Würzburg (POW) Beim traditionellen Aschermittwoch der Künstler hat Bischof Dr. Franz Jung dazu aufgerufen, die Tage der Fastenzeit als Tage der Tauferneuerung zu verstehen. „Bitten wir den Herrn, dass er uns ein offenes, bereites Herz gebe“, begrüßte der Bischof rund 200 Künstler und Kunstschaffende aus Unterfranken zur Wort-Gottes-Feier am Mittwoch, 6. März, in der Sepultur des Würzburger Kiliansdoms. Bischof Jung, Weihbischof Ulrich Boom, Domvikar Dr. Burkhard Rosenzweig und Diakon Jens Johanni legten den Künstlern das Aschenkreuz auf. Im Anschluss sprach der Lyriker und Theologe Christian Lehnert im Burkardushaus über das Thema „Das Lamm und die Wörter. Ein Sprachgang zu Beginn der Fastenzeit“.
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In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte Bischof Jung „das Lamm, das uns einführen kann in das Geheimnis der heiligen 40 Tage“. Das weiße Fell des Lammes stehe für das Unschuldslamm. Zugleich sei es jetzt zu Beginn der österlichen Bußzeit eine Erinnerung daran, dass diese heiligen 40 Tage die Tage der Tauferneuerung seien. „Es geht gewissermaßen darum, sich das weiße Taufkleid wieder zu erwerben, durch das wir Christus und der Kirche eingegliedert wurden“, sagte der Bischof. Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee, sage der Prophet Jesaja.
Ebenfalls in Jesaja heiße es: Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf, das vor seinem Scherer verstummt, so tat er seinen Mund nicht auf. Das Schweigen des Lammes sei ein Zeichen der Arg- und Wehrlosigkeit und am Ende auch der Sprachlosigkeit, sagte der Bischof: „Das Schweigen des Lammes als eine Einladung, noch einmal genau hinzuhören, wo Menschen sind, die keine Stimme haben, wo Menschen sind, die Opfer werden.“ In diesen Tagen, in denen es um die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs gehe, sei es auch ein Anruf an die Kirche, den Blick zu haben für die, die keine Stimme haben und die sich kein Gehör zu verschaffen verstehen, betonte Bischof Jung.
In den Tagen der österlichen Bußzeit gehe es nicht um einen Sündenbock, sondern um das Opfer. „Gott selbst übernimmt die Schuld der Welt, Christus selbst stirbt am Kreuz. Nicht als Sündenbock, sondern als Osterlamm“, erläuterte der Bischof. Am Beginn der heiligen 40 Tage stehe die Einladung, füreinander das Leben hinzugeben und teilzuhaben an dem, was Christus den Menschen vorgelebt habe und wofür Christen berufen worden seien.
„Die Apokalypse zeigt uns in einer beeindruckenden Vision, wie das Lamm, das geschlachtet ist, trotzdem steht“, fuhr Bischof Jung fort. Im Lamm seien die Leiden der Menschheit, das Ungelöste und Unabgegoltene enthalten. Es sei eine Einladung, sich zu fragen, was im Leben der Aufhellung bedürfe. „Auch der Dinge, die sich uns entziehen, die wir nicht zu erklären vermögen, das Geheimnis von Schuld und Leid und Unerlöstem, das wir diesem Lamm noch einmal zu Füßen legen dürfen in der Hoffnung, dass es in ihm und in seinem Sieg auch unser Leben neu erhellt.“
„Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt“, habe Johannes der Täufer angesichts des vorübergehenden Christus ausgerufen. „Es ist der Ruf, der eingegangen ist in die Eucharistie“, sagte Bischof Jung. „Die heiligen 40 Tage sind die Einladung, sich mit Gott zu versöhnen, in diesem Lamm den Frieden zu finden mit sich, mit dem Nächsten, aber auch mit Gott selbst, der uns die Kommunion anbietet in seinem Sohn Jesus Christus. Bitten wir darum, dass das Lamm, das heute im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht, uns zum Heil führe und dass wir in ihm gerettet werden.“
Von der „Paradoxie des Gotteslamms“ sprach Lehnert in seinem Vortrag. „Christe, du Lamm Gottes“ sei eine der abenteuerlichsten biblischen Metaphern. „Nicht nur, dass Gott und Tier in der Metapher in eins fallen, ist verstörend. Es ist vor allem auch die darin versteckte Umkehrung einer bis heute allgemeinen religiösen und gesellschaftlichen Logik.“ Nicht Gott werde ein Niederes, ein Tier, geopfert, sondern Gott, der Höchste, werde erniedrigt und als Tier geopfert. „Hier wird in einer einzigen Wendung die Wirklichkeit völlig neu gesprochen.“ Die ordnende Sprache falle in einem Kurzschluss zusammen. „Wo mir die Worte fehlen, dort beginnt das Gedicht. Nicht dort, wo ich etwas sicher zu sagen weiß“, schlug er den Bogen zur Kunst. „Im Lamm Gottes, dort, wo es allein ist, wird radikalisiert, was das Wort ,Gott‘ sagt, nichts nämlich, was wir sagen können, nichts, was ein Begriff oder Name sein könnte, nichts als ein Hilferuf. Hier wird er wirklich, und die Wörter sind fern.“
Die Wörter „Lamm“ und „Gottes“ zündeten in ihrem Zusammenklang einen Sinn, der vorher undenkbar gewesen sei. Solchen elementaren Verwandlungen sei er auch in seinen Zweizeilern auf der Spur gewesen, sagte Lehnert. Einer lautete beispielsweise: „Du schaust den Schwalben nach, den Schatten, die verrauschen. So heißt der erste Vers: Geräusch des eignen Lauschens.“ An der Grenze der Wörter erscheine plötzlich ein Bild vor Augen, die Wörter verwandelten sich in etwas anderes als Wörter. „Ein Gedicht wird wahr, indem der Lesende Bilder sieht und die Welt neu wahrnimmt“, sagte Lehnert. Das „Lamm Gottes“ löse das Wort „Gott“ von allem, was der Mensch damit sagen wolle, und verwirkliche dieses Wort zugleich als „Lamm“. „Es öffnet uns die Augen für das, was wir noch nicht sehen. Es lehrt uns das Staunen. Jeder Gläubige ist immer wieder an diesem Ort, dem des völligen Neubeginns.“ Diesen Ort teile der Gläubige mit dem Künstler. Lehnert schloss seine Überlegungen mit weiteren Zweizeilern: „Der Gott, den es nicht gibt, in mir ein dunkler Riß, ist meiner Seele nah, sooft ich ihn vermiß.“
Die Feier wurde musikalisch gestaltet von Maria Bernius (Sopran), Matthias Ernst (Klarinette) und Diözesanmusikdirektor Gregor Frede (Orgel).
sti (POW)
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