärung setzen sich die christlichen Bewegungen unter anderem für transparentes Handeln und faire Beziehungen in Wirtschaft und Unternehmen ein. Die Christen wollen zudem mit Präventionsprojekten der Gewaltbereitschaft in Schulen entgegenwirken. Zum Schutz der Umwelt schließen sie sich ökumenischen Forderungen an, am 1. September einen „Tag der Schöpfung“ zu begehen. Am Nachmittag trafen sich die Teilnehmer in neun sozialpolitischen Foren.
Die Initiative „Miteinander für Europa“ ist ein internationales Netzwerk von rund 250 christlichen Bewegungen und Gemeinschaften aus ganz Europa. Sie entstand 1999 und verbindet evangelische, katholische, anglikanische und orthodoxe Christen ebenso wie Mitglieder von Freikirchen und neuen Gemeinden. Nach dem Treffen in Würzburg wird das „Miteinander“ im Mai 2010 beim zweiten Ökumenischen Kirchentag in München bei einer ganztägigen Veranstaltung eine Fortsetzung finden.
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