Liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
der heutige Oasentag unserer Priester und Diakone zu Beginn der Karwoche mit dieser feierlichen heiligen „missa chrismatis“ ist eine große Chance der persönlichen Begegnung mit Jesus Christus, der Mitte und dem Ziel unseres Lebens.
1. Wir leben alle in einer sehr zerbrechlichen Welt. Die weltweite Finanzkrise ist nur ein spürbares Indiz für die Überschreitung ethisch gebotener Grenzen im wirtschaftlichen Bereich. Der Amoklauf im schwäbischen Winnenden reißt viele Fragen hinsichtlich unserer Erziehung von Kindern und Jugendlichen auf, die nicht vorschnell zu beantworten sind. Die unsägliche Kritik an unserem Heiligen Vater im Zusammenhang der letzten Wochen – Stichworte sind nur die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft, mit den darin hinein gewobenen unverantwortlichen Äußerungen von Bischof Williamson zum Holocaust und das Papstinterview auf dem Weg nach Kamerun und Angola zur Aidsproblematik und deren Bekämpfung – schmerzt und führt uns die momentane Unruhe deutlich vor Augen.
Als Diener der Kirche, deren Herr allein Jesus Christus ist, werden wir in den Texten der heiligen Messe auf Ihn als den ‚treuen Zeugen’ (Offb 1,5) verwiesen. Er allein vermag uns Ruhe und Sicherheit im Sturm dieser Zeit zu geben. Er ist die Mitte, der Anfang und die Vollendung.
2. Unser Würzburger Sankt Kiliansdom ist ein eindrucksvolles, sprechendes Zeugnis von Gefährdung und Treue, von Beginn und Hoffnung auf Vollendung: Nachdem unser Dom am 16. März 1945 im Feuersturm des Bombenhagels großenteils zerstört worden war, hat der Wiederaufbau die Schmerzen der Verwundungen sichtbar gemacht: Durch das neu geschaffene große Eingangsportal mit der Schöpfungsgeschichte treten wir in das romanische Gotteshaus, schauen auf die Menora, den siebenarmigen Leuchter, der an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem erinnert, gehen an den vielen Epitaphen und Grabmälern Würzburger Bischöfe vorbei zur neu gestalteten Vierung mit Altar, Tabernakel und Ambo und richten schließlich unseren Blick auf die vielen uns voran gegangenen Zeugen des Glaubens im Chorraum, die uns zum wiederkehrenden Weltenherrscher führen.
Jegliche Zeit ist nicht nur flüchtiger Vorübergang, sondern Durchgang. Irdische Liturgie ist immer schon Teilhabe an der himmlischen. Gott ist und bleibt gegenwärtig in allen Krisen und Katastrophen.
3. Auch die heutigen Fragen der Gesellschaft im Blick auf Stabilität und Werte sind ohne Jesus Christus nicht zu beantworten. Jesus war und ist angefochten. Nur wenn er wirklich Gottes Sohn ist, hat sein Wort performative Kraft, schafft sein Erlösungssterben am Kreuz Vergebung der Sünden und seine Auferstehung Gegenwart, die in eine vollendete Zukunft führt. Dafür stehen wir mit unserem Leben ein.
Als Priester und Diakone stehen wir heute in besonderer Weise im Focus der Öffentlichkeit. Es schmerzt, wenn zwei Mitbrüder den priesterlichen Dienst aufgeben, um zu heiraten. Ihr Weggang reißt weitere Wunden in den geringer werdenden Klerus. Manche meinen, die Aufhebung des Zölibates – der ja nicht göttlichen Gebotes ist – würde eine Lösung des Priesternachwuchsproblems bringen. Ist dem aber wirklich so? Würden sich nicht vielmehr eine Vielzahl anderer Probleme ergeben, die jetzt nur mit Stichworten wie Einschränkung der Ganzverfügbarkeit und Minderung des existentiellen Verweises auf das Himmelreich angedeutet werden können.
Ich weiß um die heutige Mehrfachbelastung der Priester – aber auch um die der anderen Mitarbeiter, vor allem auch der Ehrenamtlichen. Dabei sind heute mehr Menschen haupt- und ehrenamtlich in der Pastoral tätig als noch zu Zeiten vieler Priesterberufungen. Trotzdem gibt es oft ein großes Unbehagen wegen einer wirklichen oder vermeintlichen, d.h. gefühlten, Mehrbelastung. Woran liegt das?
Mir scheint, dass die Anforderungen, die Erwartung an den Einzelnen erheblich gestiegen sind. Der Pfarrer soll nicht nur alles können, sondern soll auch für alles einstehen. Eine ständige kritische Haltung der Mitmenschen, die zu einem dauernden Rechtfertigungsdruck führt, zermürbt.
4. Die Aufgabenbereiche sind in der Tat auch gewachsen: Pfarreiengemeinschaften bringen eine Vielzahl kirchlich zu betreuender Einrichtungen und Versammlungen mit sich. Die Erwartungshaltung, dass ein Pfarrer all das leisten kann, was mehrere vor ihm haben tun können, belastet.
Die Einführung der Computer bringt nicht nur Arbeitserleichterung sondern auch Handlungsdruck mit sich. Die Erwartung steigt, dass alles sofort erledigt werden muss.
Für junge Menschen scheint dieser Beruf nicht attraktiv zu sein, wenn sie uns nur mit ‚hängender Zunge’ herumlaufen sehen.
Und dennoch: Liegt das eigentliche Problem nicht tiefer? Wir haben nicht nur Priester- wir haben auch Gläubigenmangel! Es ist nicht nur der sich neu formierende Atheismus, der inzwischen auf die Straße geht, das Problem. Es ist ein Wegbrechen christlicher Grundprinzipien zu konstatieren, die uns auch im täglichen Leben beschweren: Dazu gehören vor allem die steigende Zahl der Ehescheidungen und Wiederverheiratungen, das teilweise ungezügelte Sexualleben, die Zunahme von Gewalt, die Enttäuschungen in Wirtschaft und Politik.
Wir brauchen eine tiefe Bindung an den gegenwärtigen Herrn, der unter uns ist in seinem Wort und Sakrament.
Wie war es bei unserer Weihe, als wir auf dem Boden des Altarraumes lagen und unser Leben ganz in die Hände Gottes übergaben? Wie war es mit unserem ‚Adsum’ – ‚ich bin bereit’? Haben wir uns damals nicht Gott ganz und gar – sozusagen mir Haut und Haaren – anvertraut? Unser eheloses Lebenszeugnis gewinnt da an Strahlkraft, wo wir aus der Mitte der Gemeinschaft mit Christus leben. Christusfreundschaft darf kein hohles Wort sein. Die Menschen müssen spüren können, dass diese Wirklichkeit unsere Lebensbasis ist. Wann erleben uns die Menschen in der stillen Anbetung vor dem Allerheiligsten, beim Breviergebet oder bei der Beichte? Wann hören sie von uns, dass unser Leben aus und mit Christus eine tiefe innere Freude und Erfüllung schenkt? Sprechen wir auch offen über dieses Gnade?
Es heißt, dass die Berufgruppe, die sich am zufriedensten mit ihrem Leben zeigt, die der alten Mitbrüder ist. Spüren dies unsere Mitmenschen?
Der Pfarrer vor Ort gehört immer noch zu den angesehensten Personen. Da, wo die Menschen einen unmittelbaren Kontakt zum Priester haben, äußern sie ihre Hochachtung und Dankbarkeit.
5. Liebe Mitbrüder,
unser Heiliger Vater will am kommenden Herz-Jesu-Fest, am 19. Juni, ein Priester-Jahr ausrufen. Er möchte dabei die geistliche Ausrichtung der geweihten Diener Gottes fördern. „Treue in Christus, Treue des Priesters“ lautet das Jahresthema. Anlass ist der 150. Todestag des heiligen Pfarrers von Ars, Jean-Marie Vianney. Am 19. Juni 2010 soll dann dieses Priester-Jahr in Rom mit einem Weltreffen der Priester auf dem Petersplatz abgeschlossen werden.
Dieser heilige Pfarrer von Ars führt uns eindrucksvoll vor Augen, wie er aus einer toten Gemeinde eine lebendige machte und wie sein priesterlicher Dienst im Beichtstuhl zu einem Angelpunkt der geistlichen Erneuerung in Europa wurde. Ob nicht gerade dieser einfache, bescheidene Priester, der ebenfalls mit vielerlei Anfechtungen zu kämpfen hatte, aber mit unabdingbarer Treue sein Leben Christus schenkte, uns nicht doch einen Weg in die Zukunft weisen kann? Amen.