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Fairness, Teamgeist und Pressing

Neujahrsansprache 2007 von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Sonntag, 14. Januar 2007, im Würzburger Rathaus

Was für ein Jahr liegt hinter uns! 2006 – das Jahr der Superlative!

Fußballweltmeisterschaft und Papstbesuch haben nicht nur innerdeutsche Begeisterung ausgelöst, sondern auch international Deutschland in ein farbenfrohes Licht getaucht. Deutschland präsentierte sich als ein gastfreundliches Land, das den Heiligen Vater in Bayern ebenso herzlich aufnahm wie die Fußballfreunde aus aller Welt.

Höchste Einschaltquoten beim Papstbesuch: Noch höher als bei der Fußballweltmeisterschaft verzeichneten die Fernsehanstalten.

Eine Frau aus Franken sagte mir: „Ich habe die ganzen Tage den Papst auf seiner Reise durch Bayern am Fernsehschirm verfolgt, so dass bei mir schon der Weihrauch aus der Steckdose herauskam.“

Vom 9. bis 14. September reiste Papst Benedikt XVI. zurück zu seinen heimatlichen Wurzeln. Sichtlich gerührt von der Herzlichkeit, die ihm entgegenkam, munterte er in seinen zahlreichen Ansprachen, Meditationen und Predigten sogar laue und pessimistische Zeitgenossen auf. Selbst seine oft missverstandene Vorlesung in der Aula Magna der Regensburger Universität brachte sein Anliegen auf den Punkt, brachte Nachdenken und Diskussionen in Gang: Glaube und Vernunft gehen zusammen. Was gegen die Vernunft ist, ist gegen Gott.

Leider konnte der Heilige Vater die von mir ausgesprochene Einladung nach Würzburg nicht annehmen, obwohl viele Berührungspunkte mit Würzburg bestehen: So hat ihn der aus Franken stammende Kardinal Faulhaber gefirmt und zum Priester geweiht und der Würzburger Bischof Josef Stangl ihm die Bischofsweihe gespendet.

Hingegen durften im vergangenen Jahr im Bistum Würzburg vier Weltmeisterschaftsquartiere eingerichtet werden: In unserer Stadt Würzburg kam die erfolgreiche Fußballmannschaft von Ghana unter, in Schweinfurt, Bad Kissingen und Bad Brückenau Tunesien, Ecuador und Kroatien. Unter dem großen Motto „Zu Gast bei Freunden“ wurden diese Tage bei uns zu einem Völker umspannenden Fest.

Die WM ist vorbei – die Begeisterung für den Fußball bleibt. Ich bin gespannt, ob unsere Würzburger Klerusmannschaft am 11. Juni in Bamberg ihren Bayerischen Meistertitel verteidigt.

Außerdem ist das Jahr 2007 das Jubiläumsjahr von Sepp Herberger, der vor genau 110 Jahren geboren wurde und dessen Name unweigerlich mit dem „Wunder von Bern“ verbunden ist, einem ersten Sieg der deutschen Fußballmannschaft (1954) gegen Ungarn nach den schrecklichen Jahren der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und dem katastrophalen Weltkrieg. Legendär und viel zitiert sind Herbergers Fußball-Weisheiten wie:

„Der Ball ist rund“, „Der nächste Gegner ist immer der schwerste“ oder „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Und dieses „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ macht ihn so sympathisch.

Der Apostel Paulus schreibt: „Eines aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.“(Phil 3,13)

Ehe wir uns der Gnade des neuen Anfangs zuwenden, will ich noch einen Blick in das vergangene Jahr werfen. Man verzeihe mir, dass ich – als Fußballwettkönig des Jahres 2006 in Würzburg – dies so versuche, indem ich einige Begriffe aus dem Fußball meinen Gedanken zugrunde lege:

Fairness bedeutet: Immer die Spielregeln beachten und den anderen nicht verletzen!

Im vergangenen Jahr gab es endlose Debatten um die Bahnhofsarcaden und den Verkauf um das Hochhaus in der Augustinerstraße. Während die Diskussionen um Abriss und Wiederaufbau des Hochhauses die Denkmalschützer auf den Plan riefen, spaltete die Arcaden-Frage fast Würzburg. Überall wurde über das Für und Wider diskutiert: Beim Frühstück ebenso wie im Büro oder beim Spazierengehen. Eine knappe Mehrheit der Bürger entschied sich gegen die Arcadenbebauung im Bahnhofsbereich. Aber ist das ein Grund, sich gegenseitig Schuldvorwürfe zu machen, am OB-Stuhl zu kratzen und zum Beispiel bei einem Stadtrat von „einem fremden U-Boot im eigenen Hafen“ (Main-Post, 06.12.06) zu reden? Jetzt steht die Stadt vor neuen Herausforderungen, die Sanierung des Bahnhofs und die Frage der Belebung der Innenstadt voranzutreiben. Das leidige Thema der Renovierung des Kiliansbrunnens vor dem Bahnhof nimmt sich dagegen klein aus – ist aber dennoch auch schmerzlich.

Position ist ein weiteres Stichwort: Auf seiner Position das Beste machen, der Mannschaft dienen, nur dann kann man gewinnen und als Team auftreten.

So kann auch die Renovierung der Außenfassade des Würzburger Domes verstanden werden. Sie hat, trotz einigen Säuselns im Blätterwald, weitestgehende Zustimmung gefunden. Sowohl die Farbwahl als auch die Freilegung der neoromanisch gestalteten Westfassade trifft unsere heutige Sicht und Wertschätzung aller Epochen, die am Dom mitgearbeitet haben und sichtbar bleiben sollen. Ich verstehe durchaus auch die Argumente der Architekten, die die mühsam in den 50er Jahren erfundene Westfassadengestaltung erhalten wissen wollten. Wer aber einmal vom Käppele oder von der Marienfestung auf die Stadt herabschaut, kann die das gesamte Bauwerk umfassende Einheit von südlichem Querhaus und Westfassade in der heutigen Gestaltung erkennen. Dem Dom vorzuwerfen, er stelle jetzt die Umgebung in den Schatten, verkennt, dass gerade darin ein Problem der Domumgebung im Westen besteht, da die unmittelbare Bebauung ihn bisher in die Zange nahm, statt ihn als Mittelpunkt der Stadtplanung erkennbar zu machen. Freuen wir uns doch vielmehr über die für den Dom wieder gefundene optische Freiheit.

Eine sehr bemerkenswerte Veranstaltung – auch im Sinne des Teamgeistes – war die 5. Tagung der 10. Synode der evangelischen Kirche in Deutschland im Würzburger Kongresszentrum. Ganz Deutschland betreffende Fragen wurden behandelt.

Ebenso zählte die Eröffnung des israelischen Gemeindezentrums Shalom Europa zu den herausragenden Ereignissen. Endlich haben unsere jüdischen Mitbürger wieder ein angemessenes gemeinsames Haus in unserer Stadt. Nach allem schrecklichen Geschehen in der Vergangenheit dürfen wir mit ihnen hoffen, dass sich hier wieder neues Vertrauen aufbauen und ein gedeihliches Zusammenwachsen ergeben kann. Damit sind wir schon wieder beim nächsten Stichwort:

Fitness: Man muss mit sich selber gut umgehen, fit sein, bereit sein für das, wozu man gebraucht wird.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang die Renovierung und Wiedereröffnung des Stationsweges zum Käppele. Dank vieler Spender und Helfer konnte die Sanierung im vergangenen Jahr abgeschlossen werden. Die städtische Spardose für dieses herausragende und anziehende Aushängeschild Würzburgs war allerdings mehr als mager. Vielleicht müssen die städtischen Sternsinger eigens für dieses Anliegen noch einmal losziehen.

Forechecking nennt man eine spieltaktische Variante im Fußball, die ursprünglich als Redewendung im Eishockey entstanden ist und das frühzeitige Stören beziehungsweise Bekämpfen des gegnerischen Angriffversuchs bezeichnet. Ist so die Überschrift eines Artikels in einer Würzburger Zeitung zu verstehen: „Stadtrat war lange Marionette des Bischofs“ (Main-Post/Volksblatt, 3.11.06)? Es wird darauf angespielt, dass die wechselhafte Geschichte des Würzburger Stadtrates rund 550 Jahre (wörtlich) „unter der Fuchtel der Bischöfe“ (Ebd. S. 27) stand und später 100 Jahre unter der der bayerischen Könige.

Wie ist – beim flüchtigen Lesen – die Überschrift „System Mitra schlägt bei Unfall Alarm“ (Volksblatt 21.07.06) zu verstehen? Erst beim genauen Lesen merkt man, dass es sich nicht um die Mitra des Bischofs sondern um ein neues Informationssystem handelt, dass bei Gefahrgut-Transporten rechtzeitig Warnsignale abgibt. Muss der Bischofshut, Mitra genannt, nun als Warnsignal verstanden werden?

Schauen wir in die Zukunft. Das neue Jahr hat gerade begonnen.

Pressing nennt man beim Fußball das kurzzeitige und ständige Anrennen auf das Tor des Gegners, woran sich außer dem Torhüter alle Mannschaftsteile wechselseitig beteiligen.

Nach 375 Jahren ist ein einbandtechnisches Kuriosum nach Würzburg heimgekehrt. Es ist das einzig bekannte Rundbuch der Renaissance aus der Bibliothek des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn. Dank der Unterstützung durch die Bayerische Nationalstiftung konnte dieses international beachtete Buch auf einer Auktion erworben und in die Universitätsbibliothek Würzburg gebracht werden.

„Kehrt (nun auch) die ‚Steinigung’ in die Abtei zurück?“, heißt es in einer Headline zu dem berühmten Tiepolo-Gemälde aus Münsterschwarzach. Giandomenico Tiepolo hat 1754 „die Steinigung des Heiligen Stephanus“ als Altargemälde für die Abteikirche in Münsterschwarzach gemalt. Das in der Säkularisierung abhanden gekommene Gemälde konnte wieder erworben werden. Am vergangenen 9. Dezember kam die befreiende Nachricht: „Tiepolo kommt nach Würzburg. Auktion bei Christie’s in London: Altargemälde vom Freistaat ersteigert.“ (Main-Post, 06.12.06). Wohin wird es gebracht werden? Findet es jetzt in der Würzburger Residenz einen Platz oder kann es nicht sinnvoll in die Münsterschwarzacher Abteikirche zurückgebracht werden – sozusagen als kleine Wiedergutmachung?

Frau Oberbürgermeisterin Dr. Pia Beckmann hat sich dankenswerterweise nach 40-jähriger Städtepartnerschaft mit Mwanza in Tansania dort vor Ort umgesehen und die durch die Städtepartnerschaft dank privater Aktivitäten positiv veränderte Situation in Augenschein genommen. Dennoch erfordern die vielen Straßenkinder, die zahlreichen Waisen, die hohe Aidsquote und die Bildungsproblematik auch weiterhin unsere ungeschmälerte Hilfsbereitschaft.

Ich werde in diesem Jahr in unser Partnerbistum Mbinga – ebenfalls in Tansania – reisen und auch kirchlicherseits das Bestmögliche versuchen. Die Probleme bei uns können wir nur angemessen zu lösen versuchen, wenn wir den Blick auf die weltweite Not nicht verlieren.

Im vergangenen Jahr spielte Mozart eine unschlagbare Rolle. Doch für 2007 bahnt sich in Würzburg ein musikalisches Großereignis an, das alle bisherigen Rekorde schlagen dürfte: Vom Himmelfahrtstag an bis zum Sonntag, dem 20. Mai, werden voraussichtlich 20.000 Musikerinnen und Musiker in Würzburg zu Gast sein. Dieses deutsche Musikfest, das nur alle sieben Jahre stattfindet, wird nicht nur den Bundespräsidenten samt 200.000 Besuchern nach Würzburg locken, sondern die Stadt in eine Klangwolke hüllen, die sich vom Hofgarten in Veitshöchheim bis zum Würzburger Residenzplatz ausbreiten dürfte. Hoffen wir, dass die Musikalität der Franken, die ich beglückend auch in den Gottesdiensten miterleben darf, weitere Kreise zieht.

Dies erhoffe ich mir auch im Bereich des Priester- und Ordensnachwuchses. Es ist dringend an der Zeit, dass viele junge Menschen begreifen, dass ein Leben in dieser engeren Nachfolge Jesu eine Lebensweite und -tiefe ermöglicht, von der man sonst nur träumen kann. Möge die von mir angestoßene Berufungsinitiative zum Wohl und Heil aller Menschen in Franken reiche Früchte bringen.

Ich möchte allen danken, die sich im vergangenen Jahr uneigennützig und effektiv für andere eingesetzt haben – angefangen bei der Frau Oberbürgermeisterin, den Repräsentanten der Stadt, allen Damen und Herren des Stadtrates, den Mäzenen und den zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in der Würzburger Gesellschaft.

Möge Würzburg und ganz Unterfranken auch in diesem Jahr ein weltoffener Gastgeber bleiben, der nicht nur die mit den Nobelpreisen ausgezeichneten 13 bedeutenden Würzburger Wissenschaftler ehrt und beim Flugplatz in Giebelstadt abhebt, sondern viele unbekannte Nobelpreisträger im ehrenamtlichen Engagement hervorbringt. Dann werden nicht nur auf Vanuatu, einer kleinen Insel im Südpazifik, die glücklichsten Menschen wohnen (Main-Post 27.07.06 – von 178 benannten Staaten liegt Deutschland nur auf Platz 81), sondern auch in Würzburg. Ich danke Ihnen.

(0307/0073; E-Mail voraus)