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„Europa muss ein politischer Akteur werden“

Diözesanempfang mit Professor em. Dr. Herfried Münkler als Festredner – Vortrag zum Thema: „Welt in Aufruhr. Wie kann eine neue Weltordnung aussehen?“ – Rund 1200 Gäste aus Politik, Kirche, Caritas und Gesellschaft

Würzburg (POW) „Die Weltordnung, auf die wir gesetzt haben, ist dahin. Es wird eine andere Ordnung entstehen.“ Diese These hat der Politikwissenschaftler Professor em. Dr. Herfried Münkler beim Diözesanempfang am Montagabend, 15. Januar, in der Universität am Würzburger Hubland vertreten. Doch wie wird diese neue Weltordnung aussehen? Und welche Rolle wird Europa darin spielen? Das skizzierte er in seinem Festvortrag zum Thema „Welt in Aufruhr. Wie kann eine neue Weltordnung aussehen?“. Wenn Europa in dieser neuen Ordnung eine Rolle spielen wolle, dürfe es „nicht weiter herumlungern“ und darauf warten, dass sich Probleme von selbst lösen, mahnte Münkler. Sondern es müsse in seiner Gesamtheit zum politischen Akteur werden. Rund 1200 Gäste waren beim Empfang dabei. Weitere rund 200 Menschen verfolgten die Veranstaltung live auf dem YouTube-Kanal des Bistums Würzburg, zudem wurde sie auf dem Kabelkanal von TV Mainfranken übertragen.

Es war ein deprimierendes Bild, das Münkler zu Beginn seines Vortrags zeichnete: Finanzkrise, Brexit, die „America first“-Politik des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, die Coronapandemie mit dem zeitweiligen Zusammenbruch der globalen Lieferketten und schließlich der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. „Man fragt sich, ob es noch schlimmer kommen kann, und dann kommt es tatsächlich noch schlimmer.“ Die alte Ordnung habe auf zwei Grundideen basiert, erläuterte Münkler. „Erstens die Ersetzung militärischer Macht durch wirtschaftliche Macht, was den Europäern und den Deutschen sehr zugutekam.“ Die zweite Idee seien Schiedsgerichte gewesen, die an die Stelle von kriegerischen Auseinandersetzungen getreten seien. Eine solche Ordnung brauche einen „Hüter“, der dafür Sorge trage, dass die Dinge im rechten Lot blieben. Diese Rolle hätten nach und nach die USA übernommen. „Man sprach von einer Dominanz des Westens und seiner Werte mit den USA als Hüter.“

Doch unter Trump seien die USA nicht mehr bereit gewesen, diese Last zu tragen. „Die Parole ,America first‘ war im Prinzip die Parole des Verlassens der Hüterrolle.“ Zudem könne ein Hüter nur einen Teil der Welt bewirtschaften, und andere Staaten können die damit verbundenen Werte als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten werten. „Ich glaube, zu unseren Lebzeiten werden wir keine Ordnung mehr finden und in keiner mehr leben, die einen solchen Hüter hat“, sagte Münkler. Als dritten Punkt, warum das Prinzip gescheitert sei, nannte er den Angriff auf die Ukraine. „Vielleicht noch folgenreicher war, dass die Weltgemeinschaft nicht bereit war, Sanktionen gegen Russland zu beschließen.“ Stattdessen habe man die Ukraine aufgerüstet für einen Verteidigungskrieg, der noch lange dauern könne.

Anstelle der alten Weltordnung werde sich nach Ansicht Münklers die Aufgabe des „Hüters“ auf mehrere Akteure verteilen – jedoch ohne einen einheitlichen globalen Wertehorizont. In der ersten Reihe sah er die USA, China, die EU, Russland und Indien. „Dazu gibt es eine durchaus umworbene zweite und dritte Reihe, weil diese fünf Mächte Unterstützer und Verbündete brauchen.“ Die Geschichte habe gezeigt, dass die Akteure wechseln können, sagte er. „Man kann sich vorstellen, dass die Europäer nicht so ganz fest und sicher auf dieser Bank sitzen. Sie sind kein politischer Akteur, und das müssen sie sein, wenn sie in diesem Spiel der Fünf mit dabei sein wollen.“ Dazu müsste Europa nach den Worten von Münkler jedoch erst zwei Problembereiche vor der eigenen Haustür bewältigen. Das eine seien die Westbalkanländer, die auf Aufnahme in die EU warteten. Doch die EU sei „nicht aufnahmefähig und muss sich fundamental verändern“. Dazu komme die Ukraine. „Wenn die Ukraine diesen Krieg verliert, werden Migrationsbewegungen von mindestens zehn Millionen Menschen in Gang kommen“, warnte Münkler. Als zweiten Problembereich nannte er die Auswirkungen der Migrationsströme auf die Südstaaten der EU. „Das sind zwei gewaltige Herausforderungen, denen nur ein politischer Akteur gewachsen ist.“ Münkler schloss seinen Vortrag mit der Aufforderung: „Zuversicht ist nichts, was man einfach pflückt und konsumiert, sondern etwas, wofür man arbeiten muss. Packen wir’s an!“

Er nehme aus dem Vortrag drei Dinge mit, erklärte Bischof Jung. Das erste sei die Frage: Wer ist der Hüter? „Ich weiß, dass viele, die hier sitzen, sich in ihrem Tun und Engagement als Hüterinnen und Hüter verstehen für eine politische Ordnung, die die Menschenrechte wahrt, die für Migranten und Fremde einsteht. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Der zweite Punkt sei die Aufforderung: Wenn ihr mitspielen wollt, müsst ihr eure Verantwortung wahrnehmen. „Es ist an uns, diese Verantwortung wahrzunehmen. Nicht nur auf EU-Ebene, sondern in den Gliederungen und Ordnungen, in denen wir uns befinden. Zu sagen: Auch ich bin verantwortlich, wenn sich hier etwas ändern soll.“ Als letzten Punkt nehme er mit: An der Zuversicht muss man arbeiten. „Deshalb gibt es den Stern der Hoffnung, der dann aufgeht, wenn Menschen an ihre Grenzen kommen“, sagt Bischof Jung. Das Bistumsmotto für 2024 laute: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen.“ Er wünschte allen Anwesenden, dass sie „viele dieser Momente in diesem Jahr haben, in denen Sie merken: Christus ist mit uns auf dem Weg und es lohnt sich, im Blick auf dieses Licht die Verantwortung wahrzunehmen und sich zum Hüter, zur Hüterin unserer Schwestern und Brüder zu machen“.

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Zu Beginn des Abends hieß Bischof Jung die Vertreter der Kommunal- und Landespolitik sowie die und haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kirche und Caritas willkommen. Besonders begrüßte er Staatssekretär Sandro Kirchner, Bezirkstagspräsident Stefan Funk, Regierungsvizepräsident Jochen Lange, die Oberbürgermeister Christian Schuchardt (Würzburg) und Sebastian Remelé (Schweinfurt) sowie Dr. Matthias Belafi, Leiter des Katholischen Büros der Bayerischen Bischöfe in München. Zu den Gästen zählten Bundes- und Landtagsabgeordnete, Landräte, Bezirks- und Kreisräte, Bürgermeister, Dekane, Pfarrer, pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ordensleute, Mitglieder des Diözesanrats und der Dekanatsräte, der Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen, Vertreter der Caritas sowie Professoren der Universität Würzburg mit Kanzler Dr. Uwe Klug. Weiter kamen Vertreter der Justiz, der Polizei, der Behörden und Ämter, der Gesundheitsfürsorge, der medizinischen Versorgung und des Rettungswesens, der unterfränkischen Industrie- und Handelskammern, der Medien sowie der evangelischen und der griechisch-orthodoxen Kirche.

Organisiert wurde der Diözesanempfang von der Domschule Würzburg und dem Caritasverband für die Diözese Würzburg. Viel Applaus erhielt das Ensemble „Blechschmitt“ mit Martin Deiser (Posaune), Matthias Wallny und Michael Schmitt (Trompete) sowie Georg Leitner (Tuba). Sie gestalteten den Abend mit Werken von Berthold Hummel, Giovanni Gabrieli, Ingo Mertens und Franz von Suppé.

sti (POW)

(72 Zeilen/0324/0074; E-Mail voraus)

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