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Füreinander Geschenk sein

Interview mit Augustiner-Provinzial Pater Alfons Tony über das Weihnachtsfest

Würzburg (POW) Erst ein leckeres Essen, dann die Bescherung und anschließend geht es in die Christmette: Das ist der Ablauf des Heiligen Abends bei vielen Familien. Die 72 Mitglieder des Augustinerordens in Deutschland allerdings gestalten das Fest der Liebe ein klein wenig anders. Im folgenden Interview erzählt Provinzial Pater Alfons Tony (52), wie die Mönche Weihnachten feiern, er erinnert sich an seine Kindheit zurück und verrät seinen Weihnachtswunsch.

POW: Lebkuchen in den Supermärkten, Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt – sind Sie schon in Weihnachtsstimmung?

Pater Alfons Tony: Nein, noch nicht. Verstehen kann ich zwar das Bedürfnis der Menschen in der kalten und dunklen Jahreszeit nach Wärme und Licht, wie es durch die Lichterketten auf den Straßen und mit einem Besuch auf einem Christkindlmarkt erlebbar wird. Allerdings finde ich, was da in den Städten und Geschäften gemacht wird, ist eine Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes, die ich für problematisch halte.

POW: Warum?

Tony: Es geht nur noch ums Geld, dabei sollte man sich in der Adventszeit besinnen. Sie ist eigentlich eine Fastenzeit, eine Zeit, die hinführen will zum Weihnachtsfest.

POW: Was kann die Kirche gegen die Kommerzialisierung von Weihnachten tun?

Tony: Die Kirchen laden ein zur Besinnung. Wir laden in der Würzburger Augustinerkirche jeden Tag ein zu Musik und Meditation mit einem inhaltlichen Impuls, der zum Nachdenken anregt. Es gibt auch andere Angebote wie zum Beispiel Adventsgottesdienste. Von der Kirche wird eigentlich Vieles angeboten. Das ist das eine, aber was auf den Straßen geschieht, darauf können wir wenig Einfluss nehmen.

POW: Wie feiern die Augustiner Weihnachten?

Tony: Wir beginnen am Heiligen Abend mit einer Weihnachtsvesper in der Kirche, das ist ein Wortgottesdienst, den wir in der Kirche als Klostergemeinschaft begehen, aber auch alle von außen einladen. Die Weihnachtsvesper dient als Einstimmung auf das Fest selber. Im Mittelpunkt stehen Psalmen und Texte aus der Bibel, die auf das Weihnachtsfest hindeuten. Anschließend sind wir als Klostergemeinschaft beieinander und haben ein gemeinsames Abendessen im Refektorium. Nach dieser gemeinsamen Zeit hat jeder einzelne Bruder die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und sich innerlich auf die Heilige Nacht einzustellen. Die begehen wir dann gemeinsam mit der Christmette in der Kirche.

POW: Gibt es zum Abendessen auch ein traditionelles Weihnachtsgericht?

Tony: Ich weiß, dass in Familien das Weihnachtsfest sehr stark geprägt ist durch Bräuche und Traditionen. Das war in meiner Kindheit auch so, da gab es ein bestimmtes Essen, das gab es immer nur am Heiligen Abend, sonst das ganze Jahr über nicht.

POW: Was war das?

Tony: (lacht) Das war Schaschlik, witziger Weise. Weihnachten lebt ganz stark von Kindheitserinnerungen. Bei mir zu Hause war das eben immer so: Da gab es Schaschlik und eine weiße Tischdecke, die es auch das ganze Jahr über nicht gegeben hat. Die spannende Frage war: Wer bringt‘s fertig, diese weiße Tischdecke einzusauen? (lacht) Und da ist Schaschlik natürlich ein hervorragendes Essen. Hier im Kloster kennen wir solche Festlegungen nicht.

POW: Also essen Sie ganz normal zu Abend?

Tony: Es gibt schon was Schönes, was Festliches. Aber eine Tradition, dass es das jedes Jahr gibt, haben wir nicht.

POW: Beschenken Sie sich denn gegenseitig?

Tony: Das ist bei uns nicht üblich. Ich persönlich erlebe das als entlastend und befreiend, weil ich mir nicht Gedanken machen muss, was ich dem Anderen schenken kann. Ich sehe es mehr so, dass wir füreinander ein Geschenk sind. Auch dass wir als Klostergemeinschaft diese Tage verbringen können und die Menschwerdung Gottes konkret erleben dürfen.

POW: Fallen dann bei Ihnen alle weihnachtlichen Traditionen weg, also auch das Schmücken?

Tony: Das meiste ja. Wir haben schon einen weihnachtlichen Schmuck. Es gibt einen Christbaum, eine Krippe werden wir wohl auch haben. Es reduziert sich eben auf das Wesentliche. Diese ganzen Lichterketten, wie sie überall in den Fenstern sind, das brauchen wir alles nicht.

POW: Wird denn auch ein bisschen im Kreis der Verwandten gefeiert?

Tony: Ja. Es ist so, dass wir Heilig Abend und den ersten Feiertag unter uns begehen und am zweiten Feiertag ist es üblich, dass wir unsere Eltern – sofern sie nicht zu weit entfernt leben – zum Essen einladen.

POW: Hier im Kloster?

Tony: Ja. Ich selber werde meine Eltern besuchen, weil sie im hohen Alter sind und selbst nicht mehr kommen können.

POW: Weihnachten bedeutet auch Rückbesinnung auf Werte wie Nächstenliebe oder Frieden. Ist das in der heutigen Zeit, in der Menschen mehr materialistisch und egoistisch eingestellt sind und wo Krieg an vielen Orten auf der Welt herrscht, überhaupt noch möglich?

Tony: Gerade angesichts der Welt, in der wir uns befinden, mit den Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen, ist es umso wichtiger, Weihnachten als ein Fest des Friedens und der Menschlichkeit – Letzteres wäre mir sogar wichtiger – zu begehen. Da brauchen wir nur in unsere Gesellschaft hineinschauen: Die Frage nach der Solidarität müssen wir pflegen und daran erinnern, dass wir alle eine Menschheitsfamilie sind. Weihnachten als Menschwerdung Gottes ist auch ein Auftrag, sich immer wieder neu auf den Weg der Menschwerdung zu machen.

POW: Aber das fällt einem Großteil der Menschen ja anscheinend so schwer. Wie kann das Bewusstsein da geschärft werden?

Tony: Man muss dazu bereit sein. Wenn ich mir die Umstände anschaue, unter denen Jesus geboren wurde, da war es auch alles andere als unproblematisch und friedlich: fast auf der Flucht geboren, außerhalb der städtischen Gemeinschaft. Auch heute gibt es Probleme in der Welt. Deshalb der Auftrag, einander solidarisch zu begegnen.

POW: Wie sieht die solidarische Begegnung in der Praxis aus?

Tony: Für mich fängt das schon im ganz Kleinen an. Da brauche ich nur in die Stadt hinaus und in die Fußgängerzone zu gehen: Wie begegne ich da Menschen? Ich muss ja niemanden um den Hals fallen, aber schaue ich jemanden an? Renne ich vorbei? Nehme ich Bedürftige wahr, die um eine Spende bitten? An diesem kleinen Beispiel zeigt sich, wo Menschlichkeit, wo Solidarität beginnt. Es müssen nicht immer große Gesten sein. Alleine die Spende für Adveniat reicht aber auch nicht aus.

POW: Sie haben es angesprochen, zu Zeiten Jesu war die Situation in der Welt auch nicht leicht. Heute droht durch die Euro-Krise das Finanzsystem aus den Fugen zu geraten. Fördert diese schwierige Situation vielleicht wieder den Glauben der Menschen an Gott?

Tony: Ich glaube, es ist nicht einfach, auf dieser politischen Ebene das Thema zu behandeln. Da geht es momentan auch um Solidarität von starken Volkswirtschaften mit schwächeren. Diese Solidarität halte ich für wichtig. Allerdings muss die Solidarität zur Unabhängigkeit verhelfen. Für Europa bedeutet das: die Schulden anderer Ländern nicht nur zu bezahlen, sondern diese auch zu bestärken, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

POW: Dann also allgemeiner gefragt: Schafft die Weihnachtszeit in dieser schwierigen Phase der Kirche wieder eine stärke Bindung der Menschen an den Glauben?

Tony: Wenn Sie auf die Missbrauchsfälle in der Kirche und das dadurch beschädigte Vertrauen anspielen: Was durch die Missbrauchsfälle geschehen ist, das lässt sich nicht wegwischen. Das ist geschehen, das ist aufgedeckt worden und dazu müssen wir als Kirche stehen. Als Kirche bleibt uns nur, Unrecht und Verletzungen, die geschehen sind, ernst zu nehmen und dafür um Verzeihung zu bitten. Es gilt, Vertrauen wieder aufzubauen. Dass da ein Fest wie Weihnachten einen Beitrag dazu leisten kann, das könnte ich mir vorstellen, das weiß ich aber nicht. Missbrauch ist ein komplexes Thema. Wenn jemand Opfer ist, dann wird die Erfahrung, ausgenutzt worden zu sein, sich nicht durch ein Weihnachtsfest wieder beheben lassen.

POW: Übers Jahr bleiben die Kirchenbänke leer, an den Weihnachtsfeiertagen ändert sich das. Was halten Sie von den Menschen, die nur an den hohen Feiertagen den Gottesdienst besuchen, weil es eben Tradition ist?

Tony: Prinzipiell ist die Kirche für alle offen. Auch Menschen, die das Bedürfnis haben, an Weihnachten mitzufeiern, sind herzlich willkommen. Hier eine Ausgrenzung oder Relativierung zu machen, halte ich nicht für sinnvoll. Mein Eindruck ist allerdings, dass sich dieses Schema – übers Jahr wenige Kirchgänger und an Weihnachten viele – relativiert hat. Wer sich der Kirche nicht mehr zugehörig fühlt, wird auch an Weihnachten nicht in die Kirche gehen.

POW: Und was halten Sie davon?

Tony: Es ist die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen. Da kann ich keine Wertung vornehmen.

POW: Welchen Tipp haben Sie für Menschen, die einsam das Weihnachtsfest begehen?

Tony: Sinnvoll sind offene Einladungen für diejenigen, die alleine sind und sich vielleicht auch keiner kirchlichen Gemeinschaft zugehörig fühlen. In Weiden in der Oberpfalz, wo ich Prior war, haben wir in Verbindung mit der Caritas am Heiligen Abend Menschen eingeladen und beherbergt. Es gab auch ein festliches Essen miteinander und Impulse dazu. Ich hatte den Eindruck, dass es sehr stark wahrgenommen wurde. Dass es solche Möglichkeiten auch in Würzburg gibt, da bin ich mir sicher. Nur weiß ich nicht, wo.

POW: Die Handelskette Müller und Ihr Kloster – in der Würzburger Innenstadt alles unter einem Dach. Hektik und Konsum prallen auf geistliches Leben. Wie erleben sie das?

Tony: Wir sind hier als Augustiner in Würzburg mitten in der Fußgängerzone. Das ist ein geeigneter und wertvoller Ort, weil wir mitten im Leben sind. Somit ist unsere Kirche auch als offene Kirche erlebbar. Sie lädt hier mitten im Kommerz ein, die Einkaufstasche auch mal auf den Boden zu stellen, die Ruhe zu genießen und in der Gegenwart Gottes zu verweilen.

POW: Also: Kirche am Puls der Zeit?

Tony: Genau. Das entspricht auch unserem Auftrag. Als wir im 13. Jahrhundert gegründet wurden, ging es genau darum, am Puls der Zeit zu sein, auf die Not in der Zeit einzugehen. Das ist auch heute noch unser Auftrag: Am Puls der Zeit zu sein und auf Nöte eingehen. Hier in Würzburg gibt es noch keine ausgeprägte Trauerpastoral, das ist hier die Not. In unserer Kirche haben wir bei der Renovierung dazu einen Akzent geschaffen, einen Raum, den wir „ZwischenRaum“ nennen, der zur Besinnung einlädt, der konfessionell nicht gebunden ist und der Menschen einlädt, an diesem Ort zu verweilen, die sich aus unterschiedlichen Gründen in einer Trauerphase befinden.

POW: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?

Tony: (Pause) Da muss ich erst einmal drüber nachdenken. (Pause) Für mich persönlich wünsche ich mir zu Weihnachten eine Zeit der Ruhe und der Besinnung. Bei der ich auch zu mir selber finden kann und damit auch einen Impuls für meine eigene persönliche Menschwerdung empfangen kann. (Pause) Für uns als Klostergemeinschaft und auch darüber hinaus möchte ich uns Frieden wünschen, im Kleinen und im Großen. Dazu gehört, sich einander respektvoll zu begegnen.

Zur Person

Pater Alfons Tony (52) ist seit dem 13. Juni 2011 Provinzial der deutschen Augustinerprovinz. Er wurde 1959 in Bad Mergentheim geboren. Von 1970 an besuchte er das Wirsberg-Gymnasium in Würzburg. Gleichzeitig wohnte er zunächst im Johanneum der Karmeliten und nach dessen Auflösung 1972 im Internat der Augustiner. Nach dem Abitur 1979 trat er in den Augustinerorden ein und begann sein Noviziatsjahr in Münnerstadt. Dort legte er am 13. September 1980 seine erste Profess ab. Anschließend begann Tony sein Theologiestudium an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, das er im Mai 1986 mit dem Diplom abschloss. Am 17. Mai 1986 wurde er zum Diakon geweiht. Die Priesterweihe empfing er am 6. Juni 1987 durch Bischof Dr. Paul-Werner Scheele. Von 1987 bis 1989 war Tony Kaplan in Münnerstadt, dann von 1989 bis 1991 Pfarrverweser in Hausen und Erbshausen/Sulzwiesen. Von 1991 bis 2003 gehörte er der Provinzleitung an. In dieser Zeit war Tony auch Magister des Noviziates in Germershausen und bis 2002 theologischer Referent an der dortigen Bildungsstätte Sankt Martin. Von 2003 bis 2010 war er als Prior und Rektor Ecclesiae in Weiden tätig, wo die Augustiner, bis zur Auflösung der Niederlassung, ein Internat betrieben und die Klosterkirche betreuten. Zuletzt war Tony im Augustinerkloster Messelhausen für die Seelsorgeeinheit Messelhausen im Erzbistum Freiburg zuständig.

(4911/1280; E-Mail voraus)

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