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„Fußball ist keine Religion“

Pastoralreferent Dr. Thorsten Kapperer schreibt Doktorarbeit zum Thema „Leidenschaft und Fußball“ – Wie kann man die Botschaft Jesu besser an die Menschen bringen?

Bad Neustadt (POW) „Fußball und Kirche durchziehen mein Leben, seit ich denken kann.“ Seine beiden Leidenschaften hat Pastoralreferent Dr. Thorsten Kapperer, Beauftragter für Jugend und Schule im Dekanat Bad Neustadt sowie Regionaljugendseelsorger, nun in einer Doktorarbeit zusammengebracht. „Leidenschaft und Fußball. Ein pastoral-theologisches Lernfeld“ lautet der Titel des 464 Seiten umfassenden Werks. Er wolle die Begriffe Fußball und Pastoral in ein „produktives Spannungsverhältnis“ bringen, beschreibt der 36-Jährige das Ziel seiner Arbeit. Fußball beinhalte viel kreatives Potenzial für die Pastoral. Dieses Potenzial möchte er unter anderem für die Pastoral der Zukunft nutzen, erklärt er. „Ich wünsche mir mehr Leidenschaft, auch in der Kirche.“

„Ich bin fußballverrückt und kirchenverrückt“, beschreibt Kapperer sich selbst. Aufgewachsen in Lohr am Main, spielte er als Kind im SV Sendelbach und trainierte später die G- und F-Jugend. Zugleich war er Ministrant, dann Oberministrant. In der zwölften Klasse beschloss er, Theologie zu studieren, und absolvierte anschließend die Ausbildung zum Pastoralreferenten. „Pastoralreferent ist mein Traumberuf“, sagt er. Schon damals habe er gemerkt, dass es Berührungsfelder zwischen Sport und Religion gebe. Für seine Zulassungsarbeit zur Zweiten Dienstprüfung wählte er das Thema Fußball und Kirche. Nach der Ausbildung habe er dann den Wunsch verspürt, ein eigenes pastorales Konzept zu entwickeln. „Ich wollte die beiden Themen wissenschaftlich in Beziehung setzen und mir so ein Konzept für mein pastoraltheologisches Wirken erarbeiten“, erklärt Kapperer, der mittlerweile für die „Rhön-Oldies“ kickt. Im Verein habe er die Erfahrung gemacht, dass Pastoral auch ganz unerwartete Formen annehmen kann. „Auf dem Fußballplatz bin ich erst einmal Fußballer. Aber alle wissen, dass ich bei der Kirche arbeite. Im Laufe der Jahre haben sich daraus viele tolle Gespräche ergeben.“

Während des Studiums war Pastoraltheologie sein Lieblingsfach. So wandte er sich an Professor Dr. Erich Garhammer, Inhaber des Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Universität Würzburg. „Ich kannte ihn vom Studium. Er war gleich offen für meine Idee.“ Im September 2012 begann Kapperer mit der Arbeit an seiner Promotion, im Sommer 2016 legte er das Doktorexamen ab. „Kirche ist nicht ,nur‘ im Gottesdienst sichtbar. Das Religiöse wird auch außerhalb seiner angestammten Orte in den etablierten Konfessionen und Kirchen sichtbar, zum Beispiel auf dem Fußballplatz“, erklärt er die Grundidee seiner Doktorarbeit. Religion biete Inhalte, die einen guten Beitrag für ein gelingendes Leben leisten könnten, wie Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe und einen überlegten Umgang mit der Schöpfung. „Allerdings muss sie ihre Inhalte so kommunizieren, dass sie verstanden werden – auch von Menschen, die sich nicht zu einer Pfarrgemeinde zugehörig fühlen. Die Frage war also: Wie kann man die tolle Botschaft Jesu kommunizieren, so dass sie wieder bei den Menschen ankommt?“

Um sich dieser Frage wissenschaftlich zu nähern, unterteilte Kapperer seine Doktorarbeit in die drei Hauptteile „Sehen“, „Urteilen“ und „Handeln“. Im ersten Teil mit der Überschrift „Sehen – Fußball als Realitätsmodell“ betrachtet er die Geschichte des Fußballs als die Geschichte einer Leidenschaft. „Ein simples Spiel begeistert so viele Menschen, dass es bis heute einen Siegeszug angetreten hat. Ich glaube, dass man davon viel lernen kann“, sagt er. Zugleich stellt er klipp und klar fest: „Fußball ist keine Religion, und es gibt auch keinen Fußballgott.“ Dennoch zeigt er im zweiten Teil unter der Überschrift „Urteilen: Die Leidenschaft des Fußballs – ein höchst bedeutsamer theologischer Analysegegenstand“ unter anderem auf, wie exemplarische Kennzeichen des Heiligen auch beim Fußball sichtbar werden. So beschreibt Kapperer das Heilige als etwas, das zugleich „erschreckt und fasziniert“. Diese völlig gegensätzliche Wirkung zeige sich auch, wenn ein Tor falle. Wenn der Fußballfan das Stadion betrete, lasse er die profane Welt hinter sich und betrete einen anderen Lebensbereich „Beim Fußball kommt das Heilige derart zum Ausdruck, dass es offensichtlich von vielen Menschen verstanden wird. Somit kann der Fußball zum Vorbild pastoraltheologischer Sprachfähigkeit werden“, folgert er.

Für den dritten Teil „Handeln: Die Leidenschaft des Fußballs als Lern-Ort pastoraltheologischer Sprachfähigkeit und die sich daraus ergebenden Haltungs- beziehungsweise Handlungsimpulse“ hat Kapperer bundesweit Beispiele gesammelt, wie Kirche und Fußball voneinander profitieren können. „In Mönchengladbach etwa sind die Kollegen mit dem Pfarrgemeinderat für eine Klausurtagung ganz bewusst in den Konferenzraum des Fußballstadions Bökelberg gegangen. Das hat den Blick verändert“, sagt er. Man habe für die Veranstaltung gezielt das alte Fußballstadion gewählt und nicht den neuen, modernen Borussia-Park. Daraus hätten sich für die Teilnehmer mit Blick auf die Zukunft der Pastoral spannende Fragen ergeben: „Wo hänge ich noch an ,meinem‘ Bökelberg? Wo zieht es mich schon in den neuen Borussia-Park?“

Viele weitere Beispiele hat Kapperer zusammengetragen, von der Fußballwallfahrt mit Jugendlichen über Sportlergottesdienste bis zur Stadionkapelle des FC Schalke 04, in der viele Trauungen und Taufen stattfänden. Er selbst organisierte im Jahr 2010 für seinen Heimatverein SV-DJK Langenleiten einen Fußballworkshop mit Jugendtrainer Udo Bassemir vom FC Bayern München, den er zufällig bei einer Tagung kennen gelernt hatte. Rund 60 Jugendliche kamen, auch aus den benachbarten Vereinen. „Bassemir verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Er hat zum Beispiel die Körperhaltung mit dem Leben verglichen: Man brauche eine gute Haltung, um Dinge gut ansprechen zu können. Die Kinder klebten förmlich an seinen Lippen“, erinnert sich Kapperer.

„Der Gottesdienst ist mir sehr wichtig, aber es muss auch andere Formen geben. Für die Pastoral der Zukunft wünsche ich mir, dass wir noch viel mehr als bislang den Blick über den kirchlichen Tellerrand wagen und uns von dem inspirieren lassen, was Menschen heute bewegt. Gerade mit Blick auf die Pastoral der Zukunft gibt es viele Möglichkeiten, etwas zu gestalten“, zieht Kapperer ein Fazit seiner Arbeit. Die Erkenntnisse aus seiner Doktorarbeit möchte er auch an seiner nächsten Stelle einbringen. Im September wechselt er in die Pfarreiengemeinschaft „Unter der Homburg, Gössenheim“ und wird für den pastoralen Raum Gemünden in der Koordination und Planung tätig sein. Ausdrücklich ermuntert er dazu, als Kirche den ersten Schritt zu machen: „Es wird in jedem Sportverein sehr wahrgenommen und wertgeschätzt, wenn der Pfarrer sich einmal im Jahr sehen lässt oder zu einem Fest kommt.“

Zur Person

Thorsten Kapperer wurde 1980 in Lohr am Main geboren. Nach dem Abitur leistete er seinen Zivildienst in der dortigen Caritas-Sozialstation. Von 2001 bis 2006 studierte er in Würzburg Diplom-Theologie. Der Pastoralkurs führte ihn von 2006 bis 2007 in die Pfarrei Marktheidenfeld. Ab September 2007 war er jeweils mit halber Stelle als Pastoralassistent in der Pfarreiengemeinschaft „Die Walddörfer“ im Dekanat Bad Neustadt sowie Dekanats-Jugendseelsorger für das Dekanat Bad Neustadt tätig. Seit September 2012 ist er als Regionaljugendseelsorger für das Dekanat Bad Neustadt tätig. Zum 1. September 2017 wechselt er jeweils mit halber Stelle in die Pfarreiengemeinschaft „Unter der Homburg, Gössenheim“ sowie in die Koordination und Planung für den pastoralen Raum Gemünden. Kapperer ist verheiratet und Vater eines Sohns und einer Tochter.

Thorsten Kapperer: Leidenschaft und Fußball. Ein pastoral-theologisches Lernfeld. Band 98 der Reihe „Studien zur Theorie und Praxis der Seelsorge“. Echter-Verlag Würzburg, 2017. 464 Seiten, 42 Euro. ISBN 978-3-429-04314-8.

sti (POW)

(1517/0422; E-Mail voraus)

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