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Faszinierendes Vorbild

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer am 4. Oktober 2005 anlässlich des Franziskusfestes auf dem Kreuzberg in der Rhön

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn !

Ein sensibler, musisch begabter junger Mann namens Francesco Bernadone gerät als gerade 20-Jähriger in eine einjährige Gefangenschaft, weil er an einem Krieg teilgenommen hat. In dieser Zeit wird er nachdenklich. Das Erlebnis formt ihn um; zwei Jahre danach, 1205 – also genau vor 800 Jahren – nimmt sein Leben eine entscheidende Wende. In einer visionären Schau zeigt sich ihm Gott als königlicher Vater und sagt ihm, dass er nach dem Evangelium leben solle. Rückschauend bedauert Franz, eine vergeudete Jugendzeit gelebt zu haben. Er wird nachdenklich und vier Jahre später, am Matthiastag 1209, wird ihm bei einer Messfeier die Erkenntnis geschenkt, mit der er sich Christus zum Vorbild seines Lebens nehmen will, Christus in seiner Armut und Entschiedenheit.

Am Festtag des heiligen Franziskus sollen und dürfen wir staunen, wie ein junger Mensch vor 800 Jahren sich vom Geist Gottes, vom Evangelium, zu einem erfüllten Leben führen ließ. Und das in einer so werbenden Weise, dass heute noch – nach 800 Jahren – viele junge Menschen auf den Spuren dieses Heiligen gehen wollen, um Orientierung und Erfüllung für Ihr Leben zu gewinnen. Franz von Assisi hat sein Leben nach dem Evangelium, nach Christus ausgerichtet. Seine Art zu leben hatte damals schon Ausstrahlung und hat es heute noch. Man kann viele Aspekte dieser Lichtgestalt der Kirchengeschichte betrachten. Ich möchte drei in dieser Predigt herausstellen:

Er wird wegen seiner besonderen Naturverbundenheit weit über die Grenzen der Kirche hinaus verehrt und als Vorbild gesehen. Doch es ist zu wenig, ihn als den ersten Umweltschützer oder Tierfreund zu sehen. Seine Verbundenheit mit der Schöpfung, mit Natur und Tieren, kam aus der tiefen Einsicht, dass die Schöpfung gemacht und erhalten wird von der Vatergüte Gottes. Gottes Güte leuchtet auf in den Geschöpfen des Kosmos im Großen und Kleinen. Die Welt, die Natur spricht, redet, kündet auch im Dasein und in ihrer Vielfalt von der unsagbaren Liebe des Vaters im Himmel. Aber auch wir Menschen sind ein Teil dieser Schöpfung Gottes und teilen in dieser Hinsicht mit allen Geschöpfen dieses Hervorgehen aus der Hand des Vaters. So wie Jesus die Wirklichkeiten der Schöpfung und der Welt immer auch in ihrer Durchsichtigkeit zu Gott hin gesehen und verkündet hat, so tat es der heilige Franz.

Es heißt also: Von Franziskus lernen heißt lernen, die Welt, die Schöpfung im Blick auf Gott zu sehen. In der Tat: Der Mensch, besonders der Mensch der Neuzeit, sieht vor lauter Schönheit, Macht und Faszination so vieler Entdeckungen und Erkenntnisse nicht mehr die eigentliche Schönheit und Qualität der Geschöpfe und der irdischen Realitäten. Mehr denn je tut uns Not, den geschöpflichen Dingen ihre eigene und besondere Würde zu geben oder zu belassen: Alles, was geschaffen ist und uns Menschen umgibt, trägt das Liebeszeichen Gottes. Sogar das Leiden und der Tod – auch wenn es uns schwer fällt, dies zu sehen. Der Machbarkeitswahn des modernen Menschen sieht nicht die eigentliche Schönheit und Eigenart der Schöpfung. Wir Christen sind auch nicht immer frei, gerade heute nicht, die Welt und unser Leben meist von Gott her zu sehen. So heißt die Antwort im neuen Kompendium des Katholischen Katechismus auf die Frage: Wozu ist die Welt erschaffen? Antwort: „Die Welt wurde zur Ehre Gottes erschaffen, der seine Güte, Wahrheit und Schönheit zeigen und mitteilen wollte.“ Das gehört zum Grundwissen eines Christen.

Der heilige Franziskus wird wegen seiner Freiheit und Loslösung von den Realitäten und Mächten und Verheißung der Welt geehrt und nachgeeifert. Wahrhaftig: Franziskus war kein Asket um der Strenge sich selbst gegenüber. Er war arm, nicht um die Armut zu verherrlichen . Er war arm, um reich zu sein. Reich an den Gütern, die wirklich das Leben liebenswert und lebenswert machen. Er machte sich frei von allem, war ihn bindet und belastet, um das Leben zu gewinnen. Er erlebt, wie sehr Streben nach äußerer Macht der Kirche, den Mächtigen, aber auch den einfachen Menschen nicht weiterhilft. Natürlich war ihm die Lebensführung Jesu dabei eine faszinierende, anziehende Macht. Er verzichtete buchstäblich auf das letzte Hemd, die letzte Absicherung seines Lebens, um am Leben nicht vorbeizuleben. Er spürte, wie Reichtum, Ansehen, Macht über andere immer gefährliche Absicherungen brauchen und den Menschen unruhig machen. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, nicht von seiner sozialen Stellung, nicht von den Machtgefühlen über andere. Der Mensch braucht mehr. Und er gewinnt durch die innere Haltung der Armut einen Reichtum ohnegleichen. So war Franziskus kein Sozialrevolutionär und kein Sozialromantiker.

Vor ein paar Tagen predigte auf der Bischofskonferenz in Fulda Kardinal Lehmann zu Jesu Wort: „Bei euch soll es nicht so sein“ vom Umgang mit der Macht. Er sagte: „Wer Macht ausübt, greift in der Regel in die Freiheitsrechte anderer ein.“ Es ist zwar wichtig, Macht anzunehmen und sie auch auszuüben. Aber wir wissen, wie sensibel die Macht mit ihrer Gier und Lust und Leidenschaft in uns eindringt. Es gibt schlimme Schleichwege der Macht, die nicht selten sogar unter dem Mäntelchen des Guten versteckt sind. Da fährt Jesus dazwischen: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“

In der Tat: Der heilige Franziskus hat in radikaler Überspitzung auf die Macht, gerade auch auf die subtile, verzichtet. Er wollte damit aufzeigen, dass die Christenmacht die Liebe, das Dienen, die Fußwaschung ist.

Daher bleibt der heilige Franziskus auch für kommende Zeiten ein faszinierendes Vorbild, weil er die Armut für die Befähigung hält, das Dienenkönnen zu realisieren. Wir wissen zu sehr, wie viel Leid durch Macht und Machtstreben in die Welt kommt, in die große, in die kleine Welt. Denn jeder hat einen Machtbereich, jeder und jede kann Machtmissbrauch betreiben.

Schließlich: Der heilige Franziskus lebte aus der Eucharistie, aus der Kommunion mit dem Gekreuzigten. Die Art und Weise, wie er Umgang und Gemeinschaft mit Christus am Kreuz pflegte, ist weithin bekannt. Franziskus lebte von und mit dem Gekreuzigten, wie er sich auf dem Altar vergegenwärtigt. In diesen Tagen begann die Welt-Bischofs-Synode in Rom. Im Eucharistischen Jahr wollen die Bischöfe wieder deutlich machen, woraus die Kirche lebt, woraus die Heiligen lebten und wir Christen leben sollen. Der von aller Welt geachtete Papst Johannes Paul II. hat gleichsam als Krönung seines Pontifikates und als letztes Vermächtnis uns die rechte Hochschätzung der Heiligen Messe ans Herz gelegt und uns zur Anbetung des eucharistischen Herrn angehalten. Der heilige Franz lebte in steter Gegenwart und Communio mit dem Gekreuzigten. Gerade auch durch sein Leben und seine Christusverbundenheit begann in der Kirche das Erblühen der eucharistischen Frömmigkeit und der tieferen theologischen Erkenntnis und Durchdringung dieses Geheimnisses unseres Glaubens. Pater Pio, der Heilige der Eucharistie in unseren Tagen, ein geistiger Sohn des heiligen Franziskus, soll einmal sinngemäß gesagt haben: „Eher kann die Erde einmal einen Tag ohne Sonne sein, als die Menschheit ohne die Heilige Messe“. Es ist ja bekannt, wie dieser Heilige die Heilige Messe feierte und die Gläubigen zu seinen Lebzeiten gelehrt hat, diese grandiose Manifestation der Erlöserliebe Jesu zur Welt innerlich mitzutragen. Solche spirituelle Tiefensicht ist Geist vom Geiste Franziskus‘.

Daher muss eigentlich von jedem recht gefeierten Franziskustag eine neue eucharistische Spiritualität ausgehen. Die Heilige Messe ist das große Geschenk des Herrn für uns und für alle. Franziskus wäre ohne die Eucharistie niemals diese faszinierende Persönlichkeit geworden, wie er es noch heute nach 800 Jahren ist.

Darum ehren wir ihn am besten, wenn wir das ehren, was für ihn anbetungswürdig und Quelle der Kraft war: die Heilige Messe und die innige Kommunion mit dem Herrn.

In einer Heiligen Messe wurde ihm tiefe Erkenntnis für seinen Lebensweg, für die Welt und über Christus geschenkt. Das ist auch heute noch das Geheimnis der Kraft der Eucharistie. Amen.

(90 Zeilen/4205/1361)