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Freut euch noch und noch

Predigt von Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele am dritten Adventssonntag, 11. Dezember 2005, in der Pfarrkirche Sankt Nikolaus in Geldersheim

„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch“ (Phil 4,4). So beginnt die Kirche rund um den Erdball den dritten Adventssonntag. Mitten im Ernst der Adventszeit lädt sie zu einem Fest der Freude ein. Hier in Geldersheim reicht das „noch einmal sage ich: Freut euch“ nicht aus. Wir müssen „noch einmal“ und „noch einmal“ und „noch einmal“ sagen, denn wir haben einen vielfachen Grund zur Freude. Nach drei Jahren kann sich die Gemeinde wieder in ihrer schönen Kirche versammeln. Die Schäden, die der Sturm in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 2002 angerichtet hat, sind behoben; die Kirche erstrahlt in neuem Glanz. Man kann geradezu das Wort des Propheten aus der ersten Lesung auf sie anwenden: Sie erscheint so „wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt“ (Jes 61,10). Die statischen Probleme, die nach dem Sturm sichtbar wurden, sind mit großem Aufwand gelöst: Das Fundament ist gefestigt, der Zusammenhalt der Mauern ist durch einen Ringanker gesichert. Obendrein können wir noch den Pfarrpatron Sankt Nikolaus feiern. Da sollte es uns nicht schwer fallen, dem Aufruf des Apostels zu folgen: „Freut euch im Herrn … Noch einmal sage ich: Freut euch!“ Zugleich sollten wir für die weiteren Appelle offen sein, die in der heutigen Messfeier zu hören sind. Sie lauten: „Dankt für alles“ (1 Thes 5,18). „Prüft alles“ (1 Thes 5,21). „Gebt Zeugnis vom Licht wie Johannes der Täufer es getan hat" (Joh 1,7 f.). „Lasst alle Menschen eure Güte erfahren“ (Phil 4,5) nach dem Vorbild eures gütigen Pfarrpatrons. Vergesst nicht: „Der Herr ist nahe“ (Phil 4,5).

Dankt für alles

Am Anfang der „Tag- und Nachtbücher“ von Theodor Haecker steht der Satz: „Misstraue jeder Freude, die nicht auch Dankbarkeit ist.“ Wenn wir lediglich froh über unsere Leistungen wären, wenn wir uns nur gegenseitig auf die Schultern klopfen würden und uns wechselseitig bestätigten, wie tüchtig wir sind, dann wäre es mit der Freude bald vorbei; dann würden ihre Wurzeln nicht tief genug gehen und ihre Kraft wäre bald erschöpft. Übersehen, verkennen wir es nicht: Alles, was wir feiern dürfen, ist zuerst Gabe Gottes. Er ist die erste und tiefste Ursache von allem Guten, das wir empfangen dürfen. Er kann Menschen bewegen, dass sie einander helfen, dass jeder das beiträgt, was ihm möglich ist. Es ist so wie der Psalmist es besingt: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). Mit seinem Einsatz will der Herr uns nicht nur sozusagen von oben herab deutlich machen, dass wir aus uns heraus nichts vermögen; er will uns aus nächster Nähe zeigen, dass er uns liebt. Dass wir von ihm persönlich beschenkt werden, kann unserer Freude eine ganz neue Qualität verleihen. Wir dürfen uns im Herrn und am Herrn erfreuen. Dafür gebührt ihm unser Dank. Im Danken zeigt sich, dass wir nicht nur die Gaben schätzen, sondern mehr noch den Geber aller Gaben. Er wartet auf unseren Dank, weil er uns dann weiter beschenken kann. Das ist der tiefere Grund für die Aussage, die der Apostel dem Appell anschließt: „Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört“ (1 Thess 5,18). Nüchtern fügt Paulus hinzu: „Prüft alles“ (1 Thess 5,21).

Prüft alles

Nach dem Sturm hieß die erste Aufgabe: Genau prüfen, wie es um den Bau steht. Erst dann kann man das Rechte tun. Dabei stellte sich heraus, dass der Untergrund der Wände weithin aus Schwemmsand bestand. Das war eine Bedrohung des gesamten Bauwerks. Also musste mit großem Aufwand für ein stabiles Fundament gesorgt werden. Was für die Kirche aus Steinen notwendig war, ist es auch für die Kirche aus lebendigen Steinen. Ja, jedes einzelne Glied tut gut daran, zu prüfen, wie es um das Fundament seines Lebens bestellt ist. Der Apostel lässt keinen Zweifel daran, welches Fundament wir brauchen: „Einen anderen Grund kann niemand legen, als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor 3,11). Das gilt für jeden und für jede, das gilt für die ganze Gemeinde. Die Frage ist: Wie bin ich mit diesem Fundament verbunden? Gibt es auch bei mir, gibt es bei unserer Gemeinde etwas wie Schwemmsand, der sich zwischen uns und unserem Fundament findet und uns faktisch von ihm trennt und uns damit schwer gefährdet? Das ist gewissenhaft zu prüfen.

Was wirkt wie Schwemmsand? Alles, was die Verbindung mit Christus gefährdet. In jeder Sünde ist das der Fall. Sünde sondert; sie schiebt sich zwischen Christus und uns. Was verbindet uns mit unserem Fundament? Die Antwort des Apostels heißt: „Der Glaube, der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6). Tun wir deshalb alles, was den Glauben stärken kann. Sorgen wir dafür, dass er sich im Tun bewährt. Am Ende der Bergpredigt sagt Jesus im Blick auf alles, was er vorher verkündet hat: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein, denn es war auf Fels gebaut“ (Mt 7,24 f.). Euer Gotteshaus hat nunmehr stabilen Kontakt mit dem Fundament; sorgt dafür, dass dies auch in eurem Leben der Fall ist!

Ein wichtiger Test für die Qualität des Glaubens ist die Bereitschaft, ihn weiterzugeben. Der Glaube ist ein Geschenk zum Weiterschenken. Das kann uns das heutige Evangelium bewusst machen. Sein Appell an uns lautet:

Gebt Zeugnis vom Licht wie Johannes der Täufer es getan hat

Vieles und Großes kann man von Johannes dem Täufer sagen. Von all dem hebt das Evangelium hervor: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht“ (Joh 1,7). Es ist eine Ermutigung für uns, wenn es anschließend heißt: „Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht“ (Joh 1,8). Wie bei allen Menschen sind auch bei Johannes die Wirkmöglichkeiten begrenzt. Es steht düster um ihn, wenn man seine menschlichen Fähigkeiten ins Auge fasst. Es wird hell in ihm und um ihn herum, wenn er das Licht aufnimmt und weitergibt, das in Christus gegeben ist. Indem er glaubwürdig davon spricht, können andere „durch ihn zum Glauben kommen“ (Joh 1,7). Freund und Feind sagt er: „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt“ (Joh 1,26). Das ist wie eine Summe der Frohbotschaft: Gott selber will mitten unter uns sein; er ist mitten unter uns. Darum geht es in unserem Glauben und in seiner Weitergabe. Davon Zeugnis zu geben ist nicht Priestern und pastoralen Kräften vorbehalten. Jeder Christgläubige ist dazu berufen, auf jeden kommt es an. Unser Zeugnis wird umso wirksamer, je mehr es durch unser Leben bestätigt wird. Es hat seinen tiefen Sinn, wenn Paulus den Aufruf zur Freude mit dem Appell verbindet:

Lasst alle Menschen eure Güte erfahren

Wenn wir die wunderbare Wahrheit weitergeben wollen, dass Gott die Liebe ist, müssen wir alles daransetzen, selber in der Liebe zu leben. Jede Lieblosigkeit schwächt unsere Glaubwürdigkeit. Jede Lieblosigkeit ist ein Antizeugnis. Ist der Glaube in der Liebe wirksam, dann wird er auch in der Welt wirksam. Das zeigt die Wirkungsgeschichte eures Pfarrpatrons. Gelehrte streiten sich darüber, ob er beim Konzil von Nizäa mitgewirkt hat; unstrittig ist, dass er durch seine Güte vielen Menschen geholfen hat. Über anderthalbtausend Jahre hinaus ist sein Vorbild lebendig geblieben. Sorgen wir dafür, dass diese Gemeinde nicht nur seinen Namen trägt, sondern immer mehr in seinem Geist und nach seinem Beispiel lebt und handelt. An Gelegenheiten gütig zu sein, fehlt es nicht. Wenn nach dem Aufruf des Apostels alle Menschen unsere Güte erfahren sollen, dann wird dadurch deutlich, dass alle Menschen die Güte nötig haben, nötiger als das tägliche Brot. Das gilt zunächst für die, denen wir in der Familie verbunden sind; es betrifft alle in der Pfarrei. Wie der Ringanker die Mauern zusammenhält, so vereint die Güte Menschen miteinander; so hält sie sie zusammen. Als Glieder der Kirche, die für die ganze Menschheit in Pflicht genommen ist, schulden wir unsere Güte der ganzen Welt. Heutzutage, wo die Menschheit immer mehr zusammenrückt, wo wir durch Nachrichten und Verkehrsmittel immer mehr zu Nachbarn werden, muss die Güte der christlichen Gemeinde weltweit erfahren werden können.

Wenn wir uns das bewusst machen und zugleich uns sehen, wie wir sind, dann kann einem angst und bange werden. Wie soll ich das alles fertig bringen? Die wichtigste Antwort auf diese Frage und damit auf die Nöte, die hinter ihr stecken, heißt:

Der Herr ist nahe

Wir brauchen nicht alles allein zu schaffen. Er ist da. Er ist da, um dir zu helfen. Er ist da, um durch dich zu helfen. Er ist mitten unter uns. Er will auch die Mitte unseres Lebens sein. Von dieser Mitte aus können Dinge geschehen, die wir aus eigener Kraft nicht schaffen können. Der Herr will uns immerzu nahe sein, deshalb können wir uns immerzu freuen; deshalb dürfen wir immerzu helfen; deshalb wollen wir immerzu danken. Amen.

(5005/1646)