Würzburg (POW) 7.15 Uhr: Noch herrscht Stille im Schulgebäude der Sankt-Ursula-Schule in Würzburg. Kein Stimmengewirr in den Gängen, niemand eilt zum Unterricht. Zuweilen läuft ein junges Mädchen über den kleinen Hof, der Schule und Ordenshaus verbindet. In der Klosterkirche versammeln sich die Schülerinnen die 10b der Realschule zum letzten Klassengottesdienst in diesem Jahr, den sie selbst gestalten. „Was brauchen wir zum gelingenden Leben?“ ist das Thema der Messfeier. Auf Blätter schreiben die 16-Jährigen, was jede einzelne von ihnen zum Leben braucht – Familie, Freunde, Licht, Sonne, Sport, Selbstvertrauen. Sie bringen ihre Zettel zum Altar, singen und beten gemeinsam, holen sich Kraft für die anstehende Prüfungszeit.
„Klassengottesdienste sind eine feste Größe in unserem Schulalltag“, erklärt Schwester Katharina Merz, Leiterin der Sankt-Ursula-Realschule. Einmal im Halbjahr gestaltet eine Klasse einen solchen Gottesdienst und bereitet ihn im Religionsunterricht vor. „Darüber hinaus feiern wir noch sieben große Schulgottesdienste im Kiliansdom. Sie können sich sicher das Gewusel vorstellen, wenn rund 1400 Mädchen dort zusammenkommen“, sagt sie und schmunzelt.
Die Sankt-Ursula-Schule im Zentrum Würzburgs ist eine der ältesten Schulen der Stadt. 1712 kamen die ersten Ursulinen in die Stadt am Main und seitdem nehmen sie dort auch einen Bildungsauftrag wahr. „Es ist Tradition, dass sich unser Orden in der Mädchenerziehung engagiert“, betont Schwester Andrea Greb, Leiterin des Gymnasiums. „Ursulinen haben an diesem Ort schon immer Mädchen unterrichtet. Der Geist der Schule nährt sich aus dem Kloster. Er ist deutlich spürbar.“ Zunächst war die Ursulinenschule eine Volksschule, später eine höhere Töchterschule. Die Trennung in einen Realschul- und Gymnasialteil erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg.
Sankt Ursula war und ist eine reine Mädchenschule. Sie erfreut sich in und um Würzburg eines großen Zuspruchs. Zirka 200 Mädchen werden jedes Jahr aufgenommen. Voraussetzung ist, dass die Mädchen getauft sind. „Natürlich erwarten wir von unseren Schülerinnen Leistung, aber es geht uns vorrangig nicht so sehr um Noten. Bei uns zählt der Mensch, nicht nur die Zensuren“, erklärt Schwester Katharina. Am Anmeldetag würden die genommen, die zuerst da seien. „Das müssten sie mal sehen: Dann campen Eltern und Schülerinnen sogar vor unserer Pforte.“ Beschwert habe sich darüber noch niemand, im Gegenteil: „Die Eltern finden das nicht schlimm. Es herrscht immer gute Stimmung und man lernt einander kennen.“
Derzeit sind 1417 Schülerinnen an der Sankt-Ursula-Schule, 772 am Gymnasium, 645 an der Realschule. „Trotz der Teilung in die beiden Schularten verstehen wir uns als eine Schule“, betont Schwester Katharina. Die Realschule bietet alle Wahlpflichtfächer an, das Gymnasium ist neusprachlich und wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet. „Wir sind rund 100 Lehrkräfte, fünf davon Schwestern“, erläutert Schwester Andrea. Nach dem Ideal der Gründerin Angela Merici geben sich die Ursulinen Mühe, jede Schülerin in den Blick zu nehmen. „Dass ist es auch, warum die Eltern ihre Kinder so gern zu uns schicken: Sie wissen, dass sie bei uns gut aufgehoben sind und in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden. Und sie erhoffen sich Werteerziehung von uns“, sagt Schwester Andrea.
Die 32 Schülerinnen der Klasse 10 b sitzen nach dem Gottesdienst in ihrem Klassenraum und genießen das späte Frühstück. Ihre Klassenlehrerin Angelika Weckesser ist auch dabei. „Ich unterrichte die Mädchen in Englisch und Französisch. Sie binden mich aber immer in die Vorbereitung eines solchen Gottesdienstes mit ein und laden mich auch zur Messfeier ein. Das freut mich“, erzählt sie. Sie kennt fast alle der 16-Jährigen von klein auf. Die meisten sind schon seit der fünften Klasse beisammen, die restlichen kamen in der siebten dazu. „Ich habe ihre jeweilige Entwicklung beobachtet und begleitet. Wir haben ein beidseitiges Vertrauensverhältnis aufgebaut und können gut miteinander reden“, berichtet sie.
„Wir sind eine große Gemeinschaft. Man fühlt sich in der Klasse irgendwie daheim“, sagt die 17-jährige Judith Jung. Sie ist seit der fünften Klasse hier. „Wir gehen sehr offen miteinander um, können über alles reden. Klar gibt es mal Streit, aber das ist nicht die Regel.“ Das hat Lisa Ulsamer früher ganz anders erlebt. Bis vor einem Jahr lernte sie an einer anderen Schule. „Dort gab es zwei Gruppen, die immer wieder gegeneinander agierten. Hier ist das nicht so“, sagt sie. Als Vorteil betrachtet sie es auch, dass es in Sankt Ursula nur Mädchen gibt. „Dadurch sind wir alle viel offener. Keiner lacht einen aus oder macht einen blöden Spruch, wenn man mal was sagt.“
Für das Gelingen von Lehre und Erziehung sei die Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus sehr wichtig, unterstreicht Schwester Katharina: „Die Eltern stehen hinter den Lehrern.“ Dass es nicht an allen Schulen so ist, weiß Weckesser. „Ich habe die Unterstützung der Eltern, wenn es Probleme gibt oder Anordnungen erteilt werden. Das erleichtert die Arbeit ungemein.“ Als besonderen Auftrag als Pädagogin dieser Einrichtung sieht Weckesser, „den Kindern Geborgenheit und Angenommensein zu vermitteln“.
Schwester Andrea freut sich über den guten Ruf der Einrichtung, denn er kommt nicht von Ungefähr: „Wir haben sehr viel zu bieten, sowohl was die Wissens- als auch die Werteerziehung angeht. Was wir uns für die Zukunft ganz besonders wünschen, sind junge motivierte Mitschwestern.“
(2507/0911)