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Geduld statt Zorn

Neujahrsempfang der Stadt Würzburg im Rathaus – Bischof Dr. Franz Jung Gastredner der Veranstaltung

Würzburg (POW) Geduld ist entscheidend, gerade wenn die Probleme, die zu lösen sind, sehr komplex und herausfordernd sind. Das hat Bischof Dr. Franz Jung am Sonntag, 12. Januar, bei seiner Ansprache beim Neujahrsempfang der Stadt Würzburg betont. Er sprach auf Einladung von Oberbürgermeister Christian Schuchardt bei der Veranstaltung im Rathaus.

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Vielfach zeige sich in der Gesellschaft ein Trend zu „Schluss mit der Geduld“, erläuterte der Bischof. Das werde unter anderem im Erstarken rechter Tendenzen deutlich. „In ganz anderer Hinsicht haben wir Ähnliches erlebt mit den Demonstrationen für den Klimaschutz.“ Auch hier sei das Ende der Geduld der bestimmende Tenor. Und auch in der Kirche sei ein Ende der Geduld in der Diskussion um die Erneuerung zu spüren. „Protestbewegungen treten lautstark und öffentlichkeitswirksam für Veränderungen ein, die gefühlt seit Langem anstehen und jetzt endlich durch- und umgesetzt werden wollen.“

Das konstatierte Ende der Geduld geht nach den Worten von Bischof Jung mit Zorn einher. Dieser sei unter anderem Ausdruck der Empörung über bedrohliche Missstände, über die Verantwortungsträger in Kirche und Politik, die ihrer Verantwortung nicht nachgekommen seien und auch jetzt zu langsam in die Gänge kämen. Zornig seien die Menschen auch darüber, „noch immer nicht richtig wahr- und ernst genommen zu werden und noch zu wenig auf die relevanten Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse einwirken zu können“. Das Ende der Geduld, der eklatante Zeitmangel und der Zorn führten zu einer Einteilung der Welt in Gut und Böse, in Schwarz und Weiß, in Blockierer und Fortschrittliche, in Freunde und Feinde. Gefördert werde dieses Phänomen durch das öffentliche Vorführen der vermeintlich als Böse identifizierten Personen.

Als erfreulich bezeichnete Bischof Jung die Feststellung, „dass sich auch in unseren Tagen Menschen nicht einfach mit Missständen abfinden und sie als gegeben hinnehmen“. Dahinter stehe auch die Erfahrung, dass sich mit entschiedenem Protest und überzeugtem Einsatz etwas bewegen lasse. „Das gilt ausdrücklich auch für die beachtliche Anzahl junger Menschen, die sich entgegen früherer Generationen wieder vermehrt politisch artikulieren und auf ihre Anliegen lautstark aufmerksam machen.“ Viele der Proteste richteten sich auch gegen einen schwerfälligen Politikapparat und gegen langwierige Verhandlungen, die als Hinhalte- und Verzögerungstaktik wahrgenommen würden. Das sei eine Anfrage an die Parteienlandschaft, die sich in einem rasanten Umbruch befinde. Zugleich stelle sich die Frage, ob es nicht ein Anliegen sein müsste, die Proteste über die demokratisch legitimierten und definierten Entscheidungswege zu artikulieren und in die Gesetzgebungsverfahren einzuspielen.

Bischof Jung ermunterte zudem dazu, die Komplexität der Wirklichkeit wahrzunehmen, auch wenn die Anliegen berechtigt und der Wunsch nach schnellen und einfachen Lösungen nachvollziehbar seien. „Unbestritten muss jeder Verrohung in Sprache und Umgangsformen, muss jeder Fremdenfeindlichkeit und jeder populistischen Agitation mit Entschiedenheit Einhalt geboten und widersprochen werden. Aber auf Dauer wird das nicht genügen“, erklärte der Bischof. So hätten die etablierten Parteien auf die Anfragen der derzeitigen Globalisierungsverlierer noch keine wirklichen Antworten gefunden. „Das gilt auch für das höchst komplexe Thema der Klimaschutzpolitik. Jenseits der globalen Zusammenhänge und der Frage, inwieweit große Player wie beispielsweise die USA oder China ihren Verpflichtungen nachkommen oder eben auch nicht nachkommen, stellt sich bei uns die Frage, ob die angezielten Veränderungen tatsächlich in kurzer Zeit erreicht werden können. Jeder weiß, dass die Zeit drängt.“ Es stelle sich auch die Frage, wie das Ganze weltweit sozialverträglich geschehen könne.

Den „Synodalen Weg“ bezeichnete der Bischof als eine „spannende Aufgabe“. Dieser werde sich darin bewähren müssen, dass unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen, die Diskussion sachlich geführt werde und die innere Einheit soweit als möglich gewahrt werde. Die häufig geäußerte Zeitansage, es sei „fünf vor zwölf“ relativierte der Bischof. Wer gezielt im Internet recherchiere, werde verwundert oder auch schmunzelnd feststellen, dass es in vielerlei Hinsicht seit mehr als 40 Jahren „fünf vor zwölf“ sei. „Es ist gewissermaßen immer ‚fünf vor zwölf‘, weil wir eben nie fertig werden mit unseren Hausaufgaben und es leider halt meistens nur unter Druck vorwärts geht. Das macht’s nicht unbedingt besser, aber vielleicht doch etwas erträglicher.“

Auf Dauer helfe Zorn, auch wenn er berechtigter Ausdruck der Empörung über Unrecht sei, nicht weiter. „Am Ende benötigt der Tapfere Geduld und vor allem die Langmut, um sein Anliegen auch über längere Durststrecken hindurch zu verfolgen, ohne innerlich auszubrennen und zynisch zu werden.“ Die Herausforderungen sind laut Bischof Jung so groß, dass sie nur in einer gemeinsamen Anstrengung bewältigt werden können. Es brauche Zeit, um das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen. „Druck ist gut. Aber er wird schon rein physikalisch zunächst eher Gegendruck und Widerstand erzeugen denn wirkliche Veränderung.“ Zeit sei auch dafür notwendig, einander zuzuhören und ernst zu nehmen „jenseits der politischen Lager und Interessen“. Wichtig sei es, die Folgen gegenwärtigen Handelns ebenso zu Ende zu denken wir die Folgen möglicher künftiger Veränderungen. Gerade wer es eilig habe, müsse langsam machen, sonst unterliefen viele Fehler, die eher zurückwerfen statt voranbringen. „Und wir brauchen Zeit zum Lachen. Denn der Humor gehört bei allen Veränderungen dazu.“

Oberbürgermeister Christian Schuchardt begrüßte zu Beginn der Veranstaltung die Gäste. Zu den Zuhörern gehörten neben Würzburger Bürgern und Mitgliedern des Stadtrats unter anderem Bundes- und Landtagsabgeordnete und Repräsentanten aus Gesellschaft und Kirche sowie Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Im Blick auf die Stadt und die Ereignisse des vergangenen Jahres sprach der Oberbürgermeister von einem „Kaleidoskop“. Das gelte auch für den Stadtrat selbst. „Er ist auf jeden Fall ein repräsentatives Spiegelbild der Gesellschaft. Und je ausdifferenzierter eine Gesellschaft ist, desto ausdifferenzierter sind ihre Auffassungen und kleinteiliger die Gruppierungen und Sitzverteilungen im Parlament.“

mh (POW)

(0320/0055; E-Mail voraus)

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