Würzburg (POW) Am Sonntag, 27. Januar, wird der Ökumenische Bibelsonntag gefeiert. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Gärten pflanzen in der Fremde“, als Bibeltext wurde der Anfang des 19. Kapitels des alttestamentlichen Buches Jeremia ausgewählt. Ein Teil der am Bibelsonntag gesammelten Spenden kommt Bibelprojekten zugute, die von der Katholischen Bibelföderation betreut werden. In diesem Jahr ist China das Schwerpunktland. Der Diözesanleiter des Katholischen Bibelwerks im Bistum Würzburg, Burkhard Hose, spricht im folgenden Interview über den Wandel in China, den biblischen Werten und den Sinn des Ökumenischen Bibelsonntags.
POW: In China wächst das Interesse an christlicher Spiritualität und der Bibel. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Burkhard Hose: Das hängt zunächst wohl damit zusammen, dass im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung Chinas in den vergangenen Jahren auch eine gewisse Liberalisierung im Umgang mit den Religionen eingesetzt hat. Von freier Religionsausübung kann allerdings deshalb noch lange nicht die Rede sein. Aber der Zugang zu westlichem und damit auch christlichem Gedankengut ist einfacher geworden. Gleichzeitig führt die Kapitalisierung Chinas auch zu größeren sozialen Unterschieden in der Bevölkerung, zu einer Kluft zwischen Armen und Reichen. Die biblische Botschaft von einem Gott, der für Gerechtigkeit eintritt, und die Parteinahme Jesu für die Benachteiligten finden vor diesem Hintergrund auch in China immer mehr Anhänger.
POW: In der Gesellschaft wird oft geklagt über einen Werteverlust. Die Bibel bietet einen großen Fundus an Werten – warum kommen sie bei den Menschen nicht mehr an?
Hose: Ich bestreite, dass die biblischen Werte bei den Menschen heute nicht mehr ankommen. Zumindest mache ich da im Umgang mit jungen Menschen andere Erfahrungen. Werte wie Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung und Achtung vor jedem Leben sind auch heute vielen – gerade jungen Menschen – wichtig. Nicht die biblischen Werte sind in der Krise, sondern deren Vermittlung. Im Religionsunterricht oder im Gespräch mit Studierenden verbinden viele mit den Werten der Bibel zunächst einen engen Moralkodex, der das Leben beschwert. Bei der direkten Begegnung mit den biblischen Texten und mit dem Kontext ihrer Entstehung entdecken die meisten: Die Enge ist weniger das Problem der Texte, sondern vielmehr das Thema mancher ihrer Ausleger.
POW: Was erhoffen Sie sich vom Ökumenischen Bibelsonntag – kann der Tag etwas bewegen?
Hose: Der Bibelsonntag kann eine Anregung sein, über den Stellenwert der Bibel im Leben einer Gemeinde oder in meinem persönlichen Glaubensleben nachzudenken. Natürlich ist sozusagen jeder Sonntag Bibelsonntag, denn es gibt keinen christlichen Gottesdienst ohne eine Schriftlesung. Gerade wegen dieses alltäglichen und gewohnten Gebrauchs der Bibel tut es aber gut, ihr an einem Sonntag im Jahr einmal wieder mit außergewöhnlicher Aufmerksamkeit zu begegnen. Die Juden gönnen sich und der Tora jedes Jahr ein eigenes Fest, Simchat Tora, das bedeutet Fest der Tora-Freude. Das wäre mein größter Wunsch für den Bibelsonntag: Dass es ein Tag ist, an dem in Gemeinden die Bibel nicht nur gelesen, sondern ihre befreiende und menschenfreundliche Botschaft auch gefeiert wird.
(0408/0125; E-Mail voraus)
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