Heute ist ein Freudentag für unser Bistum Würzburg. Fünf junge Männer empfangen das Sakrament der Priesterweihe. Viele Verwandte, Freunde und Gläubige aus den verschiedensten Wegstationen unserer Weihekandidaten haben sich hier zusammengefunden, um an diesem Ereignis teilzunehmen.
Dieses Ereignis, das wir durch das Wirken des Heiligen Geistes am Vortag des Pfingstfestes miterleben dürfen, öffnet uns einen Spalt weit den Himmel. All zu oft, sind wir durch die Alltagsprobleme so in Beschlag genommen, dass wir den Blick mehr auf die Erde als auf den Himmel richten und so oft die befreiende Wirklichkeit des Glaubens nicht wahrnehmen.
Heute aber dürfen wir miterleben, wie diese fünf Diakone vor Gott hintreten und sagen: „Hier bin ich. Sende mich!“
Nach einer langen Zeit der Vorbereitung, des Ringens um den für sie richtigen Weg, nach Prüfung und Einübung dürfen sie nun wie weiland der Prophet Jesaja (* 765 v. Chr.) sagen: „Hier bin ich. Sende mich!“
Der Prophet Jesaja entschied sich dazu 740 v. Chr. nach einer Begegnung mit dem lebendigen Gott. In einer Vision hatte er die unaussprechliche Gegenwart des Allmächtigen erlebt. Erschüttert sagte er zunächst: „Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen…“ (Jes 6,5). Ob so nicht viele junge Menschen bei uns denken? Und werden das nicht auch unsere Weihekandidaten sagen können?
Ein Seraph reinigte mit einer glühenden Kohle den Mund Jesajas und tilgte damit seine Sünden. Wir dürfen durch das Erlösungsopfer Christi am Kreuz – zumal durch das Sakrament der Buße – unsere Sünden tilgen lassen.
Jesaja hörte dann die Stimme des Herrn: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?“ Darauf hin erklärte er sich bereit: „Hier bin ich.“ Wie oft mag diese Anfrage Gottes in unseren Tagen nicht gehört werden?
Der Prophet hat sich eindeutig für den Auftrag Gottes entschieden. Und Gott sendet ihn mit klarer Weisung: „Geh und sage diesem Volk…“ (Jes 6,8). Die Jesaja aufgetragene Botschaft ist wahrhaft keine leichte Kost! Auch für uns heute ist es nicht leicht, die Heilsbotschaft Gottes ohne Verkürzung oder Zutat zu verkünden.
Voraussetzung für die Berufung ist die Begegnung mit dem lebendigen Gott. Jesaja hatte sie in einer Vision. Auch der heilige Völkerapostel Paulus begegnete dem auferstandenen Herrn in einer außerordentlichen Weise vor Damaskus. Er stürzte wie geblendet zu Boden, sah ihn nicht, hörte aber die Stimme: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“ Durch diese Berufung wurde aus dem Christenverfolger Saulus der Völkerapostel Paulus.
Nicht so spektakulär, aber dennoch sehr beeindruckend erfuhr Samuel seine Berufung als er beim Gottesmann Eli im Tempel, in dem die Bundeslade Gottes stand, Dienst tat. Er hörte die Stimme des Herrn und antwortete: „Hier bin ich.“ (1 Sam 3,4). Dann lief er zu Eli, weil er dachte, dass dieser ihn gerufen habe. Eli erkannte beim dritten Mal, dass Gott den Samuel rief und gab ihm den Rat: „Wenn er dich wieder ruft, dann antworte: ‚Rede, Herr; denn dein Diener hört.“ (1 Sam 3,9). So geschah es.
Die Berufung der ersten Jünger Jesu geschah am See Gennesaret. Nach einer erfolglosen Nacht, in der sie keine Fische gefangen hatten, forderte Jesus Simon, Jakobus und Johannes auf: „Fahrt hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!“ (Lk 5,4) Nach dem Einwand des berufserfahrenen Simon, dass dies wohl keinen Zweck haben dürfte, folgten die Fischer doch dem Auftrag Jesu und erlebten den reichen Fischfang, der sie erschütterte und Simon Petrus ausrufen ließ: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder.“ (Lk 5,8). Daraufhin aber erfolgte seine Berufung durch Jesus: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“ (Lk 5,10)
Liebe Schwestern und Brüder,
sicherlich werden auch unsere Weihekandidaten innerlich aufgewühlt sein. Jeder von ihnen weiß um seine Bedürftigkeit und seine Begrenztheit. Und doch hat jeder von ihnen auch seine eigene Berufungsgeschichte. Gemeinsam ist ihnen die Berufung durch Gott, dem sie begegnet sind. Wie – das wird jeder von ihnen in seinem Herzen als kostbares Geschenk tragen. Nicht die herausragenden innerweltlichen Fähigkeiten, Begabungen und Talente sind das Entscheidende der Berufung, sondern der Wille Jesu Christi, der seine Hand auf den einzelnen legt und sagt: „Folge mir!“ Mit der Priesterweihe werden keine Supermänner oder Superstars kreiert, sondern Menschen von Gott in den Dienst genommen, die sich mit Haut und Haaren auf seine Zusage einlassen, dass er sie begleitet, trägt und befähigt, Christus hier und heute durch ihre priesterliche Existenz sichtbar und erlebbar zu machen.
Hier wird ein menschliches Abenteuer sichtbar, dass die Realität Gottes in den Alltag unseres Lebens hinein verleiblicht.
Diese Weihekandidaten legen damit verbindliche Optionen für ihr Leben fest. Ihre Bereitschaft, ihr ganzes Leben in die offenen Hände Gottes zu legen, schließt ihr ganzes Wollen und Können ein. Mit dem Satz: „Hier bin ich. Sende mich!“ übergeben sie nicht nur einen Teil ihres Lebens Gott, sondern sich ganz.
Diese Entscheidung fordert auch den ganzen aktiven Einsatz. Sie werden nicht für sich, sondern für das Volk Gottes geweiht.
Wenn sich die Diakone nachher auf den Boden legen, dann übergeben sie Gott ganz und gar das Verfügungsrecht über ihr Leben. Sie wollen nicht mehr ihr Leben im Sinne innerweltlicher Strukturen planen, Karriere oder Erfolg als Leistungsergebnis anstreben. Sie bauen darauf, dass Gott sich in ihnen als lebendig und wirksam erweist. Darum dürfen sie von ihm her auch in der Priesterweihe die Befähigung zum Handeln in persona Christi erwarten. „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!“ (Gal 2,20) ruft der heilige Paulus im Galaterbrief aus.
Das ist das Geheimnis, aus dem jede Berufung und diese Priesterweihe lebt und an dem wir partizipieren dürfen.
Danken wir darum Gott aus ganzem Herzen und begleiten wir die Neugeweihten mit unseren Gebeten und unserer Anteilnahme. Amen.